Die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern im brasilianischen Vereda Funda kämpfen mit einer Klage an die Landbehörde für das ihnen zustehende Land. Gleichzeitig lernen sie, wie ihr durch Eukalyptusanbau abgewirtschaftetes Wüstenland wieder fruchtbarer Cerrado werden kann.
Vereda Funda ist ein kleines Dorf im äussersten Norden des brasilianischen Bundesstaates Minas Gerais. Es liegt mitten im Cerrado, dem Savannengebiet Südostbrasiliens. Die Dörfer liegen demgegenüber oft in den kleinen Senken zwischen den Hochebenen.

Der Fall Vereda Funda ist typisch für viele Dörfer im Cerrado, wo seit den siebziger Jahren Kleinbauernfamilien vertrieben, in Armut gestürzt oder in ihrer Existenz bedroht wurden. Vereda Funda zeigt aber auch beispielhaft für ganz Brasilien, wie Fällen von Entrechtung oder Misswirtschaft begegnet werden kann.

Die Kleinbauern von Vereda Funda leben seit Generationen in der Region, ohne Landtitel im Grundbuch eingetragen zu haben. Sie gehören zu den sogenannten Geraizeiros; so werden die überwiegend von der Sammelwirtschaft lebenden Bevölkerungsgemeinschaften der Hochebenen des Cerrado genannt. Sowohl die Grundstücke im Dorf als auch das traditionell gemeinschaftlich bewirtschaftete Gemeindeland der Hochebenen des Cerrado sind offiziell Staatsland. Allerdings wird bereits seit Jahren von den Geraizeiros aus Vereda Funda die Übertragung der Nutzungsrechte für das Land an die Familien eingefordert. Doch in den siebziger Jahren wurde das Gemeindeland vom Bundesstaat Minas Gerais für 25 Jahre an die brasilianische Firma Floresta Minas verpachtet.
Fruchtbares Land wird zur Wüste
Dies war in zweifacher Weise widerrechtlich: Erstens wurde das Recht der ansässigen Geraizeiros missachtet, die gemäss brasilianischer Gesetzgebung als traditionelle Bevölkerungsgruppe zumindest ein Nutzungsrecht für das seit Generationen von ihnen bewirtschaftete Land haben. Zweitens wurde Land, das Eigentum des brasilianischen Staates war, vom Bundesstaat Minas Gerais verpachtet, der gar keine Rechte über dieses Land hatte.

Nicht nur der Verlust ihres Gemeindelandes schädigte die Einwohner von Vereda Funda, sondern auch die negativen Auswirkungen der Eukalyptusmonokulturen durch Floresta Minas. Eukalyptus benötigt sehr viel Wasser und verdrängt alle anderen Pflanzen. Dies führte zum Absinken des Grundwasserspiegels und zu Erosion. Bei starken Regenfällen wurde die Erde weggeschwemmt, und es entstanden Hunderte tiefe Erosionsgräben. Quellen, durch das Absinken des Grundwasserspiegels bereits eingeschränkt nutzbar, wurden nun durch den Schlamm zugedeckt und versandeten. Damit wurde nicht nur die Wasserversorgung für die Dörfer, sondern auch für die landwirtschaftlichen Flächen zum Problem.

Ende der neunziger Jahre war die Lage in Vereda Funda prekär: Die Flussläufe waren ausgetrocknet, viele Bauern hatten ihre Existenz verloren und emigrierten. Im Jahr 2003 wurde HEKS in der Region mit einem Programm zur Entwicklung ländlicher Gemeinschaften aktiv. Ein wichtiger Partner in der Region Nord-Minas ist das Centro de Agricultura Alternativa CAA und hat wie die meisten der HEKS-Partner in Brasilien seine Wurzeln in der kirchlichen Landpastoralenbewegung. Diese kämpft bereits seit Jahrzehnten gegen Ungerechtigkeit und Armut der Landbevölkerung. Das CAA wurde gegründet, um die Problematik der Landrechte von Landlosen und Kleinbauern im Zusammenhang mit Umweltfragen anzugehen. Die Mitarbeitenden von CAA sind oft Bäuerinnen und Bauern, welche die Land- und Umweltproblematik aus ihrer eigenen Erfahrung kennen und auf Augenhöhe mit den Betroffenen in den Projekten sprechen und handeln können. Diese Nähe zu den Menschen ist für HEKS ein wichtiges Kriterium für die Auswahl der Partnerorganisationen.

Ganzheitliche Strategie
Das HEKS-Projekt in der Region von Vereda Funda beinhaltet verschiedene Ebenen, die ineinander greifen: die rasche Beendigung der weiteren Erosion und Verwüstung, juristische Massnahmen zur Erlangung der Landtitel, die Umsetzung eines agro-ökologischen Entwicklungskonzepts und den Aufbau einer Vermarktungsstruktur für die zu produzierenden Güter.

Die Gemeindemitglieder beschreiten zum einen den juristischen Weg mit ihrer Klage an die Landbehörde. Zum anderen haben sie mit der Unterstützung von CAA einen alternativen Nutzungs- und Entwicklungsplan für das Gemeindeland erstellt. Dieser zeigt auf, wie aus dem durch Eukalyptusanbau abgewirtschafteten Wüstenland wieder fruchtbarer Cerrado werden soll. Der Plan beinhaltet einerseits die Wiederaufforstung der Cerrado-Vegetation und anderseits extensive Nutzung durch Anbau von Ölpflanzen, Gemüse und Früchten.

Zuerst muss jedoch die weitere Erosion der Böden aufgehalten werden. Erster Schritt im HEKS-Projekt war die kartographische Erfassung der Erosionsgräben. CAA hielt im Municipio Rio Pardo, zu dem die Gemeinde Vereda Funda gehört, mehr als 300 solche Gräben fest. Dieses Inventar war die Grundlage für den Kampf gegen die Erosion. Nun wurden an neuralgischen Stellen Sammelbecken aufgeschüttet, welche den Schlamm aufhalten. So können die weitere Ausspülung der Erosionsgräben und auch die Zuschüttung der Quellen verhindert werden.

Die Erfahrungen von Vereda Funda sind eine wichtige Basis für Auseinandersetzungen etwa im Landkampf in anderen Dörfern und in anderen Regionen. So geht das Wissen weiter zu anderen Bauernfamilien, welche ihrerseits wieder mit der Unterstützung von HEKS den Wirkungskreis der ländlichen Entwicklung in Gang setzen. Die Geschichte von Vereda Funda zeigt nicht nur auf, wie ein ganzheitlicher Ansatz im Kleinen Grosses bewirken kann, sondern dient bereits heute als anerkannte Referenz für den ganzen Cerrado. Sie zeigt auf, wie es möglich ist, Vertreibung und Entrechtung erfolgreich entgegenzutreten und zerstörtes Land, eine Wüste, wieder fruchtbar zu machen.
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Rodolfino José Pereira lebt mit seiner Frau Antonia und seinen zwei Töchtern im Dorf Moreira. Er baut Zuckerrohr an und verarbeitet diesen zu Block- und Rohrzucker sowie Cachaça (Zuckerrohrschnaps). Seit Jahren verkauft er diese Produkte auf dem regionalen Markt von Rio Prado. Durch die HEKS-Partnerorganisation Centro de Agricultura Alternativa (CAA) konnte er seine Produktionsmethoden verbessern. Er nahm an einer von HEKS finanzierten Studie von CAA teil, welche die Produkte der Zuckerrohrbauern in der Region untersuchte und einheitliche Qualitätsstandards auf der Grundlage von ökologischem Anbau und traditioneller Verarbeitung vorschlägt. Wenn Rodolfino die Qualitätsstandards erfüllt, kann er, wie weitere 3500 Familien, seine Produkte zu einem garantierten Mindestpreis an die Kooperative verkaufen. Diese vermarktet die Zuckerrohrprodukte, aber auch Fruchtmark und Öle aus Cerrado- Früchten, an staatliche Abnehmer wie Kindergärten oder Schulen, aber auch an kommerzielle Käufer.
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HEKS, das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz, leistet Humanitäre Hilfe, bekämpft die Ursachen der Armut und ermöglicht Menschen den Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen wie Land, Wasser, Nahrung und Bildung. HEKS wehrt sich gegen Ausbeutung und hilft Unterdrückten, sich zu organisieren und ihre Rechte einzufordern. Das Ziel ist ein selbstbestimmtes Leben in Würde für alle Menschen, unabhängig welcher Volksgrupope oder Religion sie angehören.
HEKS arbeitet mit lokalen Partnerorganisationen in über 40 Ländern der Welt. In der Schweiz setzt sich HEKS anwaltschaftlich für Flüchtlinge ein und ist in Beratungs.- und Integrationsprojekten für MigrantInnen und sozial benachteiligte SchweizerInnen aktiv.

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