
Das Klimarating der Klima-Grosseltern: ein schwieriges Unterfangen
Wie einfach machen es die Reiseanbieter ihrer Kundschaft, eine klimaverträgliche Wahl zu treffen? Nach einer aufwändigen Recherche und einer lesenswerten Herleitung präsentiert die Tourismusgruppe der Klima-Grosseltern ein Klimarating von 13 Schweizer Reiseveranstaltern nach folgenden Kriterien:
- Haben Kund*innen eine Auswahl an klimaverträglichen Produkten? Können diese Produkte leicht gefunden werden?
- Werden Informationen zu klimafreundlichen Anreisemöglichkeiten geboten oder Beratungsangebote gemacht?
- Wird auf das Angebot besonders klimabelastender Produkte (wie z.B. Kreuzfahrten, Rundreisen im Wohnmobil oder im 4×4-Fahrzeug) verzichtet?
- Informieren «die Anbieter über die Klimabelastung der einzelnen Angebote»?
- Legen sie Rechenschaft ab über «die Entwicklung der Klimaemissionen, die sie mit ihren Produkten mitverursachen»? ¨
Alle, die das Klimabewusstsein eines Reiseveranstalters durchleuchten wollen, bekommen mit diesen Kriterien eine handliche Checkliste. Einige dieser Kriterien eignen sich auch für politische Forderungen, etwa der Forderung nach der Pflicht zur Deklaration des Klimabelastung der einzelnen Angebote.
Das Klimarating

So sehr wir die Kriterien des Klimaratings teilen, so erstaunt sind wir über das Resultat. Während wir die Plätze 1 bis 4 nachvollziehen können, verwundern uns die hinteren Plätze. Das Ranking zeigt, dass der Fokus einzig aufs Klima und dort vor allem aufs Fliegen aus unserer Sicht zu eng ist.
Jedoch fördert es einige Dilemmata der Klima- respektive Nachhaltigkeit-im-Tourismus-Bewegung zu Tage, die auch uns bei fairunterwegs zu schaffen machen.
Klimaschutz vs. umfassende Nachhaltigkeit
Dass Veranstalter, welche klimaschonende Wanderferien in Zugdistanz anbieten, zuoberst auf der Liste stehen, leuchtet sekundenschnell ein. Dagegen können Reiseveranstalter, welche Flugreisen anbieten, nur abfallen. Würden aber neben dem Klimaschutz noch weitere Dimensionen von Nachhaltigkeit berücksichtigt werden – zum Beispiel Frauenförderung oder Einkommenssicherung in wirtschaftsschwachen Regionen oder Arbeitsrechte -, käme die Rangliste durcheinander. Nun kann man einwenden, neben dem Klimaschutz seien diese Punkte zweitrangig. Darüber lässt es sich stundenlang debattieren. Langweilig dagegen wird eine Liste, die nur Reiseveranstalter ohne Flugreisen umfasst, denn die Anbieter ähneln sich zu sehr.
Beherzte Kleine vs. zertifizierte Grosse
Auch wir von fairunterwegs haben ein Herz für die engagierten Kleinanbieter, die stolz auf ihr energieautarkes Hotel, auf ihre vegetarische, hochlokale Küche oder auf ihr Team mit Menschen aus dem zweiten Arbeitsmarkt sind. Deshalb wollen wir sie auch auf der fairunterwegs-Karte präsentieren. Doch neben diesen Engagierten, die wir manchmal mit ziemlich viel Bauchgefühl auswählen, achten wir auch auf Zertifikate. Die vertrauenswürdigen unter ihnen (zu finden im Labelguide), beurteilen touristische Unternehmen umfassend auf ihre soziokulturelle, ökologische und wirtschaftliche Nachhaltigkeit hin.
Dabei ist der Zertifizierungsprozess bei einigen Labels fast so komplex wie dreidimensionales Schachspielen. Daher ersparen sich einige Kleine die Zertifizierungsmühe und einige unterstellen den kapitalkräftigen Grossen, welche sich eine Nachhaltigkeitsabteilung leisten können, pauschal Greenwashing. So unterkomplex ist die Wirklichkeit nicht; es gibt bei einigen Grossen ebenso engagierte wie hochkompetente Persönlichkeiten, welche es ernst meinen mit der Nachhaltigkeit und sich gerade darum einer Zertifizierung unterziehen. Zu einfach ist es daher, wenn Gütesiegel im Rating kein Kriterium sind.
Reine Lehre vs. höherer Wirkungsgrad
Es ist das klassisch-literarische Dilemma: Behalte ich die Hände und die Luft sauber und arbeite nur mit den Reiseveranstaltern zusammen, die der reinen Lehre folgen (nie fliegen, lange Aufenthaltszeiten, Zusammenarbeit mit Gemeindeinitiativen etc.), aber Nischenanbieter sind? Oder versuche ich, die Kommerziellen dazu zu bewegen, ihre Kund*innen zu klimafreundlichem Verhalten zu animieren (etwa mit dem Klimalink). Dabei ist es gut möglich, dass die Kommerziellen den Treibhausgasausstoss stärker senken als die Nischenanbieter. Mit andern Worten: Wer Wirkung erzielen will, setzt lieber auf die Wirkungsmächtigen. Und die befinden sich selten in der Nische.
Es gibt einige Organisationen, die diese Strategie erfolgreich fahren (zum Beispiel Futouris). Mit dem Klimarating will die Fachgruppe Tourismus der Klima-Grosseltern die Kommerziellen zu klimafreundlicherem Handeln drängen und gleichzeitig die «Reinen» als gutes Beispiel präsentieren. Bei solchen Doppelstrategien besteht erfahrungsgemäss ein beträchtliches Risiko, dass sie nicht aufgehen. Wir drücken den Klima-Grosseltern die Daumen, dass die Erfahrung nicht recht behält.
Wertvolles Engagement, aber ein fragwürdiges Klimaranking
Hier wird zu viel zu Unterschiedliches in die Rangliste des Klimaratings gepresst. Die klassifizierten Reiseveranstalter unterscheiden sich grundsätzlich; sie lassen sich nicht in eine Reihe stellen. Diese Liste macht ebenso wenig Sinn wie eine Rangliste der klimafreundlichsten Handelsgeschäfte, welche Bioläden, Weltläden, Discounter, Grossverteiler und chinesische Versandhändler umfasst. Zudem wird das Engagement für die Menschenrechte, das etwa die DERTOUR Suisse, zu der Kuoni Reisen gehört, auszeichnet, geradezu unfair missachtet. Kurz: Auf die Liste unserer Lieblingslisten kommt dieses Ranking nicht. Das Engagement der Macher hingegen landet auf dem Podest.