"Die Landschaft von Grindelwald gehört zum Schönsten, das es in der Schweiz und in Mitteleuropa (…) gibt. Wer an der Landschaft von Grindelwald noch etwas verdirbt, muss wissen, dass er nicht irgendetwas, sondern etwas sehr Kostbares verdirbt", sagte Georges Grosjean, Geografie-Professor und früherer Direktor des Schweizerischen Alpinen Museums, bereits 1986.

Seilbahn vor der Eigernordwand

Mit dem geplanten, 6.1 km langen Eigerexpress von Grindelwald-Grund (930 m) zur Eigergletscher-Station (2’320 m) droht nun genau dies zu passieren: ein Eingriff in eine Naturlandschaft, die zu den eindrücklichsten Ansichten der Alpen zählt. Entsprechend wirft das Eigerexpress-Projekt die ethische Frage des Schutzstatus der bundesrechtlich geschützten Eigernordwand auf. Damit soll einerseits die 1978 realisierte Gondelbahn Grindelwald-Männlichen ersetzt werden; andererseits soll vom gleichen Terminal aus eine neue 3-Seil-Umlaufbahn mit 28 Sitzplätze fassenden Gondeln realisiert werden, die in rund 300 m Abstand alle 40 Sekunden zum Eigergletscher geführt wird. Das als Jahrhundertprojekt taxierte Vorhaben dürfte einschliesslich der neuen Bahnstation Rothenegg, der Pistenanschlüsse und des Ausbaus der Jungfraubahn-Station Eigergletscher rund 200 Mio. Franken kosten.
Zwar weist das Projekt auch innovative Überlegungen auf (etwa bezüglich der Verkehrserschliessung); seine Schwachstelle jedoch ist nicht zu übersehen: sie liegt in der Linienführung. Während die heutige Grindelwald-Grund-Männlichen-Bahn am nördlichen Rand des Itrahmen- und Brandswaldes und in gebührendem Abstand zur Felswand des Eigers verläuft, käme der künftige, vertikal geführte Eigerexpress genau vor die Kulisse der monumentalen Nordwand. Betroffen ist damit das UNESCO-Weltnaturerbe Jungfrau-Aletsch und das regionale Landschaftsschongebiet Rinderalp-Bonern. Diese Nähe zur Felswand ist als Ersteingriff in eine intakte Naturlandschaft von Weltruf zu taxieren.

Dieser Eingriff wurde bislang allerdings heruntergespielt. So etwa sprach die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) in einem Gutachten vom Juli 2014 bloss von einer "leichten Beeinträchtigung" der Schutzziele. Nachdem dann aber die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL), die Pro Natura und Private eine Wiedererwägung des Gutachtens zustande gebracht hatten, kam es im November 2016 zu einem Augenschein mit den Behörden des Bundes. Und da an jenem strahlenden Herbsttag die Mastenpositionen der geplanten Bahn mit Ballonen markiert wurden, kam die ganze Problematik zum Vorschein. Die Masten 5 bis 7 rücken optisch nahe an die dahinterstehende Felswand. Insbesondere von den (Foto-)Standorten östlich der Kleinen Scheidegg und vom Aussichtspunkt Rotsteckli wird die Express-Gondelbahn vor der Felswand sichtbar in Erscheinung treten. Dies bedeutet, dass es nach dem Bahnbau keine Ansicht der unberührten Eigernordwand in integraler Weise mehr geben wird. Störend sind zudem folgende Aspekte: erstens die Fliegerkugeln, die auf den Masten angebracht werden müssen und namentlich die bewegten Gondeln, die praktisch an 365 Tagen vor dem Auge hin- und herfahren. Das ästhetische Erlebnis der Erhabenheit des Gesteinsmassivs als von Menschen unbeeinflusste Urkraft der Natur wird mit diesem Bergbahn-Vordergrund empfindlich gestört. Entlang des Wanderweges Richtung Alpiglen fällt zusätzlich der Mast Nr. 5 mit seinen rund 60 m Höhe auf, der dem Panorama entlang der Felswand Richtung Wetterhorn und Grosse Scheidegg einen störenden Vordergrund verleiht.

45 Minuten eher auf dem Joch

Stellt sich somit die Frage, ob sich das Projekt überhaupt optimieren lässt. Die SL suchte nach Lösungen: ein Plan B Richtung Arvengarten brächte Eingriffe in Naturschutzflächen mit sich oder dann eine Linienführung näher an der bestehenden Wengeneralpbahn mit technisch nicht machbaren Knicks. Mildern liess e sich der Eingriff, indem die Förderkapazität der Männlichenbahn erhöht würde (2’400 statt 1’800 Personen pro Stunde) und diejenige des Eigerexpresses gesenkt würde (von 2’400 auf 1’200 Personen pro Stunde). Dadurch könnten der Abstand zwischen den Gondeln gespreizt werden und man hätte nicht ständig sich bewegende Gondeln vor dem Auge.
Anhand dieser fast nicht lösbaren Konflikte stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit dieser Erschliessung. Ging es früher bei Seilbahn-Projekten darum, neue Geländekammern für das Skifahren oder für Ausflugsberge zu erschliessen, geht es heute um die Beschleunigung und der "staging time", das heisst des Zeitbedarfs für die Füllung eines Skigebietes. Als 2011 die Jungfraubahn-Gruppe das ursprüngliche Erschliessungsprojekt (genannt Ypsilon) präsentierte, wurde dies mit der heute langen Zubringerzeit ins Skigebiet begründet. Ziel sie es – so hiess es bei der Präsentation des V-Bahn-Projektes, der überarbeiteten Version des Ypsilons von 2012 – die Skifahrerzahlen von heute ca. 1 Million auf 1,3 Millionen zu steigern, also um rund 30 Prozent. Zudem soll aufgrund des Druckes der asiatischen Tourismusagenturen die Reise- und Aufenthaltszeit mit dem Ziel Joch reduziert werden. Die Besucherzahl auf dem Joch soll dank der um 45 Minuten beschleunigten Zubringerzeit auf 900’000 angehoben werden. Diese Zahl wurde indes bereits im Jahr 2016 – und zwar ohne Eigerexpress – bei Weitem übertroffen. Wozu als braucht es die Bahn?!

Bis der Schnauf ausgeht

Diese Beschleunigungsstrategie ist aber längerfristig kaum erfolgreich. Und da ohne Bergbahn wohl kaum eine alpine Feriendestination überleben kann, wird weiter investiert, "in der Hoffnung, dass den Konkurrenten andernorts und im Ausland zuerst der Schnauf ausgehen wird." (Daniel Imwinkelried, in der NZZ vom 4.1.2017). Die Sinnhaftigkeit eines solchen Wettrüstens ist typisch für einen kaptalintensiven Wirtschaftssektor. Aufgeben wäre zu kostspielig. Benno Stoffel, Vizepräsident der Walliser Bergbahnen (WWB), erklärte in der Silvesterausgabe 2016 des Walliser Boten, es gäbe keinen erfolgreichen Plan B für den Wintertourismus. Er sähe als einzigen Weg die flächendeckende Beschneiung. Endet somit der 250 Jahre alte Alpentourismus in einer Geschichte einer selbstgewählten wirtschaftlichen Gefangenschaft? Die vielen derzeitigen Seilbahnprojekte (Samnaun, Leukerbad, Andermatt, Sedrun, Flims etc.) wirken in ihrer deckungsgleichen Begründung verzweifelt, ja geradezu desillusioniert. Wenn alles bleiben soll, wie es war, muss sich alles ändern, dieses Zitat aus Tomasis Roman "Il Gattopardo" belegt das Dilemma, in dem die Bergbahnen (und die touristisch inszenierte Natur) stecken.

Dieser Eingriff wurde bislang allerdings heruntergespielt. So etwa sprach die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) in einem Gutachten vom Juli 2014 bloss von einer "leichten Beeinträchtigung" der Schutzziele. Nachdem dann aber die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL), die Pro Natura und Private eine Wiedererwägung des Gutachtens zustande gebracht hatten, kam es im November 2016 zu einem Augenschein mit den Behörden des Bundes. Und da an jenem strahlenden Herbsttag die Mastenpositionen der geplanten Bahn mit Ballonen markiert wurden, kam die ganze Problematik zum Vorschein. Die Masten 5 bis 7 rücken optisch nahe an die dahinterstehende Felswand. Insbesondere von den (Foto-)Standorten östlich der Kleinen Scheidegg und vom Aussichtspunkt Rotsteckli wird die Express-Gondelbahn vor der Felswand sichtbar in Erscheinung treten. Dies bedeutet, dass es nach dem Bahnbau keine Ansicht der unberührten Eigernordwand in integraler Weise mehr geben wird. Störend sind zudem folgende Aspekte: erstens die Fliegerkugeln, die auf den Masten angebracht werden müssen und namentlich die bewegten Gondeln, die praktisch an 365 Tagen vor dem Auge hin- und herfahren. Das ästhetische Erlebnis der Erhabenheit des Gesteinsmassivs als von Menschen unbeeinflusste Urkraft der Natur wird mit diesem Bergbahn-Vordergrund empfindlich gestört. Entlang des Wanderweges Richtung Alpiglen fällt zusätzlich der Mast Nr. 5 mit seinen rund 60 m Höhe auf, der dem Panorama entlang der Felswand Richtung Wetterhorn und Grosse Scheidegg einen störenden Vordergrund verleiht.

45 Minuten eher auf dem Joch

Stellt sich somit die Frage, ob sich das Projekt überhaupt optimieren lässt. Die SL suchte nach Lösungen: ein Plan B Richtung Arvengarten brächte Eingriffe in Naturschutzflächen mit sich oder dann eine Linienführung näher an der bestehenden Wengeneralpbahn mit technisch nicht machbaren Knicks. Mildern liess e sich der Eingriff, indem die Förderkapazität der Männlichenbahn erhöht würde (2’400 statt 1’800 Personen pro Stunde) und diejenige des Eigerexpresses gesenkt würde (von 2’400 auf 1’200 Personen pro Stunde). Dadurch könnten der Abstand zwischen den Gondeln gespreizt werden und man hätte nicht ständig sich bewegende Gondeln vor dem Auge.
Anhand dieser fast nicht lösbaren Konflikte stellt sich die Frage der Sinnhaftigkeit dieser Erschliessung. Ging es früher bei Seilbahn-Projekten darum, neue Geländekammern für das Skifahren oder für Ausflugsberge zu erschliessen, geht es heute um die Beschleunigung und der "staging time", das heisst des Zeitbedarfs für die Füllung eines Skigebietes. Als 2011 die Jungfraubahn-Gruppe das ursprüngliche Erschliessungsprojekt (genannt Ypsilon) präsentierte, wurde dies mit der heute langen Zubringerzeit ins Skigebiet begründet. Ziel sie es – so hiess es bei der Präsentation des V-Bahn-Projektes, der überarbeiteten Version des Ypsilons von 2012 – die Skifahrerzahlen von heute ca. 1 Million auf 1,3 Millionen zu steigern, also um rund 30 Prozent. Zudem soll aufgrund des Druckes der asiatischen Tourismusagenturen die Reise- und Aufenthaltszeit mit dem Ziel Joch reduziert werden. Die Besucherzahl auf dem Joch soll dank der um 45 Minuten beschleunigten Zubringerzeit auf 900’000 angehoben werden. Diese Zahl wurde indes bereits im Jahr 2016 – und zwar ohne Eigerexpress – bei Weitem übertroffen. Wozu als braucht es die Bahn?!

Bis der Schnauf ausgeht

Diese Beschleunigungsstrategie ist aber längerfristig kaum erfolgreich. Und da ohne Bergbahn wohl kaum eine alpine Feriendestination überleben kann, wird weiter investiert, "in der Hoffnung, dass den Konkurrenten andernorts und im Ausland zuerst der Schnauf ausgehen wird." (Daniel Imwinkelried, in der NZZ vom 4.1.2017). Die Sinnhaftigkeit eines solchen Wettrüstens ist typisch für einen kaptalintensiven Wirtschaftssektor. Aufgeben wäre zu kostspielig. Benno Stoffel, Vizepräsident der Walliser Bergbahnen (WWB), erklärte in der Silvesterausgabe 2016 des Walliser Boten, es gäbe keinen erfolgreichen Plan B für den Wintertourismus. Er sähe als einzigen Weg die flächendeckende Beschneiung. Endet somit der 250 Jahre alte Alpentourismus in einer Geschichte einer selbstgewählten wirtschaftlichen Gefangenschaft? Die vielen derzeitigen Seilbahnprojekte (Samnaun, Leukerbad, Andermatt, Sedrun, Flims etc.) wirken in ihrer deckungsgleichen Begründung verzweifelt, ja geradezu desillusioniert. Wenn alles bleiben soll, wie es war, muss sich alles ändern, dieses Zitat aus Tomasis Roman "Il Gattopardo" belegt das Dilemma, in dem die Bergbahnen (und die touristisch inszenierte Natur) stecken.