Während des Aufstandes zum Sturz des Schahs setzten Demonstranten im Iran als Widerstand gegen die westliche Kultur Kinos in Brand; in einem Fall starben 478 Menschen. 40 Jahre sind vergangen, und im heutigen Iran beschliessen vier Personen, ebenfalls ein Kino niederzubrennen. Eine Zeitenverschmelzung.
Ein Spielfilm von Shahram Mokri. Iran 2020, 134 Min.

Shahram Mokri fasziniert es, mit der Sprache des Films zu spielen und zu tüfteln: Was wäre, wenn? Seine Filme sind immer auch ein Konjunktiv. Das war bei Fish & Cat (2013) so, bei dem er uns vor Augen führte, dass man einen ganzen Spielfilm in einer einzigen Einstellung erzählen und trotzdem die Zeitachse verlassen kann. Für Careless Crime hat er das Kino als realen Raum der Vorführung und das Kino als Erzählraum der Verführung ins Zentrum von Betrachtung und Handlung gestellt: Wir sind alle Gefangene im Kino.

Er geht von einer realen Tragödie aus, aber interessiert sich nicht dafür, diese in einem historischen Film nachzuerzählen. Er will sie in der Gegenwart überprüfen und setzt sie in den Kontext von heute, denn ein sorgloses, rücksichtsloses Verbrechen wie jenes kann wieder geschehen und geschieht weiter. Zugegeben: Sein Film ist kein alltägliches Schaustück, man muss sich da mit ihm auch geistig ein wenig bewegen, um auf den Genuss zu kommen. Er bewegt sich in der Gegenwart und in ihr ist auch die Vergangenheit gegenwärtig. Er ist im Film und über den Film in einem weiteren Film, der das Zeigen eines Films enthält. Er zeigt Betrachtende und betrachtet Betrachtende Betrachtende betrachtend. Daraus entwickelt sich ein Schau-Spiel und ein Seh-Vergnügen der Siebenten Art, eben jener des Kinos.