Einige suchen im Mittleren Osten nach Hinweisen, ob ähnliche Aufstände gegen unbeliebte autoritäre Regimes in Ländern wie China oder Burma stattfinden könnten. Aber das ist nicht der einzige Punkt, den wir aus asiatischer Perspektive erwägen sollten. Diese Geschichten dienen uns auch zur Warnung und manifestieren das Wesen des "Richtungswechsels" solcher Regimes – eine rote Warnflagge, die gerade für Burma besonders relevant ist: Eine jüngere Führungsgarde ist nicht immer so liberal wie es Aussenstehende gerne hätten.
Die burmesische Militärjunta steht inmitten eines politischen Übergangs zu einer neuen Generation. Der über lange Jahre regierende General Than Shwe, 78, ist zur Seite getreten, um Thein Sein Platz zu machen, ein "jugendlicher" 66jähriger. Seit seinem Amtsbeginn hat Thein Sein dem Anschein nach versöhnliche Bemerkungen über die Redefreiheit geäussert. Die Europäische Union hat diesen Wandel mit vorsichtigem Optimismus begrüsst und die Sanktionen gegen das Regime etwas gelockert.
Diplomaten hoffen, dass die neue Generation freiheitlicher eingestellt ist, die nächste Wahlrunde freier und fairer ausgetragen werden als die manipulierten Wahlen vom letzten Oktober; die Entlassung der demokratischen Führerin und Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi aus ihrem langen Hausarrest von Dauer ist und die in letzter Zeit festgestellte Öffnung der Medien sowie der bessere Zugang für internationale Hilfsorganisationen einen neuen Trend einleiten.
Die Lehren aus dem Mittleren Osten
Aber wenn wir aus den Ereignissen im Mittleren Osten eine Erkenntnis für Asien gewinnen können, dann die, dass die neue Generation nicht immer die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt. In Libyen wurde Muammar El Gaddafis Sohn Saif al Islam in der London School of Economics ausgebildet und als reformistische Kraft begrüsst. Der syrische Machthaber Bashar Assad war ein als Reformer angesehener Arzt, als er die Macht von seinem Vater übernahm. Beide führen jetzt die blutige Niederschlagung der Volksaufstände in ihrem Land an.
Zweifellos folgt die neue Führergarde in Burma diesem Muster. General Thein Sein ist kein heimlicher Liberaler. Als früherer Generalmajor diente er von 1997 bis 2001als Chef des "Goldenen Dreieck"-Kommandos. Als Premierminister besuchte er im August letzten Jahres Nordkorea, überhäufte Kim Jong II mit Lob und erklärte, Burma werde danach streben, die "freundschaftlichen Beziehungen" zur Regierung in Pjongjang zu "stärken und zu vertiefen":
Und trotz der jüngsten Zeichen einer Öffnung gibt es auch Hinweise darauf, dass die Regierung sich eifrig verschanzt, um sich eine weitere Generation lang an der Macht zu halten. Das burmesische Militär hat letztes Jahr nicht eine neue Verfassung erlassen und "Wahlen" abgehalten, weil die Generäle das System ändern wollten, das sie seit einem halben Jahrhundert an der Macht hält. Diese "Reformen" sollten dazu dienen, die gegenwärtige Ordnung zu institutionalisieren, um sie auf Dauer aufrechtzuerhalten.
So gibt zum Beispiel die neue Verfassung dem obersten Befehlshaber der Armee die Befugnis, einen Viertel aller Parlamentssitze zu ernennen, und erlaubt dem Präsidenten, im Falle einer "nationalen Krise" sämtliche Regierungsvollmachten der Armee zu übertragen – wobei der Begriff "nationale Krise" so vage definiert wird, dass damit auch ein Aufstand der demokratischen Bewegung gemeint sein könnte. Es gibt nicht den geringsten Hinweis darauf, dass General Thein Sein beabsichtigen könnte, dies zu ändern.
Das Muster von Öffnung und Repression
Auch kürzlich erfolgte Öffnungen in anderen Gebieten sollten nicht als Zeichen für eine liberalere Ausrichtung der neuen Führung missverstanden werden. Sondern eher als Anzeichen dafür, dass die neue Führerriege denselben Zyklus von Repression, Öffnung und wieder Repression fortsetzt, den die alte Generation zur Perfektion gebracht hat.
Man erinnere sich an 1988, als nach Jahren der Repression und Misswirtschaft zu massiven Protesten kam: Nachdem Tausende von DemonstrantInnen niedergeschossen wurden, mit einer Niederschlagungsaktion, welche selbst die syrischen Herrscher erröten liesse, bewegte sich die burmesische Junta in ermutigender Weise in Richtung Reform. Sie schaffte das Einparteiensystem ab und kündigte freie Wahlen an. Fast ein Jahr lang erlebte Burma eine beispiellose Öffnung. Politische Versammlungen wurden im ganzen Land geduldet. Doch als im Juli 1989 die demokratischen Kräfte zu stark wurden, griff die Armee ein. Hunderte wurden verhaftet und Aung San Suu Kyi unter Hausarrest gestellt. Ein Jahr später wurden Wahlen abgehalten, und sie waren überraschend frei und fair. Ausländische JournalistInnen wurden ins Land gelassen, um über die Ereignisse zu berichten. Doch das Volk machte den Fehler, Aung San Suu Kyis Partei, die National League for Democracy (NLD) zu wählen und so intervenierte das Militär erneut brutal. Die gewählte Nationalversammlung wurde nie zusammengerufen. Die Internationale Gemeinschaft war zwar empört – aber schnell wieder besänftigt als das Militär ankündigte, eine neue Verfassung werde ausgearbeitet und Neuwahlen würden angesetzt.
Seit Aung Sang Suu Kyi erstmals unter Hausarrest gestellt wurde, folgte ihr Schicksal den Zyklen der Junta. Sie wurde 1995 entlassen und durfte politische Treffen und Versammlungen abhalten. Dann schlug das Militär wieder zu und 2000 wurde sie wieder unter Hausarrest gestellt. Und so weiter – 2002 entlassen, 2003 wieder unter Arrest gestellt. Angesichts dieser Erfahrungen wäre es verfrüht, ihre jüngste Entlassung aus dem Hausarrest im November letzten Jahres als Zeichen für einen dauerhaften Richtungswechsel des Regimes zu deuten.
Wunschdenken der Internationalen Gemeinschaft
Noch ist der Optimismus der internationalen Gemeinschaft ein neues Phänomen. Als der erste starke Mann, Ne Win, von 1962 bis 1981 regierte, sagten die Beobachter von Burma, die Dinge würden sich ändern, sobald er die Bühne verlasse. Doch die nächste Generation erwies sich als genauso brutal oder gar noch brutaler. Ebenso könnte sich die neue Riege von Militärführern unter der Oberbefehlsgewalt von General Thein Sein als ebenso repressiv wie die von General Than Shwe erweisen, oder als noch schlimmer.
Burma ist nicht immun gegen die Winde des demokratischen Wandels. Früher oder später wird ein echter Wandel kommen. Aber der wird nicht im Stil der "schrittweisen Verbesserungen" stattfinden, die einige Beobachter vor allem in der Europäischen Union zu sehen glauben. Sondern eher, wenn die Leute innerhalb des Systems sich dagegen wenden – in anderen Worten, eine Spaltung innerhalb der regierenden Elite.
Bis jetzt gibt es keine Anzeichen einer solchen Spaltung in Burma. Und Aussenstehende könnten, indem sie die Zeichen falsch lesen, die Ankunft dieses Moments verzögern. Die Lockerung von Sanktionen als Belohnung für eine vorgetäuschte Öffnung macht einen Druckfaktor zunichte, der irgendwann innerhalb der Armee hätte dazu führen könnne, dass Einige an der Weisheit des derzeitigen Regimes zu zweifeln beginnen.


Bis die Internationale Gemeinschaft und besonders die Europäische Union diese bitteren Lektionen der Geschichte lernen, werden sie die Junta lediglich dazu ermutigen, so weiter zu fahren wie bisher. Und das kann nur das Leiden des burmesischen Volkes verlängern.Bertil Lintner ist ein ausgewiesener langjähriger Kenner von Burma. Er lebt seit 1975 in Asien und arbeitet seit als Korrespondent der Schwedischen Tageszeitung Svenska Dagbladet in Thailand, schreibt regelmässig für Asia Pacific Media Service Bertil Lintner und hat eine Reihe von Büchern und anderen Publikationen veröffentlicht. Seine Artikel sind in über hundert Zeitungen und Zeitschriften in Asien, Australien, Nordamerika und Europa erschienen.


Dieser Beitrag erschien in den Burma News vom 17. Mai der des Euro-Burma Office. www.euro-burma.eu/ Übersetzung N.Sahdeva/akte