Basel, 17.08.2010, akte/ Am 7. November dieses Jahres hat die Bevölkerung Burmas zum ersten Mal seit 20 Jahren an der Urne neue Volksvertreter zu wählen. Den Abstimmungstermin haben die Militärmachthaber bewusst erst dieser Tage bekannt gegeben. Zuvor mussten sie ihre internen taktischen Machtgeplänkel austragen, wer nach den Wahlen welche Position in Regierung und Armee einnehmen wird. Der Termin wurde jetzt so gewählt, dass Aung San Suu Kyi, die in den allgemeinen Wahlen von 1990 zur Premierministerin gewählt wurde, noch unter Hausarrest steht. Dazu wurde sie wegen ihres Kontakts zum Amerikaner verurteilt, der letztes Jahr über den See schwimmend in ihre überwachte Residenz gelangte.  
Fest steht heute schon: Zu der vom burmesischen Volke lang ersehnten Demokratie werden diese Wahlen nicht führen. Einheimische und internationale BeobachterInnen sind sich einig, dass bislang absolut gar nichts darauf hindeutet, dass diese Wahlen den Willen des Volkes zum Ausdruck bringen und die Beurteilung "frei und fair" verdienen werden. Vielmehr versucht die Junta, ihr Image "demokratisch" aufzupolieren und sich international Legitimität zu verschaffen, um endlich wieder ein akzeptabler Partner insbesondere für Handelsbeziehungen und Investitionen zu werden.

Die "Road map to disciplined democracy"
Die angekündigten Wahlen sind Teil der "Road map" zur Demokratie, welche die Junta nach der blutigen Niederschlagung der "Safran-Revolution" vom Herbst 2007 der internationalen Gemeinschaft quasi zur Besänftigung der Gemüter vorgelegt hat. In einem ersten Schritt wurde im Frühjahr 2008 der Bevölkerung Burmas eine neue Verfassung zur Verabschiedung vorgelegt, die unter Ausschluss der wichtigsten demokratischen Kräfte und ethnischen Minderheiten erarbeitet worden war. Dass ausgerechnet am Referendumsdatum der Zyklon Nargis weite Teile des Landes komplett verwüstete und mindestens 138’000 Todesopfer forderte, war für die Militärmachthaber kein Grund, die Abstimmung zu wiederholen. Die neue Verfassung ist klar darauf ausgelegt, die Vormachtsstellung der Militärs zu sichern. So werden von Vorneherein 25 Prozent der Sitze im nationalen Parlament für Militärs reserviert, der Rest unterliegt der Volkswahl.

Dabei wird dem Volk in keiner Weise freie Wahl gelassen. Parteien und KandidatInnen unterliegen den äusserst restriktiven neuen Wahlgesetzen und den Bestimmungen der neu ins Leben gerufenen Wahlkommission. So kann sich zum Beispiel niemand zur Wahl stellen, der wegen politischer Aktivitäten verurteilt wurde. Ausgeschlossen sind damit sämtliche Leader der Demokratiebewegung, darunter insbesondere die Führerfigur der demokratischen Kräfte, Aung San Suu Kyi, sowie die rund 2’100 aktuellen politischen Gefangenen. Weiter wurden die Hürden für die Beteiligung von Parteien sehr hoch geschraubt: Die Registrierungsgebühren für Parteien und zusätzlich für jeden Kandidaten sind extrem hoch, während Wahlkampfmassnahmen wie Werbung, Plakatierung oder freie Vereinigung praktisch untersagt sind. Zudem wurde mit den neuen Wahlgesetzen gleich auch das Ergebnis der Volkswahl von 1990 annulliert, die damals der demokratischen Opposition in einem Erdrutschsieg 82 Prozent der Parlamentssitze gesichert hat – sie wurden von der Junta nie zur Regierung zugelassen, die meisten der damals gewählten Abgeordneten sind längst unter Hausarrest oder in Gefangenschaft in Burma oder im Exil im Ausland.


Systematischer Ausschluss der demokratischen Kräfte und ethnischen Minderheiten
Vor diesem Hintergrund hat die wichtigste Oppositionspartei, National League for Democracy (NLD), nach harten internen Kontroversen im Mai 2010 beschlossen, sich nicht für die neuen Wahlen zu registrieren. Der 80-jährige U Win Tin, der 2009 aus 19 Jahren Haft im berüchtigten Insein Gefängnis von Rangoon entlassen worden war, begründet diesen Beschluss der demokratischen Kräfte in Bangkok gegenüber der in Bangkok publizierten Oppositionszeitung Burma Issues und in einem Interview mit der Washington Post:  
"Wir können nicht an einer solchen Wahl teilnehmen, die gegen jegliche Grundsätze der Demokratie, der Gesetze, der Menschenrechte verstösst, für welche Tausende von Menschen ihr Leben gegeben haben. Zudem lehnt das Regime weiterhin jegliche Anerkennung der ethnischen Minderheiten ab, die immerhin 30 Prozent der burmesischen Bevölkerung ausmachen. Die Nicht-Anerkennung ihrer Gleichberechtigung und Selbstbestimmung führt zu weiteren bewaffneten Konflikten, Flüchtlingen und politischer Instabilität. So haben sich auch viele ethnische und bewaffnete Gruppen, die sich im demokratischen Prozess für ihre Rechte von Aung San Suu Kyi unterstützt fühlten, gegen die Wahlen ausgesprochen und nicht aufstellen lassen. Die Wahlen werden auch die blanke Armut, unter der heute die Mehrheit der Menschen in Burma leidet, nicht lindern, behält doch die herrschende Armee-Elite die hohe Hand über die Wirtschaft, die auf persönlichen Gewinn statt auf die Bedürfnisse des Volkes ausgerichtet bleibt."
Beherzt setzt sich der alte Kämpfer U Win Tin jetzt für die Einigkeit der demokratischen Kräfte mit den ethnischen Minderheiten als einzige Waffe im Kampf gegen das undemokratische Regime ein. 1988 und 2007 habe das burmesische Volk in gewaltlosen Massenaufständen geeint seinen Willen zum Wandel bewiesen. Das zeige den Weg für den neuen "anti-military dictatorship pathway" zur Überwindung der Tyrannei in Burma, bekräftigt er gegenüber der Presse und fordert in einem Artikel der Jakarta Post auch die internationale Gemeinschaft und insbesondere die asiatische Staatengemeinschaft ASEAN auf, die Resultate der Wahlen in Burma nicht zu akzeptieren, solange keine Schritte zur nationalen Versöhnung mit den ethnischen Minderheiten und aufrichtige Bestrebungen zum Aufbau der Demokratie erkennbar seien.

Eine Stimme der Hoffnung aus dem Innern von Burma unter höchster persönlicher Gefahr? Oder einfach eine Stimme mehr der Verzweiflung angesichts der Tatsache, dass selbst die gewaltfreien Massenaufstände der burmesischen Bevölkerung vom herrschenden Militärregime blutig niedergeschlagen wurden? Und dies unter den Augen einer internationalen Gemeinschaft, die zwar wortreich protestierte, aber letztlich keine weitere Konsequenzen zog. So verhängen die Vereinigten Staaten zwar seit über 15 Jahren härteste politische Sanktionen gegen Burma, doch ihre Ölindustrie profitiert scheinbar unbehelligt vom Erdölreichtum in Burma. Die EU bekräftigt seit vielen Jahren laufend ihre politischen und wirtschaftlichen Sanktionen gegenüber Burma und hat sie kürzlich nochmals verschärft. Dennoch erschliessen ihre Mitgliederstaaten wie Frankreich laufend neue Erdöl- und Erdgasvorkommen sowie weitere Wirtschaftsquellen.
So stehen die amerikanischen und französischen Ölgiganten Chevron und Total gemäss MenschenrechtsbeobachterInnen im Verdacht, mit Ihren millionenschweren Zahlungen an die Junta für die Erdgasprojekte die nukleare Aufrüstung mitzufinanzieren, welche die Generäle derzeit vorantreiben. Es sind also bei weitem nicht nur die Nachbarstaaten China und Indien sowie die Mitglieder ASEAN, die grosse Interessen in Burma haben. China und Indien haben erst kürzlich neue Wirtschaftsabkommen mit der burmesischen Junta abgeschlossen. Aus den ASEAN-Staaten mehren sich im Vorfeld der Wahlen jedoch auch kritische Stimmen gegen die "Wahlfarce" und eindringliche Appelle an die Junta, die politischen Reformen effektiv voranzutreiben und faire offene Wahlen abzuhalten. Im Rahmen der UNO und in den USA laufen Bemühungen, die burmesische Militärregierung wegen Kriegsverbrechen anzuklagen. Doch letztlich wird sich beim Ausgang der Wahlen vom 7. November zeigen, wer aus der internationalen Staatengemeinschaft das Ergebnis der Wahlfarce akzeptiert und damit letztlich das Vorgehen der Generäle legitimiert und wer endlich Konsequenzen zieht.