Die Gemeinde Kaiping hat mit der Investmentfirma Citic Private Equity Funds Management einen Vertrag sechs Milliarden Yuan-Deal (899 Millionen US-Dollar) unterzeichnet. Der stellvertretende Bürgermeister von Kaiping, Chen Jiewen, der für das Chikan-Projekt verantwortlich ist, erklärte gegenüber der Jiangmen Daily, die lokale Regierung habe beschlossen, alle BewohnerInnen der Chikaner Altstadt im Interesse des "Denkmalschutzes" zu vertreiben. Die Altstadt müsse dringend saniert werden. Da der Gemeinde dazu das Geld fehle, habe sie die Unterstützung von "Citic Private Equity" gesucht. Die Investmentfirma will aus der Stadt einen historischen Themenpark als Touristenattraktion gestalten.

Drehort von Jackie Chans "Drunken Master II"

Kaiping hat eine Bevölkerung von 670’000 Einwohnern und hat im vergangenen Jahr 6 Millionen Touristen empfangen. Diese trugen 6.7 Milliarden Yuan zur lokalen Wirtschaft bei. Sie kommen insbesondere für die berühmten Dialous: 1’800 im westlichen Stil gebaute Verteidigungstürme, die hoch über die Reisfelder ragen. Der erste, nicht mehr erhaltene, wurde zu Beginn der Ming-Dynastie (1368-1644) gebaut. Der älteste erhaltene Diaolou, eine besetzte, dreistöckige Mini-Festung aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, befindet sich in Chikans Dorf Sanmenli. 2007 setzte die UNESCO diese Türme auf die Liste des Welterbes. Chikan, die Stadt am Fluss Tan, ist bekannt für die einzigartige Mischung von westlichem und chinesischem Baustil. Mehrere berühmte chinesische Filme, darunter auch Jackie Chans Drunken Master II, wurden in und um Chikan gedreht und ein Teil der Altstadt – heute bekannt als Chikan Movie and Television City – wurde bereits für Touristen renoviert. Die Reihen historischer Qilou (Arkadenhäuser), die entlang des Flussufers Tan in Chikan gesäumt sind, wobei sich die Gebäude und Wolken auf dem Wasser spiegeln, sind eine der beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten Südchinas. Die Gemeinde Kaiping hofft, mit dem historischen Themenpark 7 Millionen TouristInnen nach Chikan zu locken. Das wären fast so viele, wie jährlich das Schloss Versaille am Rande von Paris besuchen. 

Kein Gehör für die Rechte der Betroffenen

Dafür sollen 4’000 Haushalte vertrieben werden. Rund die Hälfte der WohnungsbesitzerInnen widersetzt sich dem Druck, Entschädigungs- und Umsiedlungsvereinbarungen zu unterzeichnen. Die Abfindungen sind so tief, dass sie sich damit in der Stadt keine neue Wohnung mehr leisten können. Viele werden wohl als WanderarbeiterInnen leben müssen. Derweil hat die Gemeinde Strassen aufgebrochen – angeblich für Reparaturen – Brücken blockiert und Gebäude vernagelt und so die lokale Wirtschaft praktisch zum Erliegen gebracht. So will sie die Einwohner zwingen, die Abfindungen zu akzeptieren und wegzuziehen.
"Die lokale Regierung sagte uns, dass es gut für den lokalen Tourismus ist", sagte ein Bewohner in seinen 20ern. "Aber wir werden in  Zukunft nicht mehr von der Miete leben können und müssen Wanderarbeiter anderswo sein. Und wenn wir zurückkommen, müssen wir 100 oder 200 Yuan für eine Eintrittskarte bezahlen, um unsere angestammtes Eigentum zu sehen."
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Kaiping und die umliegenden Städte wie Taishan und Enping zu einer wichtigen Quelle für chinesische Auswanderer. Fast 4 Millionen Chinesen, die in 107 Ländern und Regionen sowie in Hongkong, Macau und Taiwan im Ausland leben, haben nach offiziellen Angaben ihre Wurzeln in der Region. Die meisten Besitzer der historischen Gebäude sind Chinesen aus Übersee oder deren Nachkommen. Nur wenige sind bereit, ihre angestammten Immobilien so billig zu verkaufen, aber die Bewohner sagten, sie hätten keine Möglichkeit mehr, über bessere Preise zu verhandeln.
"Eine Reihe von Vertretern aus Überseechina versuchte einmal, mit dem Büro für lokale Aussenpolitik und ausländische chinesische Angelegenheiten zu sprechen, bekam aber keine Antwort", sagte ein Bewohner.
Eine Stellungnahme von Kaiping-Propaganda-Beamten Wang Lei war in der der Nanfang Daily, der offiziellen Zeitung der Kommunistischen Partei in Guandong im April zu lesen. Er meinte, die Kosten der Renovation von Altbauten seien viel höher als für neu errichtete Gebäude, und die meisten Bewohner könnten sich das nicht leisten. Die angebotene Vergütung sei fair und von dritter Seite bewertet. Viele Gebäude befänden sich im Stadium des Verfalls und könnten daher nicht mit Immobilien der Innenstadt verglichen werden.
Viele ehemalige Bewohner haben für die Nachwelt Bilder der Altstadt aufgenommen. "Ich bin hier geboren, aber für Jahre nach Guangzhou gezogen", meinte einer von ihnen. "Nachdem ich die schlechte Nachricht gehört hatte, eilte ich zurück, um so viele Fotos wie möglich zu machen."

Chinesischer Staatskapitalismus: Schnelle Profite auf Kosten lokaler Lebensstile

Die Vertreibung von Bewohnern und die Wahrscheinlichkeit, dass Bauherren ihren Platz einnehmen, könnte als ein weiteres schlechtes Beispiel für den Fokus des chinesischen Staatskapitalismus auf schnelles Wirtschaftswachstum und die Vernachlässigung lokaler Lebensstile und Kulturen gesehen werden, erklärt Simon Zhao, Gründungsdirektor des International Centre for China Development Studies an der Hong Kong University. "Es liegt in der Verantwortung jeder Regierung, die Kultur, das Erbe und den lokalen Charakter des Landes für zukünftige Generationen zu erhalten", sagte Zhao. "Aber wenn für eine Sanierung im Namen des Denkmalschutzes die Einheimischen tatsächlich vertreiben und ihre Rechte auf ihr Eigentum und an den künftigen Profiten nicht respektiert werden, dann ist das schlechte Regierungsführung." Gemäss Zhao schulden die lokalen Behörden den Bewohnern eine angemessene Erklärung dafür, dass sie ihre Eigentumsrechte verlieren. "Die Auswirkungen dieses Projekts auf die Einheimischen sind zu gross", sagte er.
Während China stolz auf seine lange Geschichte ist, hat das Streben des Landes nach einer schnellen wirtschaftlichen Entwicklung zur Zerstörung oder Gefährdung eines Grossteils seines architektonischen Erbes geführt – ironischerweise oft im Namen des Schutzes oder der Erhaltung. Eine nationale archäologische Untersuchung, die 2011 von der chinesischen Staatlichen Verwaltung für Kulturerbe durchgeführt wurde, ergab, dass 44’000 der 766’700 registrierten unbeweglichen Kulturrelikte seit 1985 verloren gegangen sind, was größtenteils auf die Entwicklung zurückzuführen ist.
Kommunalverwaltungen und gut vernetzte Investoren haben viele natürliche und historische Stätten in Ticket-Hacker- und Geldmaschinen verwandelt. Mehr als ein Dutzend sind an den chinesischen Börsen notiert. Einige Sanierungen von Altstadtbereichen haben den Tourismus gefördert, darunter Wuzhen, eine einst verschlafene Stadt am "Canal Grande". Wuzhens Verwandlung begann 1999. Heute zieht die Stadt fast 7 Millionen Besucher pro Jahr an. Eine Eintrittskarte für Erwachsene kostet 200 Yuan. Aber die ursprünglichen Bewohner von Wuzhen wurden vertrieben, ebenso wie diejenigen in einer anderen touristischen Erfolgsgeschichte, der zum Weltkulturerbe gehörenden Altstadt von Lijiang in Yunnan, die früher die ethnische Minderheit der Naxi beherbergte. Geng Yanbo, der Bürgermeister von Datong, in Shanxi, hat 2008 seine gesamte Altstadt geplättet und Millionen von Menschen umgesiedelt, um Platz für eine brandneue "alte Stadt" mit einer von einem Stahlgerüst getragenen Stadtmauer zu schaffen. Dieser Aufwand brachte ihm den Spitznamen "Geng Smash Smash" ein.  

Kein Gehör für die Rechte der Betroffenen

Dafür sollen 4’000 Haushalte vertrieben werden. Rund die Hälfte der WohnungsbesitzerInnen widersetzt sich dem Druck, Entschädigungs- und Umsiedlungsvereinbarungen zu unterzeichnen. Die Abfindungen sind so tief, dass sie sich damit in der Stadt keine neue Wohnung mehr leisten können. Viele werden wohl als WanderarbeiterInnen leben müssen. Derweil hat die Gemeinde Strassen aufgebrochen – angeblich für Reparaturen – Brücken blockiert und Gebäude vernagelt und so die lokale Wirtschaft praktisch zum Erliegen gebracht. So will sie die Einwohner zwingen, die Abfindungen zu akzeptieren und wegzuziehen.
"Die lokale Regierung sagte uns, dass es gut für den lokalen Tourismus ist", sagte ein Bewohner in seinen 20ern. "Aber wir werden in  Zukunft nicht mehr von der Miete leben können und müssen Wanderarbeiter anderswo sein. Und wenn wir zurückkommen, müssen wir 100 oder 200 Yuan für eine Eintrittskarte bezahlen, um unsere angestammtes Eigentum zu sehen."
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Kaiping und die umliegenden Städte wie Taishan und Enping zu einer wichtigen Quelle für chinesische Auswanderer. Fast 4 Millionen Chinesen, die in 107 Ländern und Regionen sowie in Hongkong, Macau und Taiwan im Ausland leben, haben nach offiziellen Angaben ihre Wurzeln in der Region. Die meisten Besitzer der historischen Gebäude sind Chinesen aus Übersee oder deren Nachkommen. Nur wenige sind bereit, ihre angestammten Immobilien so billig zu verkaufen, aber die Bewohner sagten, sie hätten keine Möglichkeit mehr, über bessere Preise zu verhandeln.
"Eine Reihe von Vertretern aus Überseechina versuchte einmal, mit dem Büro für lokale Aussenpolitik und ausländische chinesische Angelegenheiten zu sprechen, bekam aber keine Antwort", sagte ein Bewohner.
Eine Stellungnahme von Kaiping-Propaganda-Beamten Wang Lei war in der der Nanfang Daily, der offiziellen Zeitung der Kommunistischen Partei in Guandong im April zu lesen. Er meinte, die Kosten der Renovation von Altbauten seien viel höher als für neu errichtete Gebäude, und die meisten Bewohner könnten sich das nicht leisten. Die angebotene Vergütung sei fair und von dritter Seite bewertet. Viele Gebäude befänden sich im Stadium des Verfalls und könnten daher nicht mit Immobilien der Innenstadt verglichen werden.
Viele ehemalige Bewohner haben für die Nachwelt Bilder der Altstadt aufgenommen. "Ich bin hier geboren, aber für Jahre nach Guangzhou gezogen", meinte einer von ihnen. "Nachdem ich die schlechte Nachricht gehört hatte, eilte ich zurück, um so viele Fotos wie möglich zu machen."

Chinesischer Staatskapitalismus: Schnelle Profite auf Kosten lokaler Lebensstile

Die Vertreibung von Bewohnern und die Wahrscheinlichkeit, dass Bauherren ihren Platz einnehmen, könnte als ein weiteres schlechtes Beispiel für den Fokus des chinesischen Staatskapitalismus auf schnelles Wirtschaftswachstum und die Vernachlässigung lokaler Lebensstile und Kulturen gesehen werden, erklärt Simon Zhao, Gründungsdirektor des International Centre for China Development Studies an der Hong Kong University. "Es liegt in der Verantwortung jeder Regierung, die Kultur, das Erbe und den lokalen Charakter des Landes für zukünftige Generationen zu erhalten", sagte Zhao. "Aber wenn für eine Sanierung im Namen des Denkmalschutzes die Einheimischen tatsächlich vertreiben und ihre Rechte auf ihr Eigentum und an den künftigen Profiten nicht respektiert werden, dann ist das schlechte Regierungsführung." Gemäss Zhao schulden die lokalen Behörden den Bewohnern eine angemessene Erklärung dafür, dass sie ihre Eigentumsrechte verlieren. "Die Auswirkungen dieses Projekts auf die Einheimischen sind zu gross", sagte er.
Während China stolz auf seine lange Geschichte ist, hat das Streben des Landes nach einer schnellen wirtschaftlichen Entwicklung zur Zerstörung oder Gefährdung eines Grossteils seines architektonischen Erbes geführt – ironischerweise oft im Namen des Schutzes oder der Erhaltung. Eine nationale archäologische Untersuchung, die 2011 von der chinesischen Staatlichen Verwaltung für Kulturerbe durchgeführt wurde, ergab, dass 44’000 der 766’700 registrierten unbeweglichen Kulturrelikte seit 1985 verloren gegangen sind, was größtenteils auf die Entwicklung zurückzuführen ist.
Kommunalverwaltungen und gut vernetzte Investoren haben viele natürliche und historische Stätten in Ticket-Hacker- und Geldmaschinen verwandelt. Mehr als ein Dutzend sind an den chinesischen Börsen notiert. Einige Sanierungen von Altstadtbereichen haben den Tourismus gefördert, darunter Wuzhen, eine einst verschlafene Stadt am "Canal Grande". Wuzhens Verwandlung begann 1999. Heute zieht die Stadt fast 7 Millionen Besucher pro Jahr an. Eine Eintrittskarte für Erwachsene kostet 200 Yuan. Aber die ursprünglichen Bewohner von Wuzhen wurden vertrieben, ebenso wie diejenigen in einer anderen touristischen Erfolgsgeschichte, der zum Weltkulturerbe gehörenden Altstadt von Lijiang in Yunnan, die früher die ethnische Minderheit der Naxi beherbergte. Geng Yanbo, der Bürgermeister von Datong, in Shanxi, hat 2008 seine gesamte Altstadt geplättet und Millionen von Menschen umgesiedelt, um Platz für eine brandneue "alte Stadt" mit einer von einem Stahlgerüst getragenen Stadtmauer zu schaffen. Dieser Aufwand brachte ihm den Spitznamen "Geng Smash Smash" ein.