Als vor einem Jahr der verheerende Nargis-Zyklon das Irrawady-Delta in Burma verwüstete, beschloss Swissaid, humanitäre Hilfe zu leisten. Caroline Morel, Geschäftsleiterin von Swissaid, hat die Region ein Jahr später besucht und sich ein Bild über den Stand des Wiederaufbaus gemacht.

Basel, 08.05.2009, akte/
Am 2. Mai vor einem Jahr verwüstete der Zyklon Nargis das Irrawady-Delta in Burma. Was geschah danach?
In den ersten zwei bis drei Wochen blieben die Opfer ohne jede Hilfe von aussen. 7,4 Millionen Menschen waren durch den Zyklon geschädigt, 2,4 Millionen davon existenziell, das heisst, sie hatten Haus, Ernte, ihre Lebensgrundlagen verloren. 140’000 Menschen sind in den Fluten umgekommen, in der Mehrheit Frauen und Kinder. Beeindruckend war, wie sich die Überlebenden der Katastrophe gegenseitig halfen, bis die Hilfe der Regierung und der internationalen Organisationen ins Rollen kam. Die Leute brauchten Nahrung, Trinkwasser und Planen für notdürftige Unterkünfte.

Und danach setzte der Wiederaufbau ein…
Die Wirtschaft war zum Erliegen gekommen. Alles war kaputt: Netze, Boote. Die Ernte war zerstört, im ganzen letzten Jahr konnten nur 30 bis 50 Prozent der normalen Ernte eingeholt werden. Swissaid setzte sich für die Wiederaufnahme der ökonomischen Tätigkeiten ein, verteilte Handtraktoren und Saatgut, damit die Bauern wieder anpflanzen konnten.

War der Boden noch kultivierbar?
Das Irrawady-Delta liegt nur wenige Meter über dem Meeresspiegel. Das Meerwasser, mit dem das Land ca. drei Meter hoch überschwemmt wurde, hat den Boden versalzen. Das ist eines der grösseren Probleme beim Wiederaufbau. Die Bauern rechnen mit drei Jahren, bis der Monsunregen das Salz ausgeschwemmt hat und das Land wieder normal bebaubar ist. In der Zwischenzeit versucht man es mit salzresistenteren Getreidesorten. Wegen der Versalzung braucht es auch weiter Hilfe beim Trinkwasser. Die Nahrungsmittelversorgung ist aber schon besser geworden, weniger Leute sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.

Ist genug Geld für den Wiederaufbau gespendet worden?
Bei der Glückskette sind ingesamt vier Millionen Franken zusammengekommen, die Swissaid hat für ihre Hilfe 700’000 Franken – mit Unterstützung der Glückskette – eingesetzt. Das ist im Vergleich zum Tsunami vor fünf Jahren etwas weniger: Viele Spender waren sich nicht sicher, ob das Geld wirklich ankommt. Denn anfangs wollte ja die Regierung keine fremden Hilfswerke zulassen, erst auf Druck der UNO und der asiatischen Länder durften sie ins Land. Von der UNO wurden für die erste Hilfe 187 Millionen US Dollar, für den Wiederaufbau 482 Millionen US Dollar gesprochen.

Swissaid ist doch eher auf ländliche Entwicklung und nicht auf Katastrophenhilfe spezialisiert. Was gab den Ausschlag für diesen Einsatz?
Die Partner von Swissaid im Norden Burmas, in Kachin und Shan State, waren nicht von Nargis betroffen. Swissaid fördert dort die ländliche Entwicklung, die Verbesserung der Lebenssituation und der Einkommen, unter anderem durch Kleinkredite. Das ist unsere Kernkompetenz. Zur Hilfe im Irrawady-Delta haben wir uns entschlossen, weil die Katastrophe so gross war, so lange niemand Hilfe leistete und wir schon im Land waren.

Was bedeutete das für Ihre Mitarbeitenden vor Ort?
Sie mussten anders arbeiten, schnell, unter hohem Druck und mit belastenden Situationen. Es war nicht einfach, den Überblick über die Aktivitäten im Bereich Humanitäre Hilfe zu behalten und für die gerechte Verteilung zu sorgen. Hilfreich war der gute Austausch mit anderen NGOs, die dort arbeiteten.

Prägt das die Arbeit von Swissaid längerfristig?
Wir werden uns noch für den Wiederaufbau der Häuser engagieren. Längerfristig aber werden wir uns wieder auf unsere traditionellen Einsatzgebiete zurückziehen. Falls es wieder einmal zu einer Katastrophe kommen sollte, wo unsere Hilfe nötig wird, wären unsere Mitarbeitenden auf jeden Fall heute besser vorbereitet.

Wie ist die Stimmung heute unter der Bevölkerung im Irrawady-Delta?
Einige Männer haben die ganze Familie verloren. Die Betroffenen stehen sich immer noch gegenseitig bei. Sie besuchen einander und helfen, wo sie können.

Wie denken die Leute heute über die Regierung?
Über die Regierung sagen sie nicht viel. Aber sie nehmen die kleinen feinen Zeichen der Regierung in Richtung Demokratie wahr und sind bezüglich der Wahlen nächstes Jahr eher optimistisch.
Swissaid, 1948 gegründet, ist eines der führenden Hilfswerke der Schweiz und Mitglied des arbeitskreises tourismus & entwicklung. Swissaid ist in neun Ländern in der Entwicklungszusammenarbeit tätig, versucht in der Schweiz auf entwicklungspolitische Fragen Einfluss zu nehmen und informiert die Bevölkerung über die Ursachen von Armut und Unterentwicklung. Weltweit beschäftigt Swissaid 84 Mitarbeitende, davon 29 in der Schweiz.

Swissaid sammelt weiter für die Opfer von Nargis: Der Monsun steht vor der Tür – und noch leben viele Wirbelsturmopfer in notdürftig geflickten Hütten. Der Wiederaufbau der Häuser steht im Vordergrund.
Mehr zur Wiederaufbauhilfe und zu den Projekten in Kachin und Shan State auf www.swissaid.ch;
Bilder: Swissaid