Claude Braun, Michael Rössler: Ein unbequemes Leben. Cornelius Koch, Flüchtlingskaplan
Basel, 18.05.2011, akte/ Grenzen waren für ihn nur dazu da, um überwunden zu werden, schreiben Claude Braun und Michael Rössler in ihrem Vorwort zum Buch, das das Leben des Flüchtlingskaplans Cornelius Koch würdigt. Die ehemaligen Mitarbeiter sprachen mit Zeitzeugen, sie schauten alte Fernsehinterviews und gruben in Archiven. Doch geprägt ist das Buch durch ihre persönliche Freundschaft mit Cornelius Koch, dem sie bei seiner Arbeit zur Seite standen.
Angestossen durch junge Aktivisten der Longo maï-Bewegung fand Cornelius Koch als Kaplan der katholischen Kirche seine Bestimmung in der Flüchtlingsarbeit. Das Schicksal von Flüchtlingen kannte er aus eigener Anschauung: Sein Grossvater war nach Rumänien ausgewandert, Cornelius kehrte mit seinen Eltern in die Schweiz zurück, wo die Familie zunächst in einem Zeltlager untergebracht war. Der Junge nahm aus nächster Nähe wahr, was der soziale Abstieg für seine Eltern bedeutete. Der Vater war lange nur Hilfsarbeiter, die Mutter, aus einer verarmten Adelsfamilie stammend, wählte den Freitod, was Koch nie überwand.
Das Buch beleuchtet das unangepasste Leben von Cornelius Koch, der schon vom Gymnasium flog, weil er sich nicht unterordnen konnte, und der sein Leben lang Auseinandersetzungen austrug, ob mit dem Bischof oder mit dem Bundesrat. Denn wenn Koch für eine Sache einstand, nahm er oft wenig Rücksicht auf die Befindlichkeiten anderer und duldete keinen Widerspruch. Das brachte ihm erbitterte Gegner ein, erschwerte aber auch die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten. Doch sein Tatendrang und die unbedingte Überzeugung, ein Christentum der Tat zu leben, bescherten ihm eine ungeheure Glaubwürdigkeit und zahlreiche Unterstützer, auf die er sich stets verlassen konnte. So gelang es ihm immer wieder, die unterschiedlichsten Menschen für eine gemeinsame Sache einzuspannen, Katholiken und Protestanten, Sozialisten und Unternehmer.
Koch war auch deswegen weit herum als "Flüchtlingskaplan" bekannt, weil er erkannte, wie man Kirchenglocken als politisches Mittel einsetzen konnte und weil er sich auch vor spektakulären oder gar umstrittenen Aktionen nicht drückte. In der gross angelegten Freiplatzaktion für chilenische Flüchtlinge, die nach dem Putsch durch General Pinochet gegen Salvador Allende vom 11. September 1973 um ihr Leben bangen mussten, baute er ein tragfähiges solidarisches Netzwerk auf, während die politischen Institutionen in Abwehrhaltung verharrten. Vor der Asylrevision von 1987 versandten er und der Verein "Asile – Asyl – Asilo" 2,5 Millionen Briefe und schaltete Anzeigen, um das Volk zu einem "Nein" zu bewegen – leider erfolglos. Doch er leistete auch praktische Unterstützung, richtete beispielsweise ein Empfangslager für Flüchtlinge vor der schweizerischen Grenze in Norditalien ein oder feierte die "ausgewiesene 1.-August-Feier" mit Flüchtlingen.
Die Mitstreiter Claude Braun und Michael Rössler bringen Engagement und auch Widersprüche im Leben des Cornelius Koch zur Sprache, was die Lektüre umso eindrücklicher macht. Doch darüber hinaus ist das Buch ein Dokument der Asyl- und Ausländerpolitik der Schweiz im 20. Jahrhundert. Besser geworden ist seit dem Engagement von Koch nichts, die Fronten scheinen verhärtet, die Angst vor Ausländern grösser denn je. Umso wichtiger ist es, dass Menschen und Organisationen das Engagement weitertragen. Für sie ist das Buch ein wichtiges Erinnerungs- und Zeitdokument, für alle anderen ein Stück lebendige Geschichte über einen Mann, der nicht vergessen werden sollte.
Claude Braun, Michael Rössler: Ein unbequemes Leben. Cornelius Koch, Flüchtlingskaplan, Zytglogge Verlag 2011, 300 Seiten. CHF 36.-, EUR 24.-, ISBN 978-3-7296-0819-1