Das Missions-Curry – eines der ersten Produkte aus dem Fairen Handel
Fenster zur Welt
«Ihr müsst in der Früh kommen, wenn ihr die Curry-Produktion filmen wollt», sagt uns die Leiterin des Ashrams Bethania am Telefon, als wir unser Kommen ankündigen. Die Frauen könnten nur bis Mittag arbeiten, danach sei es für die harte körperliche Arbeit zu heiss. Das Curry wird im Ashram Bethania noch ganz traditionell zubereitet: Die Zutaten werden über dem offenen Feuer geröstet, gemahlen wird in steinernen Mörsern, gestampft mit langen Holzpfählen, die die acht Frauen rhythmisch auf- und niedersausen lassen. Die Hitze im Raum ist schon um neun Uhr drückend.
Die Blechdose mit der gelben Banderole wird seit 52 Jahren in der Schweiz verkauft, es war eines der ersten Fair Trade-Produkte überhaupt. Für viele Schweizerinnen und Schweizer war das «Missions-Curry» der erste Kontakt mit der indischen Küche. Die Rezeptur sei geheim, hat man uns gesagt. Die achtzigjährige Miss Nancy wisse als Einzige, in welchem Verhältnis Linsen, Koriander, Ingwer, Kurkuma und all die anderen Gewürze gemischt würden.
„Swiss-Curry“ aus Frauengemeinschaft
Miss Nancy ist da an diesem Vormittag. Sie sitzt mitten im Raum unter den anderen Frauen und schüttet Gewürze in eine grosse Wanne. Sie lacht nur, als ich ihr das Geheimrezept entlocken will. Und als ich sie nach dem Ursprung der Mischung frage, da lacht sie noch mehr: «Alle glauben, die Mischung sei typisch für Kerala. Aber das stimmt nicht. Miss Frey hat die Mischung zusammengestellt. Wir produzieren hier also ein Swiss-Curry».
Die Schweizerin Hanna Frey hat den Ashram gegründet, 1952. 24 Jahre zuvor war sie für die Basler Mission, heute mission 21, nach Indien gekommen. Sie setzte sich für Witwen und verstossene Frauen ein. Von einer Gemeinschaft wie Bethania, in der Frauen zusammen leben und arbeiten können, hat sie lange geträumt.
Heute leitet Reena Christable den Ashram. Sie ist seit fünf Jahren hier, Mitte Dreissig und hat Theologie und Ökonomie studiert. Die Arbeit mit den Frauen und Mädchen ist ihr so wichtig, dass sie dafür sogar auf eine eigene Familie verzichtet. Beides geht nicht? «Das wäre schwierig hier im ländlichen Indien», sagt sie, «jedenfalls im Moment noch».
Die Curry-Produktion bietet Frauen aus der Gegend faire Arbeitsbedingungen und ein gesichertes Einkommen. Die Einnahmen decken einen Teil der Kosten des Mädchenheimes, das auch zum Ashram gehört. Dreissig Mädchen leben zur Zeit hier, die meisten stammen aus schwierigen Verhältnissen. «Alkohol ist ein grosses Problem bei uns. Viele Familien brechen auseinander, weil die Väter trinken. Die Mädchen leiden am meisten darunter, ihr Status ist in der traditionellen Familienhierarchie am tiefsten.»
Hoher Preis
Cannanore (Kannur) im südindischen Bundesstaat Kerala ist eine Kleinstadt. «Klein» gemäss indischen Verhältnissen wohlverstanden, es leben ungefähr zweihunderttausend Menschen hier. Die Basler Mission kam 1841 hierher. Die Missionare brachten mehr als die christliche Botschaft nach Südindien. «Sie rekrutierten technisch versierte Europäer, die Ziegelfabriken und Webereien aufbauten, wo zum Christentum konvertierte Inderinnen und Inder Arbeit fanden», erzählt uns der Historiker Paul Jenkins, den wir auch im Ashram treffen. «Viele der jungen Schweizer Pioniere zahlten aber einen hohen Preis. Sie starben an Typhus oder anderen Krankheiten, vom extremen indischen Klima ausgezehrt.»
Dass ihr Curry bei uns so beliebt ist, das freut Reena Christable. Sie hat viele Komplimente dafür bekommen, als sie vor einem Jahr in Basel war. Und was hat sie selber am meisten beeindruckt? «Dass ich aus dem Zug steigen und mir ganz allein ein Taxi nehmen konnte. Das könnte ich hier als Frau nicht, von so viel Bewegungsfreiheit kann ich nur träumen.»
Mona Vetsch reiste mit der Bahn 3500 Kilometer durch Indien, von Delhi bis in die Nilgiri-Berge. Der Besuch im Ashram Bethania wird am Dienstag, 7. August, 21 Uhr, auf SF 1 gezeigt.
Die Sendung ist Teil der Serie «Fernweh – Zug um Zug» des Schweizer Fernsehens, das ab 3. Juli jeden Dienstagabend die ZuschauerInnen auf die abenteuerlichsten und schönsten Eisenbahnstrecken der Welt entführt.
Informationen und Curry-Bestellungen: im Geschäft «Zur Kalebasse», Missionsstrasse 21, 4055 Basel oder über den Online-Shop von www.kalebasse.ch