CLiPP plant „Klima-Flugticket“: Flugverkehr mit dem Klimaschutz verbinden?
Spätestens seit den Veröffentlichungen des Nationalen Forschungsprogramms „Umwelt und Verkehr“ (NFP 41, vgl. Rezension S. 12) 2000 ist klar, dass der Flugverkehr einen beträchtlichen und stark wachsenden Anteil an der globalen Klimaerwärmung hat. Bereits heute wird pro Schweizer EinwohnerIn und Jahr knapp eine Tonne CO2-Emissionen allein durch den Flugverkehr verursacht; das sind 13 Prozent des gesamten Schweizer CO2-Ausstosses. Wenn die Reisetätigkeit über den Wolken weiterhin um 3 bis 6 Prozent jährlich zunimmt, könnte der Flugverkehr – so die Studie – in 20 Jahren für einen Drittel der CO2-Emissionen der SchweizerInnen verantwortlich sein. Das laut dem wissenschaftlichen Gremium der Klimakonvention – dem „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (IPCC) – langfristig vertretbare Mass an CO2-Emissionen pro Kopf und Jahr wird in der Schweiz allein mit Flugreisen bereits heute erreicht.
Der Handlungsbedarf im Flugverkehr ist gross, die getroffenen Massnahmen sind laut Einschätzung von UmweltexpertInnen ungenügend. Die Flugemissionen sind bis heute vom inter-nationalen Kyoto-Abkommen zur Reduktion des CO2-Ausstosses wie auch von den rechtlich verankerten Reduktionszielen der Schweiz ausgenommen. Auch Forderungen nach Kostenwahrheit im Flugverkehr – etwa durch die Einführung einer Kerosinsteuer und Umweltabgabe auf Flugzeugemissionen, durch die Aufhebung der Steuerbefreiung und Subventionen im Luftfahrtssektor –, konnten bisher nicht durchgesetzt werden. Und wie die Nachfrage nach Flugreisen und damit die Wachstumsspirale durchbrochen werden könnte, weiss bis heute niemand. So zielt die neuste Initiative „Climate Protection Partnership“ (CLiPP) weniger auf das Umdenken bei der Verkehrsmittelwahl, sondern auf die freiwillige Kompensation der beim Flug emittierten Treibhausgase. Nach dem Vorbild der niederländischen „Vliegetax“ sollen Schweizer Fluggäste künftig „Klima-Tickets“ lösen können. Der Aufpreis von zehn bis zwanzig Franken pro Flugstunde und Passagier sei so berechnet, dass das beim Flug ausge-stossene Kohlendioxid durch die Realisierung von Klimaschutzprojekten im In- und Ausland kompensiert werden könne. (Nicht berücksichtigt sind allerdings die bei der Produktion von Flugzeug und Treibstoff anfallenden indirekten Emissionen). Investieren will CLiPP hauptsächlich in Projekte in anderen Sektoren (z.B. Gebäude, Landverkehr), die den Energieverbrauch reduzieren und erneuerbare Energien fördern. Zentral wird hierbei sein, dass auf diese Weise zusätzliche Klimaschutzprojekte ermöglicht werden, die nicht bereits anderweitig finanziert sind. Ein Grossteil der Projekte sei in Entwicklungsländern vorgesehen, erklärt Alois Müller vom CliPP-Projektteam, einerseits weil dort für weniger Geld grössere Mengen CO2 kompensiert werden könnten, anderseits weil viele Südländer von den Klimafolgen besonders betroffen seien. Um aber auch vor der eigenen Haustür zu kehren, würden mehrere Projekte in der Schweiz verwirklicht.
In der Trägerschaft von CLiPP sind mehrere Städte, Kantone, Umwelt- und Entwicklungsorga-nisationen sowie Bildungsinstitutionen vertreten. Die Reisebranche hat die Idee bisher eher zurückhaltend aufgenommen. Sobald ein grosser Partner unter den Reiseveranstaltern oder Fluggesellschaften gefunden ist, will die Trägerschaft eine unabhängige Stiftung namens CLiPP gründen. Mit dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) hat die Idee eines „Klima-Flugtickets“ seit Januar 2001 einen prominenten Unterstützer erhalten. Etwas zurückhaltender beurteilt das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) das Vorhaben. „Wir begrüssen jede Initiative im Bereich Klimaschutz“, erklärt Andrea Burkhardt vom BUWAL, gibt aber zu bedenken, dass die freiwillige Abgabe keine Lenkungswirkung auf das Reiseverhalten haben werde und allenfalls gar die Einführung von wirkungsvolleren Massnahmen zu einem späteren Zeitpunkt behindern könnte. Dass die Meinungen in Sachen CLiPP geteilt sind, zeigt eine Leserumfrage des Verkehrsclubs Schweiz (VCS), der in der Trägerschaft von CLiPP vertreten ist: Während die einen das freiwillige „Klima-Ticket“ als pragmatischen Vorstoss begrüssen, bezweifeln andere dessen Sensibilisierungswirkung oder sprechen gar von einem Ablasshandel, bei dem Besserverdienende „sich bequem das Gewissen reinwaschen“ könnten. Innerhalb des VCS erhält die Einführung eines „Klima-Tickets“ besondere Brisanz, steht doch zur Debatte, ob der hauseigene Reiseveranstalter „VCS Reisen“ neu auch Flugreisen mit obligatorischem Klimazuschlag verkaufen darf. Mit dem „Klima-Ticket“ wolle der VCS nicht nur Schäden kompensieren, sondern die Problematik des zunehmenden Flugverkehrs auch bei Reisenden zum Thema machen, erklärt Jürg Tschopp vom VCS. Bei jedem Verkaufsgespräch im Reisebüro sollten die KundInnen Informationen zum Thema Klimaschutz erhalten. Ob die freiwillige Abgabe tatsächlich den Weg ebnen kann für weitergehende Massnahmen oder ob vielmehr der Eindruck vermittelt wird, mit einer Kompensationsabgabe sei das Problem ohne Einschränkung der Flugreisen bereits gelöst, wird sich zeigen müssen. Sicherlich wird der Effekt auch davon abhängen, wie kommuniziert wird und ob die „Klimaabgabe“ in ein ganzes Massnahmenbündel und eine umfassende (Flug-)Verkehrsstrategie eingebettet wird. Die alarmierenden Erkenntnisse der neusten Klima- und Verkehrsstudien legen jedoch nahe, dass es nicht genügen kann, über Emissionsgutscheine CO2-Reduktionen in anderen Sektoren oder in den Ländern des Südens einzukaufen. Bereits heute überschreiten viele BewohnerInnen der Industrieländer ihr persönliches CO2-Budget allein mit Flugreisen. Mittelfristig wird deshalb kein noch so pragmatischer Weg daran vorbeiführen, dieses Reiseverhalten stärker ins Visier zu nehmen. /frei
Quellen: Unterlagen von CLiPP und des IPCC; Ruedi Meier, Nachhaltiger Freizeitverkehr, 2000; Interviews mit Andrea Burkhardt (BUWAL), Vroni Mazenauer (CLiPP), Ruedi Meier (NFP 41), Alois Müller (CLiPP) und Jürg Tschopp (VCS); VCS-Zeitung 2000/11; Vorträge an der SUN21 vom September 2000 und der Abschlusstagung des NFP 41 vom Januar 2001.
Weitere Informationen unter: www.CLiPP.org