Gerade während der Corona-Pandemie hat der Lifestyle Vanlife – die Freiheit auf vier Rädern – enorm an Popularität gewonnen. Das hat auch Gelegenheitscamper*innen angesteckt. Camping an sich ist nichts Unbekanntes. Was vor einigen Jahren noch als preiswerter Familienurlaub galt, entwickelt sich immer mehr zum Luxus auf vier Rädern. Nicht nur die Autos werden grösser, auch das Zelt wird langsam vom Camper verdrängt. Manche Campingplätze lassen gar keine Zelte mehr zu. Und als sei das nicht genug:

Das Grundbedürfnis hinter dem Campen ist für viele die Verbundenheit mit der Natur. Wissenschaftler*innen belegen, dass das Übernachten in der Natur gesundheitsfördernd ist. Umgeben von Bäumen, Sträuchern und natürlicher Vegetation atmet die Lunge Terpene ein, die unter anderem das Immunsystem ausbalancieren. Bioaktive Substanzen wirken sich positiv auf den menschlichen Körper. Doch wie gesund ist dieser Trend für die Umwelt wirklich?

Nachhaltiges Campen vs. Campingtrends 2023 

Wer von nachhaltigem Camping spricht, hat meist vier Aspekte im Kopf: keine Spuren und keinen Abfall hinterlassen, auf Geotagging verzichten, bewusst campen, nur dort stehen, wo es erlaubt ist und lokal einkaufen. Doch wie sieht die Realität aus?

Und wer trägt den Müll raus?  

Die Müll-Problematik ist beim Campen allgegenwärtig. Mit Plastik verschmutzte Stellplätze, herumliegende Fäkalien und die widerrechtliche Entsorgung des Abwassers rücken das Campen in ein schmutziges Licht. Den Camper oder den selbst ausgebauten Kleinkastenwagen in der unberührten Natur abzustellen, löst zwar bei vielen ein Freiheitsgefühl aus, doch gerade an unberührten Orten sind meist weder Mülltonnen noch sanitäre Anlagen aufzufinden, was das Littering-Problem weiter vergrössert. Doch nicht nur zurückgelassener Müll ist ein Problem, auch der enorme CO2 Ausstoss stellt unseren Planeten vor Herausforderungen.

Eine fahrbare Luxusloft 

Mittlerweile gibt es Luxuscamper, die mit 68 Quadratmetern grösser als manche Wohnung sind. Mit durchschnittlich über 3.5 Tonnen muss für das Lenken solcher Fahrzeuge ein LKW-Führerschein vorhanden sein. Für Durchschnittsverdienende liegt 2023 der Trend aber vor allem bei kompakten Fahrzeugen wie Vans und Kastenwagen, die auch als Alltagsfahrzeuge genutzt werden können. Auch Fahrzeuge mit Aufstelldach, die Camping und Fortbewegung auf vier Rädern vereinen, sind derzeit sehr beliebt.

Nach wie vor in Mode ist der Ausbau des eigenen Transporters. Im Schnitt werden sogar mehr Camper umgebaut als neue gekauft. Ältere Fahrzeuge verbrauchen zwar im Durchschnitt mehr Benzin, dafür werden durch den Umbau weniger Ressourcen verbraucht und somit weniger CO2 ausgestossen, als bei der Produktion eines Neuwagens. Für die Herstellung eines durchschnittlich grossen Fahrzeuges, das ca. 1.5 Tonnen wiegt, werden bis zu 70 Tonnen Materialien und Ressourcen verbraucht. Zwischen 15- 20 % der CO2 Emissionen entstehen nämlich bei der Produktion selbst.

Credits: Reisen mit Klimaschutzfaktor.

Bei einer Reise von Frankfurt am Main nach Bordeaux liegen die durchschnittlichen Emissionen mit dem Wohnmobil nur knapp unter denen des Flugzeugs. Am klimafreundlichsten ist die Anreise mit Bus und Bahn. Gefolgt von Pkw und Motorrad. Wohnmobil und Flugzeug belegen den vorletzten und letzten Platz. Im Reiseführer «Reisen mit Klimaschutzfaktor» findest du dieses und weitere Reiseziele in Europa inklusive Emissionsvergleich und Anreisebeispielen.

Anders als bei Kleinfahrzeugen, sind Elektroantriebe bei Campern erst am Aufkommen. Das Problem dabei ist meist das Gewicht der Fahrzeuge. Je schwerer sie sind, desto schwieriger das Einbauen von Elektromotoren. Es dürfte jedoch nur noch eine Frage der Zeit sein, bis mehr elektrisch betriebene Camper in den Verkehr kommen. Denn die erste E-Camper von Citroen, VW, Nissan, Peugeot und Toyota sind bereits auf dem Markt. Laut dem Klimabilanzrechner von TCS und dem Paul Scherrer Institut (PSI) schlägt das Elektroauto den Benziner. Auch wenn Elektromotoren umweltschonender sind, ist der Lithiumabbau nicht unproblematisch und die Emission von giftigen Gasen trotzdem nicht zu verhindern.

Es gibt kein nachhaltiges Auto

Kein Camper ist 100% nachhaltig, definitiv nicht. Zum Ressourcen- und Materialverbrauch bei der Herstellung und zu den enormen CO2-Emissionen und der Feinstaubproduktion auf der Fahrt kommt noch die Produktion von Mikroplastik durch den Reifenabrieb. Laut Statista sind Pkws die Hauptemissionsquelle von Mikroplastik, welcher mittlerweile überall in der Natur nachgewiesen werden kann, sei dies in Gewässern oder in der Antarktis.

Und das hohe Gewicht und die Grösse von Campern führen zu Bodenschäden. Beim Freistehen in der Natur besteht zudem das Risiko Öl in die Natur abzulagern. Ebenso führt die Grösse der Camper zu einem enormen Platzproblem. Gerade in Städte, wo Parkplätze knapp sind, nehmen Wohnmobile überdurchschnittlich viel Platz ein.

Poa! Doch lieber mit Bahn und Zelt unterwegs?

Wildcampen – bald nicht mehr möglich?

Wildcamping ist einer der Brennpunkte in der Campingdiskussion. Mittlerweile ist Wildcampen in den meisten europäischen Ländern verboten. In Schottland und den skandinavischen Ländern ist es zumindest für eine Nacht noch erlaubt, wo das «Jedermenschsrecht» gilt. In der Schweiz hingegen ist es per se nicht verboten, aber von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich geregelt. Oberhalb der Baumgrenze gibt es jedoch keine Regelung mehr. Das Problem ist aber vielerorts, dass das Parken nicht verboten ist, das Übernachten im Auto also auch nicht, das Zelten hingegen schon. Es besteht eine Grauzone, die je nach Sichtweise unterschiedlich interpretiert werden kann, was die Sache nicht einfacher macht.

Wie so oft besteht eine grosse Diskrepanz zwischen Camper*innen, die bedacht in der Natur campen und jenen, die achtlos mit der Natur umgehen. Es ist schwierig, einen gesetzlichen Kompromiss zu finden.

Landschaftsfresser Campingplatz

Umgekehrt sind Campingplätze nicht nur nachhaltig: Sie dürfen in der Schweiz rechtlich problemlos bis zu 7’000 Quadratmeter gross sein. Eine Fläche, die nur Riesenhotels besetzen. Der grösste Campingplatz Europas, Marina di Venezia in Italien, übertrifft mit seinen 80 Hektaren gar jegliche Vorstellungen. Dieser erstreckt sich über sage und schreibe 150 Fussballfelder. Und in der Schweiz müssen in den nächsten zwei Jahren zwei Campingplätze schliessen, weil sie mit dem Landschaftsschutz kollidierten.

Und was hat die Lokalbevölkerung davon?

Durch das Geotagging von wunderschönen Orten werden immer mehr Geheimtipps öffentlich und führen zu Overtourismus. Bei der Lokalbevölkerung hingegen hinterlässt dies oft Ärger und Abneigung gegenüber Tourist*innen. Zurückgelassen werden Müll und Fäkalien, manche kleinen Orte werden überrannt. Lokal einzukaufen hingegen gibt der Lokalbevölkerung einen Mehrwert, so dass die lokale Wirtschaft von den Tourist*innen profitieren kann.

Grenzen der Nachhaltigkeit

Wer geniesst es nicht, nachts im Wald zu schlafen, wo man am nächsten Morgen nur vom Gezwitscher der Vögel und dem Rauschen der Tannen geweckt wird? Das Sein in der Natur auf vier Rädern hinterlässt einen faden Beigeschmack: Die Grenzen der Nachhaltigkeit sind schnell erreicht.

Campen in der Natur ist und bleibt ein wunderschönes Erlebnis, solange respektvoll mit der Umwelt umgegangen wird. Mit dem Camper in die Ferien reisen hat noch immer eine leicht tiefere CO2-Bilanz als Flugreisen. Dennoch ist es problematisch, das Campen als nachhaltige Reiseoption anzupreisen.