Casamance, Senegal: Kein Frieden in Sicht
Kurz vor Beginn der Tourismussaison, am 13. Oktober, hat die senegalesische Regierung vier Mitglieder des Zentralsekretariats der Unabhängigkeitsbewegung MIFDC (Mouvement des Forces Démocratiques de la Casamance), Sanoune Bodian, Mamadou Deine, Sarani Manga Badiane und Edmond Bora, aus dem Gefängnis von Rebeuss entlassen. Sie waren im April dieses Jahres verhaftet worden, nachdem sie ein Communiqué veröffentlichten, in dem sie die senegalesische Armee beschuldigten, die vier seit dem 6. April vermissten französischen TouristInnen entführt zu haben. Die Freilassung der vier prominenten Gefangenen ist ein erstes Resultat der im September aufgenommenen Friedensverhandlungen zwischen der von Dakar eingesetzten Kommission unter Assane Seck und den Vertretern der Unabhängigkeitsbewegung, namentlich mit dem seit dem 21. April unter Hausarrest stehenden katholischen Priester Abbé Augustine Diamacoune Senghor, dem Generalsekretär des MFDC, und dem Ex‑Chef des bewaffneten Flügels, Sidya Badji. Die senegalesische Regierung hofft mit diesem Zugeständnis, dass sich die Situation beruhigen werde und die TouristInnen diesen Winter zurückkehren werden. Auch die Tourismusverantwortlichen setzen auf eine ähnlich gute Saison wie das Jahr zuvor, in der aufgrund der Abwertung des Francs CFA 31 Prozent mehr ausländische BesucherInnen registriert wurden als 1 * 993. Die senegalesische Botschaft in Bern gibt sich auf Anfrage des Arbeitskreises Tourismus und Entwicklung ebenfalls zuversichtlich. Vermutlich seien die vier französischen TouristInnen verunfallt, von den bewaffneten Auseinandersetzungen will man nichts wissen und versichert: «Es ist ruhig in der Casamance, alle Hotels sind offen.» Doch ob in der Casamance tatsächlich Frieden einkehren wird, ist fraglich. Das mysteriöse Verschwinden der beiden französischen Ehepaare hat die Aufmerksamkeit erneut auf den noch immer ungelösten Konflikt in der Casamance gelenkt. Nach dem im Juli 1993 vereinbarten Waffenstillstandsabkommen kam es seit anfangs Jahr wieder vermehrt zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der senegalesischen Armee und den Unabhängigkeitskämpfern. Über das Verbleiben der beiden französischen Ehepaare tappt man bis heute im Dunkeln. Das MFDC und die senegalesische Regierung haben sich gegenseitig beschuldigt, für die vermutete Entführung verantwortlich zu sein. Nicht zuletzt ‑ so interpretiert der Sozialwissenschaftler und ausgewiesene Kenner der Casamance, Jean‑Claude Marut, die Ereignisse ‑ diente der senegalesischen Regierung die Suche nach den französischen TouristInnen als Vorwand für militärische Operationen gegen das MFDC und legitimierte die Verhaftung von 190 ZivilistInnen. Unterstützt von Frankreich setzte man auf eine militärische Lösung des Konflikts. Noch immer sitzen gemäss einer vom MFDC im Oktober veröffentlichten Liste 116 Männer, Frauen und Kinder unter menschenunwürdigen Bedingungen in den Gefängnissen Senegals. Laut Berichten von Amnesty International ist Folter an der Tagesordnung. Solange nicht alle politischen Gefangenen frei sind und solange die Verhaftungen weitergehen, werde es in der Casamance keinen Frieden geben, meint Ousmane Tambo, Vertreter des MFDC in der Schweiz. Anfangs Oktober wurden wiederum vier Männer und eine Frau, als sie nach der Sommerpause ihre Arbeit im Club Méditerranée in Cap Skirring wieder aufnehmen wollten, verhaftet. Im Zusammenhang mit dem Verschwinden der vier französischen Tounistlnnen kritisiert Tambo die senegalesischen Behörden, welche die Ermittlungen massiv behinderten und fordert: «Dieser Fall muss restlos aufgeklärt werden».
Le Joumal du Pays, octobre 1995; L’Aurore 28.9.95; 4.10.95; Jeune Afrique 29.6.‑5.7.95; 9.‑15.2.95; New African, February 95; Politique africaine, 2e trim. 95, n° 58, Karthala; Le Monde 6.5.95; AkT+E Recherchen/gf