Burma – was jetzt?
Basel, 17.10.2007, akte/ Das Departement des Äussern rät von Burmareisen ab. Die Veranstalter haben die nächsten Abflüge annulliert und die Gäste – wie betont wird – kostenlos umgebucht. An den Programmen wird aber festgehalten. Wer eine später gebuchte Reise absagen möchte, wird vermutlich zur Kasse gebeten. Auch wenn die Ausschreibungen für Reisen in das „zauberhafte Land der Goldenen Pagoden“ tunlichst verschwiegen haben, was die erschreckenden Meldungen und Bilder jetzt zu Tage bringen – wie gewaltsam nämlich die einheimische Bevölkerung unterdrückt wird und wie eindringlich die legitim gewählten demokratischen Kräfte des Landes ausländische Investoren und Reisende seit Jahren dazu auffordern, nicht nach Burma zu kommen, bevor demokratische Verhältnisse herrschen.
Boykott – das Reizwort für die Branche
Nicht etwa, dass die Veranstalter das nicht wüssten. Mit Sicherheit weiss die Branche mehr darüber als die breite Öffentlichkeit hierzulande. Sie reagiert denn auch äusserst sensibel auf das Thema Sanktionen und pflegt, ihre Burmaprogramme wortreich zu legitimieren. Die Argumente tönen gut, ja sogar philanthropisch, halten aber einer näheren Betrachtung kaum Stand.
Boykotte – so wird gerne argumentiert – würden vor allem die lokale Bevölkerung strafen. Bestraft werden aber jetzt die einheimischen Anbieter, die auf Tourismus und in ihre Partner in Übersee gesetzt haben und nun die erhofften Einnahmen wohl ersatzlos streichen müssen, wenn die Kundschaft fernbleibt. Zudem sind die fremden Gäste selbstverständlich längst aus-geflogen und umgebucht, wenn der Tourismus – wie weiter von der Branche vorgebracht wird – diese Öffentlichkeit schaffen sollte, die es totalitären Regimes erschwert, unbeobachtet gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen.
Tourismus ist und bleibt eine „Schönwetterveranstaltung“. Touristische Reisen sind nun mal keine politischen Solidaritätsaktionen und geben meist wenig Einblick in die realen Verhältnisse im Gastland. Umso weniger in ein Land wie Burma, wo sich Einheimische schon verdächtig machen und der Repression aussetzen, wenn sie nur mit fremden Gästen Kontakt haben.
Am Tourismus in Burma ist vornehmlich eine schmale urbane Schicht der Bevölkerung beteiligt, die in diesem internationalen Geschäft überhaupt mithalten kann. Die überwiegende Mehrheit der schätzungsweise 54 Millionen EinwohnerInnen lebt auf dem Land und hat gar nichts vom Tourismus; sie wird allenfalls schonungslos umgesiedelt, um für Tourismus Platz zu machen, und muss in Zwangsarbeit touristische Infrastrukturen (Strassen, Bahnlinien etc.) errichten, wie Menschenrechtsorganisationen und die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) anhand vieler Beispiele belegen. Die ländliche Bevölkerung Burmas leidet nicht unter Not und Hunger, weil es an TouristInnen oder westlichen Investitionen fehlt, sondern weil die machthabenden Generäle die Rechte der Menschen mit Füssen treten, eine aufgeblähte Armee unterhalten und eine krasse Misswirtschaft betreiben, die das ehemals reiche Land völlig ausgeblutet hat. Und genau diese Militärs profitieren in erster Linie vom Tourismus, um ihre Image aufzupolieren, Devisen für die marode Staatskasse und die horrenden Militärausgaben zu erwirtschaften und Gelder aus Drogenhandel, Spielhöllen und Immobilienspekulation zu waschen.
Alle, die im Burmageschäft tätig sind, wissen, dass kein Tourismus an den Militärmachthabern vorbeiführt. Sensibilisierte Veranstalter betonen geflissentlich, wie sorgsam sie private Unterkünfte einheimischer AnbieterInnen auswählen, doch verschweigen zugleich, dass auch diese Steuern abdrücken und oft zusätzliche Tribute wie „Spenden“ für Tempelbauten etc. leisten müssen. Das alles ist Geld in die Hände der Machthaber.
Die Besorgnis der Reiseanbieter um das Wohl der Menschen in Burma ist zu begrüssen. Richtig glaubhaft wird sie aber erst, wenn die Branche effektiv nachweisen kann, welche Menschen wie profitieren. Und dass durch ihre Unternehmungen keinesfalls Menschenrechte verletzt werden. Einen solchen Nachweis verlangt die renommierte Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch von allen ausländischen Firmen, die in Burma tätig sind, und fordert sie angesichts der aktuellen Krise zudem auf, ihren Einfluss zu nutzen, um die Junta zur sofortigen Beendigung der Repression, der Freilassung aller politischen Häftlinge und dem Dialog mit der Opposition und den ethnischen Minderheiten anzuhalten.
Einen Tourismus, der wirklich der breiten Bevölkerung zugute kommt, wird es auch in Burma erst geben, wenn die Menschen frei am Geschäft partizipieren und die Entwicklung mitbestimmen können – das heisst, wenn demokratische Verhältnisse herrschen.
Tourismus und Diktaturen – Hauptsache, das Geschäft läuft?
Ohne dezidierte Stellungnahme der Tourismusindustrie für Demokratie in Burma bleibt der Eindruck der Doppelmoral, wie sie die Sonntagszeitung vom 7. Oktober 2007 am Beispiel von Kuoni entlarvt: Von der britischen Burma-Campaign unter Druck gesetzt, hat sich Kuoni 2003 aus dem Burmageschäft zurückgezogen und betont, man werde solange auf die Destination Burma verzichten, wie das dortige Regime die Menschenrechte mit Füssen trete. 2006 – notabene unter dem selben Militärregime – stieg der Kuoni-Konzern mit der Übernahme der Asian Trails Holding unter Direktor Luzi Matzig, einem der Wegbereiter für den Tourismus nach Burma, dicker denn je wieder ins Geschäft ein: Im vergangenen Jahr setzte der Kuoni-Konzern im Asiengeschäft, unter anderem mit Aktivitäten in Burma, 90 Millionen Franken um.
Aller schönen Worte zum Trotz: Hauptsache ist doch, dass die eigene Kasse stimmt und man im Burmamarkt Fuss gefasst hat, der – wenn derzeit auch ein paar Schwankungen unterworfen – in Zukunft äusserst lukrativ scheint. Es mag zwar störend sein, dass die Generäle im Tourismus absahnen, aber nicht eigentlich hinderlich fürs Geschäft, solange dieses läuft?
Es gibt eine fatale Affinität zwischen Tourismus und Diktaturen; totalitäre Regimes haben es so an sich, für genau diese Ruhe und Ordnung zu sorgen, die den reibungslosen Ablauf des Tourismus gewährleistet. Spanien unter Franco und Griechenland der Generäle lassen grüssen. Es lässt tief blicken, dass Touristiker in Asien unverhohlen meinen, den grössten Fehler hätte Myanmar gemacht, damals (1990 Anmerk. der Red.) demokratische Wahlen durchzuführen, wie die Fachzeitschrift Schweizer Touristik vom 5. Oktober 2007 kolportiert. Erschreckend ist dabei, dass sich der Kommentator der Fachzeitung nicht entschieden von solchen Äusserungen distanziert, sondern sie auch noch gutzuheissen scheint.
„Wer sich politisch und letztlich auch wirtschaftlich von solchen Machthabern nicht abgrenzt, wird mitverantwortlich für die Zustände im Land“
Das sagt nicht etwa eine aktivistische Solidaritätsgruppe, sondern die NZZ im Leitartikel zu Burma vom 29./30. September 2007. Der Ton hat sich deutlich verschärft unter dem Eindruck der Bilder der friedfertigen orangen Mönche, die zu Tausenden auf den Strassen Rangoons für ihre Freiheit einstanden und von der Armee mit Schlagstöcken niedergeknüppelt und mit Maschinengewehren hingerichtet wurden.
Die seit über zehn Jahren von den burmesischen Militärmachthabern forcierte Tourismusentwicklung hat schlimmste Menschenrechtsverletzungen, Zwangsarbeit und Zwangsumsiedlungen mit sich gebracht, aber keine Öffnung zur Demokratie. Die Generäle, längst 400 Kilometer weg von der alten Hauptstadt Rangoon im Dschungel von Naypyidaw verbunkert, kennen nur die Sprache der Gewalt gegen das eigene Volk und zeigen sich unbeeindruckt von allen Verurteilungen und Erklärungen der internationalen Gemeinschaft. Denn sie wissen um die Unterstützung ihrer Alliierten: ihrer wichtigsten Handelspartner China und Indien, Russland, das sie mit Waffen versorgt und Atomkraftwerke verspricht, ihrer Nachbarn der ASEAN und ihrer Geschäftspartner, die sie mit Geld versorgen. Gehört die Tourismusindustrie, die Schweizer Reisebranche, weiter dazu?
Nicht erst seit den jüngsten blutigen Repression, aber heute umso dringlicher stellt sich die Frage: Wie können die Generäle so unter Druck gesetzt werden, dass sie sich auf einen echten Dialog mit der Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, der gesamten Demokratiebewegung und den ethnischen Minderheiten im Lande einlassen? Die demokratischen Kräfte Burmas in Inland sowie aus dem Exil fordern Sanktionen – politische und wirtschaftliche, darunter Tourismus – als Teil eines ganzen Massnahmepaketes für eine umfassende politische Lösung in Burma.
Die Tourismusverantwortlichen im Westen blicken in ihrer Empörung nicht über den Reiseboykott hinaus. Lautstark zweifeln sie die Wirksamkeit von Sanktionen an, die sie selber systematisch unterlaufen, und monieren, Menschenrechtsverletzungen kämen ja auch in andern Ländern vor und bald dürfe man wohl nirgends mehr hinreisen.
Bloss ist die Situation Burmas einmalig auf der Welt: Eine Demokratiebewegung, die 1990 in einer Volkswahl einen haushohen Sieg errungen hat, vom Militärregime aber nie zur Macht zugelassen wurde, appelliert direkt an ausländische Investoren und Reisende, jetzt nicht nach Burma zu kommen.
Druck auf die Generäle von allen Seiten
Nach der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste in Burma fordern die demokratischen Kräfte eine gezielte Verschärfung der Sanktionen, insbesondere auch keine Neuinvestitionen. Dies erläutert Thaung Htun, der Delegierte des National Coalition Governments of the Union of Burma (NCGUB) – der Koalition der gewählten Abgeordneten im Exil – dem arbeitskreis tourismus & entwicklung in einem ausführlichen Gespräch. Thaung Htun hofft besonders auf die EU, wo nebst dem alten Verbündeten Grossbritannien neu auch Italien und Frankreich für einen harten Kurs gegen die burmesische Junta plädieren. Der Rat der Europäischen Union beschloss am 16. Oktober 2007 denn auch, neben den bestehenden politischen Sanktionen neu Restriktionen auf Investitionen und Handel mit Holz, Mineralien und Edelsteinen einzuführen, aber auch die humanitäre Hilfe aufzustocken und sich auf internationaler Ebene sowie bei der Militärjunta aktiv für eine friedliche Transition zur Denmokratie einzusetzen.
Doch über Sanktionen hinaus brauche es nun ein geeintes Vorgehen der Staatengemeinschaft für eine politische Lösung in Burma. Dafür sieht Thaung Htun angesichts der jetzigen Lage auch eine Chance, wenn sich die Staaten der EU, aber auch die Schweiz, die ja die EU-Massnahmen jeweils nachvollziehe, in den UN-Gremien und bei der ASEAN dafür einsetzten, dass der Dialog zwischen allen Beteiligten rasch zustande komme. Ganz dringlich sei auch der Druck auf die Generäle, die UN-Nahrungsmittelhilfe in die Gebiete zuzulassen, die aufgrund der Überschwemmungen während des letzten Monsuns akut von Hungersnot bedroht seien.
Bezüglich Tourismus – so Thaung Htun weiter – würde die Haltung zwar immer wieder diskutiert, doch bisher nicht verändert: Es ist nicht die Zeit für organisierte touristische Reisen nach Burma. Individualreisende hingegen, die mit der Bevölkerung den Austausch pflegten, die Zustände im Lande beobachteten und darüber berichteten, könnten im Ausland einen wichtigen Beitrag zur Sensibilisierung für die Lage der Menschen in Burma leisten.
Das, meint Thaung Htun, könnte sich schnell ändern, wenn in Burma endlich ein echter Dialog zwischen allen Beteiligten in Gang komme. Zu befürchten sei allerdings, dass der Friedensprozess einige Instabilität im Lande mit sich bringe, und das wäre sicher dem Tourismus nicht förderlich.
Nimmt die Reisebranche ihre Verantwortung jetzt ernst, so führt kein Weg daran vorbei, auf die Durchführung der Burma-Programme zu verzichten. Das heisst aber nicht, die Kontakte zu Burma abzubrechen – im Gegenteil: Mit den Partnern sind Gespräche zu führen, was zur Unterstützung der geknechteten Bevölkerung und einer politischen Lösung beigetragen werden kann. Die kleinen privaten Anbieter, die auf Tourismus gesetzt und dafür auch investiert haben, sind für die ausgefallen Einkommen zu entschädigen. Die Reisekundschaft, die durch die Ausschreibungen mangelhaft informiert und irregeleitet wurde, soll kostenlos annullieren können. Eine wahrhaftige und transparente Information ist angesagt: über die Zustände im Lande und die Forderungen der Demokratiebewegung, vor allem aber darüber, wie die künftigen Programme nach Burma die Menschenrechte achten und wem sie effektiv zu gute kommen.
Quellen: Euro-Burma/Burma News daily; SonntagsZeitung 7.10.07; Schweizer Touristik 5.10.07; Interview with Thaung Htun, Delegate of the National Coalition Government of the Union of Burma (NCGUB), 3.10.07; Prof. T.T. Sreekumar in Sri Lankan Guardian 2.10.07; Burma: Foreign Investment Finances Regime – Companies Should Condemn Crackdown, von Human Rights Watch, 02.10.07; NZZ am Sonntag 30.09.07; NZZ 29./30.10.07; Tages Anzeiger 29.09.07
Bericht und Reden der Solidaritätskundgebung vom 21.10.2007 in Basel:
freeburmabasel.wordpress.com