Anfangs März richtete sich eine Gruppe von Nicht‑Regierungs‑Organisationen aus dem Bundesstaat Cearà mit einem Schreiben an die Interamerikanische Entwicklungsbank IDB, um auf Unstimmigkeiten in der Durchführung eines grossen Tourismusprojekts aufmerksam zu machen. Das 400 Millionen US‑Dollar Projekt mit dem Namen Prodetur‑CE (Program for Tourism Development in Cearà) ist Teil eines grossangelegten Ausbauplanes im Nordosten Brasiliens: Von Bahia bis nach Maranhao soll der Tourismus gefördert werden. So will es die brasilianische Regierung, die im November letzten Jahres mit der IDB einen Vertrag über einen Kredit von insgesamt fast 900 Millionen US‑Dollar zur Be­reitstellung von Infrastruktur wie Strassen, Flughäfen, Elektrizitätslinien, Sanitär- ­und Abwasseranlagen unterzeichnet hat. Private Anleger sollen so ermuntert wer­den, in diesem riesigen Gebiet in die Tourismusentwicklung zu investieren, und dadurch neue Arbeitsplätze und Einkommensmöglichkeiten zu schaffen. Im Ab­kommen zwischen der brasilianischen Regierung und der IDB wird klar festge­halten, dass der gesprochene Kredit die Verbesserung der Lebensbedingungen der einkommensschwachen Bevölkerung zum Ziel hat, dass diese in die Projektpla­nung miteinbezogen werden soll, und dass Massnahmen im Bereich des Umwelt­schutzes getroffen werden müssen. Der Nordosten gehört zu den ärmsten Regio­nen Brasiliens: Weniger als 52 Prozent der Haushalte sind an ein Trinkwassser­system angeschlossen, der Analphabetismus erreicht eine Rate von 40 Prozent. Die Gruppe im Bundesstaat Cearà, die sich zusammengeschlossen hat, um der Regierung und der ausführenden Behörde, der Banco do Nordeste BNB, auf die Finger zu schauen, befürchtet nun, dass von diesem Projekt einzig Unternehmer, Grossgrundbesitzer und Baufirmen profitieren werden, nicht aber die eigentliche Zielgruppe des Projekts, die einkommensschwachen Schichten dieser Region. Entgegen den Vereinbarungen mit der IDB hielten die zuständigen Behörden In­formationen über die geplanten Aktivitäten zurück und rückten erst mit Details heraus, als der Rechtsweg beschritten wurde. In ihrem Schreiben nennt die Gruppe verschiedene weitere Faktoren, welche schwere Zweifel an der Durchfüh­rung des Projekts im Sinne der IDB aufkommen lassen: Bis anhin fehlt jeglicher Erschliessungsplan für die Küstenregion, die Besitzverhältnisse sind vielfach un­geklärt, erst eine der 22 Gemeinden an der Küste hat damit begonnen, gesetzliche Grundlagen für einen Zonenplan zu erstellen. Seit Beginn der Planungsphase von Prodetur‑CE haben denn auch Immobilienspekulationen und Landkonflikte stark zugenommen, und zahlreiche Bauten sollen in ökologisch fragile Zonen wie La­gunen, Sanddünen oder Feuchtgebiete zu liegen kommen. All diese Ungereimthei­ten lassen die acht unterzeichnenden Organisationen das Schlimmste befürchten. Sie fordern die Kapitalgeber deshalb auf, keine Gelder zur Verfügung zu stellen bis all diese Fragen geklärt und die Beteiligung und Mitsprache der Küstenbevöl­kerung garantiert sind.
Schreiben des Forum do Litoral Cidadania, Desenvolvimento & Melo‑Ambiente vom 8.3.1995, Recherchen Ak T+E/kg