Zwei Gründe für den Ökotourismuserfolg

Dass Costa Rica in Sachen Ökotourismus derart erfolgreich sei, erklärt Lucas mit zwei Faktoren: Zum einen wurde in den 70-er Jahren eine solide Umweltgesetzgebung erlassen. Zum andern baute Costa Rica ein Tourismusangebot auf, welches sich vor allem auf Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe entlang der gesamten Dienstleistungskette stützte. So entstand ein Naturschutz- und ein Strandtourismus, der vor Ort verankert ist. Gleichzeitig sei der Beitrag des Tourismus am BIP von Costa Rica in den letzten zehn Jahren – vor der Pandemie – von 6 auf 10 Prozent gestiegen.  

Von 21 auf 54 Prozent Wald

Gerade die Waldschutzgesetzgebung ist beispielhaft: In den späten 80er und frühen 90er-Jahren starteten Aufforstungsprogramme, die den Regenwald regenerierten und in Naturschutzgebiete umwandelten. 1987 waren 21 Prozent  der Fläche mit Wald bedeckt, heute sind es 54 Prozent,  knapp 30 Prozent der Fläche stehen unter Naturschutz (Quelle: kontrast.at). Dies liegt auch daran, dass die Bauern und Landbesitzerinnen von der extensiven und ertragsarmen Viehaltung, für welche sie den Regenwald rodeten, auf die Waldnutzung umgestiegen sind. Das brachte ihnen nicht nur eine Prämie des Staates, sondern auch neue Einkunftsmöglichkeiten im Tourismus.

Es droht die Cancunisierung

So entstand die Marke Costa Rica, auf die Lucas durchaus stolz ist. Doch sägen politisch-ökonomische Kräfte rund um die mächtigen Wirtschaftskammern an den beiden Ästen, an denen der Erfolg der Marke hängt. Zum einen wollen sie die Umweltschutzgesetzgebung, insbesondere die Meeresschutzgesetze, vereinfachen, lies: verwässern. Zum andern wollen sie internationales Kapital anziehen und damit "Megastrukturen, transnationale Resorts und Residenztourismus" realisieren. Ihnen schwebe in den Küstenregionen ein Tourismusmodell wie in Cancun vor, sagt Lucas. Er hält wenig vom Argument, dass diese Megastrukturen nachhaltigkeitszertifiziert werden würden. "Ich bin da eher misstrauisch und frage, ob die institutionellen Kontrollen wirklich wirksam sind (…). Wir haben gesehen, wie das Umweltministerium und die ihm angeschlossenen Institutionen in den letzten Jahren Kürzungen hinnehmen mussten. Das ist besorgniserregend, da sie die erste Verteidigungslinie bei der Pflege und Erhaltung der Naturschutzgebiete sind".   

Erholung des Tourismus auf Kosten der Umwelt und der Gemeinschaften?

Das Hauptargument der Wirtschaftskammer sei die seit bald 15 Jahren andauernde Finanzkrise und der komplette Kollaps des Tourismus infolge der Pandemie. Die Covid 19-Pandemie sei dabei ein Wendepunkt für den Tourismus in Costa Rica gewesen. Es habe sich ein Diskurs eingeschlichen, der das Wirtschaftswachstum und die "Erholung des Tourismus" über jede Art von Umweltregulierung oder echte Beteiligung der lokalen Gemeinschaften stelle.  

Gentrifizierung durch junge Arbeitsnomaden und Pensionierte aus dem Norden  

Bereits realisiert wurden zwei Gesetzesänderungen, mit denen Pensionierte aus dem Norden sowie junge, kaufkräftige Arbeitsnomaden, welche von Costa Rica aus arbeiten, angezogen werden sollen. Dieser Zweitwohnungstourismus führe dazu, dass es für Einheimische schwieriger werde, Wohnraum zu finden und die Strände für die neue Zielgruppe verbaut werden. Lucas weisst darauf hin, dass es "an vielen Stränden des Landes keine Raumplanung gibt. Dies schafft ein günstiges Klima für Bodenspekulationen und schnelle Gewinne".  

Schwierige politische Lage  

Auch die politische Lage stimmt Lucas nicht gerade hoffnungsfroh: Bei der Präsidentenwahl am 4. April stünden sich ein ehemaliger Präsident einer alteingesessenen wirtschaftsliberal-sozialdemokratischen Partei und ein Kandidat einer neuen wirtschaftsliberal-konservativen Partei gegenüber. Der ehemalige Präsident sehe sich mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, liege aber umweltpolitisch mit der Förderung alternativer Energien und der Eindämmung der Erwärmung im globalen Mainstream. Gegen den konservativen Kandidaten liege eine Anzeige wegen sexuellen Belästigung vor. In seinem Programm komme das Wort Umwelt gerade zweimal vor. Hier das Follow-Up zum Ergebnis der Wahl

Der Gegenvorschlag  

Lucas schwebt ein anderes Modell vor, wie sich das Ökoerfolgsmodell retten liesse. Er schlägt vor, dass die allgemeinen Einnahmen aus dem Tourismus, etwa die Steuern der Touristen, in einen Fonds für Ausbildung und Naturschutz fliessen sollten. Verwaltet würde dieser von den Basisorganisationen.  

Abschliessend konstatiert Lucas: "Das Thermometer, mit dem ich die Entwicklung des Tourismus messe, ist die Entwicklung des Strandtourismus und der Naturschutzgebiete. Denn das sind die Gebiete, die die grössten Risiken bergen. Die Frage ist, ob wir den Weg gehen wollen, den andere Länder bereits beschritten haben oder ob wir versuchen werden, unserer Marke treu zu bleiben." 

Müsste er eine Empfehlung für die Zukunft des costa-ricanischen Tourismus aussprechen, wäre es: "Weiterhin den gastgebenden Gemeinden und Ökosystemen mehr oder die gleiche Bedeutung beimessen wie den Touristen."

Das ganze Interview mit Arturo Silva Lucas.