Burma : Wenn sich die Militärjunta um das Wohl der Kinder kümmert
„Myanmar gehört zu den Entwicklungsländern, die sich am meisten um das Wohlergehen der Kinder kümmern.“ Das Zitat stammt aus dem zweiten Bericht über die Situation der Kinder, welcher die burmesischen Behörden im kommenden Mai dem UN-Komitee über die Rechte des Kindes (CRC)vorlegen werden. Ganz offensichtlich scheuen sich die burmesischen Militärmachthaber, die das Land in Myanmar umgetauft haben, nicht vor dicken Lügen auf dem internationalen Parkett. Denn: Die Lage der Kinder und Jugendlichen in Burma ist katastrophal, meinten einhellig die Fachleute aus Kinderschutz- und Menschenrechtsorganisationen, die anfangs Februar 2004 in Genf darüber berieten, wie der zunehmenden Ausbeutung von Kindern in Burma ein Riegel geschoben werden kann.
Nur gerade 7 Prozent der Staatsausgaben kommen der Bildung zu, während die Junta 49 Prozent ihres Budgets fürs Militär aufwendet. Die während Jahren geschlossenen Schulen und Universitäten hätten einer ganzen Generation den Weg zur Ausbildung verschlossen, hielten die ExpertInnen fest. Zwar wären die Schulen und Universitäten – seit jeher Hort des Widerstandes gegen die Junta – im Jahr 2000 wieder geöffnet worden, doch verfügten sie kaum über finanzielle Mittel, erklärte Thar Nyunt Oo, der Vorsitzende der „All Burma Federation of Student Unions“ (ABFU), der seit 1996 in Bangkok im Exil lebt, nachdem er wegen seiner politischen Arbeit vier Jahre im Gefängnis war. Heute sind noch immer über Tausend Studenten in Burma inhaftiert. Offiziell, so Thar Nyunt Oo weiter, wäre die Grundschule zwar gratis, aber in Tat und Wahrheit müssten die Eltern für alle Bücher sowie den Unterhalt der Schule aufkommen und zudem hohe Gebühren für die von der Regierung verordnete Schülerorganisation berappen. Gemäss einer Untersuchung von UNICEF beenden nur gerade ein Drittel der SchülerInnen die Grundschule, noch viel weniger die Oberstufe, denn die meisten Familien können ihre Kinder gar nicht zur Schule schicken.
70 Prozent der Bevölkerung Burmas lebt in ländlichen Gebieten und ist unter der jahrzehntelangen Misswirtschaft der Militärmachthaber völlig verarmt. Rund die Hälfte der burmesischen Kinder, in gewissen Gebieten sogar noch mehr, sind chronisch mangelernährt. Wenn während der Erntezeiten, wo alle Kräfte benötigt werden, die Regierung auch noch Zwangsarbeit verordnet – und dies tut sie regelmässig für den Bau und Unterhalt von Strassen, Eisenbahnen, Wasser- und Stromversorgung – so müssen die Kinder dran glauben: Sie verrichten schwerste Bauarbeiten und schleppen Lasten als Träger für die Armee. Zudem werden im ganzen Lande Kinder ab 11 Jahren für Kriegsdienste zwangsrekrutiert. Dies belegte im Oktober 2002 eine Studie der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“. Seither habe sich, so hielt der Autor der Studie und Leiter der „Karen Human Rights Group“, Kevin Heppner, in Genf fest, kaum etwas an der erschütternden Situation geändert: Ein Viertel der burmesischen Streitkräfte wären Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren – insgesamt 70’000 Kindersoldaten. Könnten die Kinder zur Schule gehen, wären sie der Willkür von Armee und Behörden weit weniger ausgesetzt. Das bestätigte auch Anna Biondi vom Internationalen Bund Freier Gewerkschaften (ICFTU), der eine rapide Zunahme der Kinderarbeit auch in der Industrie beobachtet, wo die gewerkschaftliche Organisation verboten ist. Anna Biondi zufolge wären immer mehr Kinder besonders auch in Teestuben und in den Restaurants der grösseren Städte anzutreffen. Das verheisst wenig gutes für die Situation der Kinder im Tourismus, der bekanntlich von den burmesischen Generälen als Entwicklungsmotor vorangetrieben wird.
Die Ergebnisse des Genfer Fachseminars werden dem UN-Kinderrechtskomitee für seine Session vom kommenden Mai zusammen mit einer neuen Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über Kinderarbeit vorgelegt. Darin zeigt die ILO, wie sich die Abschaffung der Kinderarbeit auch durchaus wirtschaftlich auszahlen kann. Heute arbeiten gemäss Schätzungen der ILO weltweit 246 Millionen Kinder zwischen 5 und 17 Jahren, 179 Millionen von ihnen sind den sogenannt „schlimmsten“ Formen der Kinderarbeit ausgesetzt. Da die meisten der betroffenen Kinder sehr wenig oder kaum verdienen, würde eine geringfügige finanzielle Unterstützung der armutsbetroffenen Familien bereits ausreichen, um die Kinder aus den ausbeuterischen Situationen zu befreien und zur Schule zu schicken. Entsprechende Programme werden heute bereits mit Erfolg in Brasilien und in Bangladesh durchgeführt. Um bis ins Jahr 2020 die Kinderarbeit zu überwinden, müssten gemäss Berechnungen der ILO, die Länder des Südens insgesamt 493 Milliarden US Dollar in die Bildung investieren. Die jährlichen Kosten dafür sind weit geringer, als was die Entwicklungsländer für ihren Schuldendienst bezahlen, und machen nur gerade ein Fünftel dessen aus, was die Länder des Südens jedes Jahr fürs Militär ausgeben, folgert der ILO-Bericht.
Anzufügen ist dieser Berechnung, dass die gesamten Kosten für die Überwindung der Kinderarbeit weltweit bis im Jahr 2020 etwa der Summe entsprechen, die jährlich an Einnahmen aus dem internationalen Tourismus generiert werden. /plus
Quellen: Faits nouveaux concernant la question de l’exécution par le gouvernement du Myanmar de la convention (n° 29) sur le travail forcé 1930, Conseil d’administration, BITS/ILO, mars 2004; Le Courrier 10.2.2004; Unterlagen des öffentlichen Meetings The Situation of Children in Burma, 5.2.2004, Genf; Human Rights Watch: My Gun was as Tall as Me: Chil Soldiers in Burma”, 2002; International Labour Organisation (ILO): Press release 3.2.2004; ILO: Investing in Every Child. An Economic Study of the Costs and Benefits of Eliminating Child Labour, December 2003, Geneva; Situation des droits de l’homme au Myanmar, Rapport présenté parle Rapporteur spécial M Paulo Sergio Pinheiro à la Commission des droits de l’homme, 60ième session, E/CN.4/2004/33, 5.1.2004; Refugees International: No Safe Place: Burma’s Army and the Rape of Ethnic Women, April 2003; The Shan Human Rights Foundation & The Shan Women’s Action Network: Licence to Rape, May 2002; UNICEF: Children and Women in Myanmar. Situation Assessment and Analysis, 2001