Die "Hündeler" staunen nicht schlecht, wer ihnen an diesem Morgen in einem Waldstück oberhalb von Schwyz auf dem Forstweg entgegenkommt. Die HEKS-Delegation ist ein bunt gemischtes Grüppchen, hier ein indisches, da ein brasilianisches Gesicht, und sogar ein Mann mit Tätowierungen und imposantem Federschmuck auf dem Kopf ist mit dabei. Grund für den seltenen Anblick ist ein Feldbesuch, den HEKS für eine Delegation von Partnerorganisationen aus Brasilien und anderen ExpertInnen auf dem Gebiet der gemeinsamen Landnutzung organisiert hat – und zwar im Herzen der Schweiz, bei der Oberallmeindkorporation Schwyz. Doch wie kam es dazu?

Landrechte für Gemeinschaften

In vielen Projektländern arbeitet HEKS mit Bevölkerungsgruppen, die ihr Land gemeinsam bewirtschaften und nutzen. Oft verfügen diese Gruppen – seien es Fischervölker in Brasilien oder nomadisierende Viehzüchter in Niger  – über hochangepasste, nachhaltige Bewirtschaftungsformen für ihre Territorien. Doch die gemeinsamen Ansprüche auf die Wälder, Weiden, Steppen oder Gewässer, die diesen Gruppen als wichtige Lebensgrundlage dienen, sind in den nationalen Gesetzgebungen häufig nicht anerkannt. Es ist zu befürchten, dass viele lokale Gemeinschaften in Asien, Afrika und Lateinamerika ihre Territorien verlieren werden – und damit nicht nur ihre Lebensgrundlagen, sondern auch ihre Heimat und kulturellen Wurzeln. HEKS engagiert sich für die Landrechte dieser Gemeinschaften und unterstützt sie dabei, ihre gemeinsam genutzten Territorien gegen illegale Landnahme zu schützen. Doch wie können diese Gemeinschaften am effizientesten bei der Sicherung ihrer Landrechte unterstützt werden? Und wie können ihre traditionellen Wirtschaftsweisen erhalten, aber auch neu interpretiert werden, um zu nachhaltigen Zukunftsperspektiven beizutragen?

Erstes "HEKS Land Forum"

Am ersten "HEKS Land Forum" am 20. Juni in Bern kamen Experten aus aller Welt mit HEKS-Mitarbeitenden und interessierten Teilnehmenden zusammen, um diese Fragen zu diskutieren. Am Tag danach zog eine HEKS-Delegation weiter ins Herz der Schweiz und machte sich bei einem Feldbesuch bei der Oberallmeindkorporation Schwyz ein Bild über hiesige gemeinsame Landnutzungsformen – denn auch bei uns gibt es diese Form der Landnutzung: Die sogenannten "Allmenden", Weide- oder Waldflächen, die allen Mitgliedern einer Gruppe offenstehen, waren stets ein zentraler Bestandteil der Schweizer Landwirtschaft. Bereits im 18. Jahrhundert wurden Allmenden im Zuge der Privatisierung fast überall in Europa als private Grundstücke eingezäunt. In einigen Regionen, vor allem im Schweizer Alpenraum, konnten sich die Allmenden bis heute halten.

Älter als die Eidgenossenschaft

Die Geschichte der Oberallmeindkorpo ration Schwyz, kurz OAK, geht bis ins 7. Jahrhundert zurück, als die Alemannen in die Region einwanderten und die Gebiete um ihre privaten Grundstücke gemeinwirtschaftlich nutzten. Es brauchte Regeln, etwa Bannwarte im Wald, die darauf achteten, dass niemand zu viel Brennholz für sich beanspruchte. 1114 wurde die Korporation erstmals urkundlich erwähnt, und zwar im Zusammenhang mit einem Landstreit der genossenschaftlich organisierten Schwyzer mit dem Kloster Einsiedeln. Der Streit endete 1350 – und gab dem Gebiet der OAK seine bis heute bestehenden Grenzen: Die Ländereien der OAK erstrecken sich wie ein riesiger Flickenteppich vom Muotatal bis Morgarten, vom Ybrig bis zum Vierwaldstättersee. Mit 24 000 Hektaren verwaltet die OAK heute rund einen Viertel der Fläche des Kantons Schwyz. Auf den gut 8000 Hektaren Alpweiden bietet die Korporation den Älplern und Bäuerinnen Sömmerungsplätze für rund 12 500 Tiere und im 9000 Hektaren grossen Wald führt sie einen modernen Forstbetrieb. Und sie arbeitet konsequent nachhaltig. Felix Lüscher, Bereichsleiter Wald der OAK, macht an einer Feuerstelle im Wald Halt und zeigt seinen Besuchern einen Waldfunktionenplan, wie er in der Schweiz üblich ist. "Der Wald hat bei uns vor allem drei Funktionen: Er dient der Holzproduktion, er schützt vor Naturgefahren wie Steinschlag oder Lawinen und er hat Wohlfahrtsaufgaben wie etwa Erholung oder Erhaltung der Biodiversität", erklärt Lüscher und deutet auf der Karte auf die verschieden eingefärbten, sich teils überlappenden Flächen, die die unterschiedlichen Ansprüche der Gesellschaft abbilden.

Darf man sammeln und jagen?

"Grundsätzlich haben in der Schweiz alle freien Zugang zum Wald", erklärt Lüscher. "Aber darf man Beeren sammeln?", fragt Carlos Dayrell von der HEKS-Partnerorganisation CAA, die traditionelle Gemeinschaften im brasilianischen Cerrado in ihrem Kampf um gemeinsam genutzte Territorien unterstützt. "Und wie sieht es aus mit der Jagd? Darf man Tiere schiessen? Und darf man bei der Aufforstung auch geklonte Arten pflanzen?" Dayrell staunt nicht schlecht, als ihn Lüscher über die vielen Gesetze und Vorgaben, die Waldbesitzer in der Schweiz zu befolgen haben, unterrichtet. "Das ist sehr vorbildlich", sagt er. "In Brasilien gibt es zwar auch viele Gesetze, aber deren Einhaltung wird kaum kontrolliert." "Ich bin Stammesführer der Xakriabà, ein indigenes Volk im Cerrado. Wir haben eine enge Beziehung zum Wald und zur Natur, aber wir sehen, dass sich unsere Jungen immer mehr davon abwenden. Für uns ist es schwierig, ihnen unsere Lebensweise und unsere Traditionen zu vermitteln", erzählt Hilário Correa Franco, der Mann mit dem Federschmuck, und fragt: "Habt ihr dieses Problem auch?" Lüscher ist nicht allzu erstaunt über diese Frage: "Ja, auch wir fragen uns: Wie können wir unsere jungen Bürger besser einbinden, ihnen die OAK näherbringen? Wie schaffen wir es, dass sie sich mit ihrer ‹Oberallmig› verbunden fühlen?"
Aktuell zählt die OAK rund 19 000 Mitglieder. Seit 1894 sind die Familiennamen der nutzungsberechtigten Korporationsbürger schriftlich festgehalten. Einkaufen kann man sich nicht, – das Bürgerrecht wird seit jeher vererbt – lange nur über den Vater, seit 2006 auch über die mütterliche Linie, was dazu führte, dass nun auch Namen wie De Nardi oder Dudle die Liste bereichern. Und welchen Nutzen haben die Korporationsbürger von  dieser Mitgliedschaft? "Früher war der Nutzen deutlich: Die Bauern durften ihr Vieh auf den Alpen der OAK sömmern und in den Wäldern eine festgelegte Menge Brennholz schlagen", erklärt Daniel von Euw, Agronom und OAK-Geschäftsführer. "Bis 2003 wurde auch Geld ausbezahlt. Heute, mit 19 000 Mitgliedern, gibt es kein Geld mehr. Die Bauern profitieren natürlich noch immer davon, dass sie ihr Vieh auf die Alpen auftreiben können. Alle anderen profitieren von Gratis-Aktionen, die die OAK ihren Bürgern jedes Jahr offeriert – etwa die Nutzung der Bergbahnen – oder von vergünstigten Baurechtszinsen auf OAK-Land."

Ein Blick in den Kuhstall

Von Euw ist gleichzeitig Bereichsleiter Alp und bringt die Gruppe in einem zweiten Teil auf die Ibergeregg und von da zum OAK-Alprestaurant "Zwäcken", pittoresker Ausgangspunkt für Wanderungen auf den Grossen Mythen. Werni Ruhstaller, aktueller Pächter, begrüsst die Delegation, zeigt ihnen die 25 Kühe, die auf der Alp gesömmert und von einem Älpler betreut werden. Die Milch kauft Ruhstaller der OAK ab und produziert in der Käserei Mutschlis für sein Alprestaurant.
Gemanagt wird die OAK heute ganz modern durch einen Verwaltungsrat, der die strategischen Entscheide fällt, und eine Geschäftsleitung, die ausführt. Das letzte Wort aber haben die Mitglieder: Die Korporationsbürger und -bürgerinnen treffen sich einmal im Jahr zur OAK-Landsgemeinde nach jahrhundertealter Tradition bei der hinteren Brücke zu Ibach und entscheiden dort per Handheben über wichtige Fragen, die das gemeinsame Gebiet betreffen. "Etwas gemeinsam zu nutzen, heisst nicht, dass jeder Bürger einfach machen und sich das nehmen kann, was er will", sagt von Euw. "Es braucht Regeln, um das Gebiet nicht zu übernutzen – früher waren das mündliche Vereinbarungen, heute sind das die Statuten der OAK. Man nutzt zwar etwas gemeinsam, aber man muss aufeinander und auf die Natur Rücksicht nehmen."

Anderer Kontext – gleiche Herausforderungen

Dayrell ist beeindruckt. "Die Art, wie sie hier regionale Wertschöpfungsketten nutzen und wie sie zur Natur Sorge tragen, deckt sich genau mit unseren Wertvorstellungen und Zielen im Cerrado." Und auch hinsichtlich der wichtigen Rolle der Tradition sieht er eine Parallele. "Auch uns stellt sich die Frage, wie diese der nächsten Generation weitergegeben werden kann und wie sie gleichzeitig auch erneuert werden kann, um mit der Moderne Schritt zu halten."
Daniel von Euw kann das nur bestätigen: "Auch die OAK musste sich in ihrer über 900-jährigen Geschichte stets weiterentwickeln. Wir machen hier vor allem zwei Spagate: Einige unserer Bürger wollen alles gemäss Tradition machen, die anderen wollen Fortschritt. Einige wollen möglichst viel aus den Wäldern herausholen, die anderen sehen im Fällen jeder schönen Fichte einen Frevel. Die Oberallmeind musste schon immer eine Balance finden zwischen Tradition und Fortschritt, zwischen Nutzen und Schutz."
"Durch diesen Austausch haben wir gemerkt, dass wir trotz der geografischen Distanz gar nicht so weit voneinander entfernt sind", sagt Dayrell auf dem Rückweg von der Alp zum wartenden Minibus. "Das ist faszinierend und schön. Natürlich, die OAK bewegt sich in einem ganz anderen Umfeld. Sie wird von der Regierung anerkannt, darf ihren Besitz eigenständig verwalten. Wir kämpfen noch immer um die Anerkennung unserer gemeinsam genutzten Territorien. Die OAK hat diesen Kampf bereits vor Jahrhunderten durchgestanden und hat es geschafft, dieses Erbe bis heute hochzuhalten."

Gemeinsame Landnutzung in HEKS-ProjektenIndien
Die Adivasi sind die Nachfahren der indischen Ureinwohner. Fast alle Adivasi leben in Stammesgemeinschaften auf dem Land, meist in isolierten Wald- und Bergregionen, wo sie Landwirtschaft betreiben und Waldprodukte sammeln. Die um 1970 entstandenen Forstgesetze zum Schutz des Waldes haben das Land der Adivasi jedoch Stück für Stück zum Staatsbesitz erklärt. Der Staat wiederum vergibt das Land für Grossprojekte wie Staudämme, Bergwerke, Industrie oder Plantagen – die Adivasi müssen weichen. Im Jahr 2006 verabschiedete das indische Parlament den "Forest Rights Act", ein Gesetz, dank dem Adivasi Landtitel für das von ihnen besiedelte und bebaute Forstland erhalten können und Waldprodukte nutzen dürfen. Die HEKS-Partnerorganisation Pragati unterstützt die Adivasi bei der Einforderung ihrer Rechte – aber auch bei der späteren Bewirtschaftung des Landes und beim Aufbau von Wertschöpfungsketten.
Niger
Neben sesshaften Bauernfamilien leben in Niger auch nomadisierende Viehzüchter. Niger verabschiedete bereits 1993 den "Code Rural", ein Rahmengesetz, das auch Räume für die Viehzucht sichert. Doch die Umsetzung ist problematisch: Aufgrund der wiederkehrenden Dürren und des Bevölkerungswachstums erden die natürlichen Ressourcen immer knapper und die Ackerbauern halten Durchzugswege und Weideflachen für Viehzüchter nicht mehr frei. Das HEKS-Projekt Zamtapo arbeitet daher mit der ländlichen Bevölkerung an der Umsetzung des "Code Rural": Ackerbauern und Viehzüchter werden bei der gemeinsamen Aushandlung und klaren Markierung von Durchgangskorridoren und Weideflächen für Viehherden unterstützt. Zudem wird der Aufbau von Landkommissionen gefördert, die die Nutzung des Landes kontrollieren und Landkonflikte schlichten. Dadurch werden insbesondere auch die Rechte der nomadisierenden Viehzüchter gestärkt.
Brasilien
"Traditionelle Gemeinschaften" in Brasilien definieren sich nicht nur über eine gemeinsame ethnische Abstammung, sondern vielmehr über eine spezifische Wirtschaftsweise in einem gemeinsam genutzten Territorium. So gibt es etwa die Gemeinschaft der Kautschukzapfer, diejenige der Blumenpflücker oder der Kokosnusssammler. Seit 2007 gibt es in Brasilien ein Dekret, welches die Territorien dieser Gemeinschaften als "notwendige Lebens- und Wirtschaftsräume" anerkennt. Doch die monokulturelle Land- und Weidewirtschaft sowie Bergbau- und Energieprojekte machen den Gemeinschaften ihre Territorien zunehmend streitig. Die HEKS-Partnerorganisation CAA begleitet traditionelle Bevölkerungsgruppen im Cerrado beim Kampf um ihre Landrechte sowie bei der Ausarbeitung von nachhaltigen Nutzungsplänen für die gemeinsam genutzten Gebiete.   

Älter als die Eidgenossenschaft

Die Geschichte der Oberallmeindkorpo ration Schwyz, kurz OAK, geht bis ins 7. Jahrhundert zurück, als die Alemannen in die Region einwanderten und die Gebiete um ihre privaten Grundstücke gemeinwirtschaftlich nutzten. Es brauchte Regeln, etwa Bannwarte im Wald, die darauf achteten, dass niemand zu viel Brennholz für sich beanspruchte. 1114 wurde die Korporation erstmals urkundlich erwähnt, und zwar im Zusammenhang mit einem Landstreit der genossenschaftlich organisierten Schwyzer mit dem Kloster Einsiedeln. Der Streit endete 1350 – und gab dem Gebiet der OAK seine bis heute bestehenden Grenzen: Die Ländereien der OAK erstrecken sich wie ein riesiger Flickenteppich vom Muotatal bis Morgarten, vom Ybrig bis zum Vierwaldstättersee. Mit 24 000 Hektaren verwaltet die OAK heute rund einen Viertel der Fläche des Kantons Schwyz. Auf den gut 8000 Hektaren Alpweiden bietet die Korporation den Älplern und Bäuerinnen Sömmerungsplätze für rund 12 500 Tiere und im 9000 Hektaren grossen Wald führt sie einen modernen Forstbetrieb. Und sie arbeitet konsequent nachhaltig. Felix Lüscher, Bereichsleiter Wald der OAK, macht an einer Feuerstelle im Wald Halt und zeigt seinen Besuchern einen Waldfunktionenplan, wie er in der Schweiz üblich ist. "Der Wald hat bei uns vor allem drei Funktionen: Er dient der Holzproduktion, er schützt vor Naturgefahren wie Steinschlag oder Lawinen und er hat Wohlfahrtsaufgaben wie etwa Erholung oder Erhaltung der Biodiversität", erklärt Lüscher und deutet auf der Karte auf die verschieden eingefärbten, sich teils überlappenden Flächen, die die unterschiedlichen Ansprüche der Gesellschaft abbilden.

Darf man sammeln und jagen?

"Grundsätzlich haben in der Schweiz alle freien Zugang zum Wald", erklärt Lüscher. "Aber darf man Beeren sammeln?", fragt Carlos Dayrell von der HEKS-Partnerorganisation CAA, die traditionelle Gemeinschaften im brasilianischen Cerrado in ihrem Kampf um gemeinsam genutzte Territorien unterstützt. "Und wie sieht es aus mit der Jagd? Darf man Tiere schiessen? Und darf man bei der Aufforstung auch geklonte Arten pflanzen?" Dayrell staunt nicht schlecht, als ihn Lüscher über die vielen Gesetze und Vorgaben, die Waldbesitzer in der Schweiz zu befolgen haben, unterrichtet. "Das ist sehr vorbildlich", sagt er. "In Brasilien gibt es zwar auch viele Gesetze, aber deren Einhaltung wird kaum kontrolliert." "Ich bin Stammesführer der Xakriabà, ein indigenes Volk im Cerrado. Wir haben eine enge Beziehung zum Wald und zur Natur, aber wir sehen, dass sich unsere Jungen immer mehr davon abwenden. Für uns ist es schwierig, ihnen unsere Lebensweise und unsere Traditionen zu vermitteln", erzählt Hilário Correa Franco, der Mann mit dem Federschmuck, und fragt: "Habt ihr dieses Problem auch?" Lüscher ist nicht allzu erstaunt über diese Frage: "Ja, auch wir fragen uns: Wie können wir unsere jungen Bürger besser einbinden, ihnen die OAK näherbringen? Wie schaffen wir es, dass sie sich mit ihrer ‹Oberallmig› verbunden fühlen?"
Aktuell zählt die OAK rund 19 000 Mitglieder. Seit 1894 sind die Familiennamen der nutzungsberechtigten Korporationsbürger schriftlich festgehalten. Einkaufen kann man sich nicht, – das Bürgerrecht wird seit jeher vererbt – lange nur über den Vater, seit 2006 auch über die mütterliche Linie, was dazu führte, dass nun auch Namen wie De Nardi oder Dudle die Liste bereichern. Und welchen Nutzen haben die Korporationsbürger von  dieser Mitgliedschaft? "Früher war der Nutzen deutlich: Die Bauern durften ihr Vieh auf den Alpen der OAK sömmern und in den Wäldern eine festgelegte Menge Brennholz schlagen", erklärt Daniel von Euw, Agronom und OAK-Geschäftsführer. "Bis 2003 wurde auch Geld ausbezahlt. Heute, mit 19 000 Mitgliedern, gibt es kein Geld mehr. Die Bauern profitieren natürlich noch immer davon, dass sie ihr Vieh auf die Alpen auftreiben können. Alle anderen profitieren von Gratis-Aktionen, die die OAK ihren Bürgern jedes Jahr offeriert – etwa die Nutzung der Bergbahnen – oder von vergünstigten Baurechtszinsen auf OAK-Land."

Ein Blick in den Kuhstall

Von Euw ist gleichzeitig Bereichsleiter Alp und bringt die Gruppe in einem zweiten Teil auf die Ibergeregg und von da zum OAK-Alprestaurant "Zwäcken", pittoresker Ausgangspunkt für Wanderungen auf den Grossen Mythen. Werni Ruhstaller, aktueller Pächter, begrüsst die Delegation, zeigt ihnen die 25 Kühe, die auf der Alp gesömmert und von einem Älpler betreut werden. Die Milch kauft Ruhstaller der OAK ab und produziert in der Käserei Mutschlis für sein Alprestaurant.
Gemanagt wird die OAK heute ganz modern durch einen Verwaltungsrat, der die strategischen Entscheide fällt, und eine Geschäftsleitung, die ausführt. Das letzte Wort aber haben die Mitglieder: Die Korporationsbürger und -bürgerinnen treffen sich einmal im Jahr zur OAK-Landsgemeinde nach jahrhundertealter Tradition bei der hinteren Brücke zu Ibach und entscheiden dort per Handheben über wichtige Fragen, die das gemeinsame Gebiet betreffen. "Etwas gemeinsam zu nutzen, heisst nicht, dass jeder Bürger einfach machen und sich das nehmen kann, was er will", sagt von Euw. "Es braucht Regeln, um das Gebiet nicht zu übernutzen – früher waren das mündliche Vereinbarungen, heute sind das die Statuten der OAK. Man nutzt zwar etwas gemeinsam, aber man muss aufeinander und auf die Natur Rücksicht nehmen."

Anderer Kontext – gleiche Herausforderungen

Dayrell ist beeindruckt. "Die Art, wie sie hier regionale Wertschöpfungsketten nutzen und wie sie zur Natur Sorge tragen, deckt sich genau mit unseren Wertvorstellungen und Zielen im Cerrado." Und auch hinsichtlich der wichtigen Rolle der Tradition sieht er eine Parallele. "Auch uns stellt sich die Frage, wie diese der nächsten Generation weitergegeben werden kann und wie sie gleichzeitig auch erneuert werden kann, um mit der Moderne Schritt zu halten."
Daniel von Euw kann das nur bestätigen: "Auch die OAK musste sich in ihrer über 900-jährigen Geschichte stets weiterentwickeln. Wir machen hier vor allem zwei Spagate: Einige unserer Bürger wollen alles gemäss Tradition machen, die anderen wollen Fortschritt. Einige wollen möglichst viel aus den Wäldern herausholen, die anderen sehen im Fällen jeder schönen Fichte einen Frevel. Die Oberallmeind musste schon immer eine Balance finden zwischen Tradition und Fortschritt, zwischen Nutzen und Schutz."
"Durch diesen Austausch haben wir gemerkt, dass wir trotz der geografischen Distanz gar nicht so weit voneinander entfernt sind", sagt Dayrell auf dem Rückweg von der Alp zum wartenden Minibus. "Das ist faszinierend und schön. Natürlich, die OAK bewegt sich in einem ganz anderen Umfeld. Sie wird von der Regierung anerkannt, darf ihren Besitz eigenständig verwalten. Wir kämpfen noch immer um die Anerkennung unserer gemeinsam genutzten Territorien. Die OAK hat diesen Kampf bereits vor Jahrhunderten durchgestanden und hat es geschafft, dieses Erbe bis heute hochzuhalten."

Gemeinsame Landnutzung in HEKS-ProjektenIndien
Die Adivasi sind die Nachfahren der indischen Ureinwohner. Fast alle Adivasi leben in Stammesgemeinschaften auf dem Land, meist in isolierten Wald- und Bergregionen, wo sie Landwirtschaft betreiben und Waldprodukte sammeln. Die um 1970 entstandenen Forstgesetze zum Schutz des Waldes haben das Land der Adivasi jedoch Stück für Stück zum Staatsbesitz erklärt. Der Staat wiederum vergibt das Land für Grossprojekte wie Staudämme, Bergwerke, Industrie oder Plantagen – die Adivasi müssen weichen. Im Jahr 2006 verabschiedete das indische Parlament den "Forest Rights Act", ein Gesetz, dank dem Adivasi Landtitel für das von ihnen besiedelte und bebaute Forstland erhalten können und Waldprodukte nutzen dürfen. Die HEKS-Partnerorganisation Pragati unterstützt die Adivasi bei der Einforderung ihrer Rechte – aber auch bei der späteren Bewirtschaftung des Landes und beim Aufbau von Wertschöpfungsketten.
Niger
Neben sesshaften Bauernfamilien leben in Niger auch nomadisierende Viehzüchter. Niger verabschiedete bereits 1993 den "Code Rural", ein Rahmengesetz, das auch Räume für die Viehzucht sichert. Doch die Umsetzung ist problematisch: Aufgrund der wiederkehrenden Dürren und des Bevölkerungswachstums erden die natürlichen Ressourcen immer knapper und die Ackerbauern halten Durchzugswege und Weideflachen für Viehzüchter nicht mehr frei. Das HEKS-Projekt Zamtapo arbeitet daher mit der ländlichen Bevölkerung an der Umsetzung des "Code Rural": Ackerbauern und Viehzüchter werden bei der gemeinsamen Aushandlung und klaren Markierung von Durchgangskorridoren und Weideflächen für Viehherden unterstützt. Zudem wird der Aufbau von Landkommissionen gefördert, die die Nutzung des Landes kontrollieren und Landkonflikte schlichten. Dadurch werden insbesondere auch die Rechte der nomadisierenden Viehzüchter gestärkt.
Brasilien
"Traditionelle Gemeinschaften" in Brasilien definieren sich nicht nur über eine gemeinsame ethnische Abstammung, sondern vielmehr über eine spezifische Wirtschaftsweise in einem gemeinsam genutzten Territorium. So gibt es etwa die Gemeinschaft der Kautschukzapfer, diejenige der Blumenpflücker oder der Kokosnusssammler. Seit 2007 gibt es in Brasilien ein Dekret, welches die Territorien dieser Gemeinschaften als "notwendige Lebens- und Wirtschaftsräume" anerkennt. Doch die monokulturelle Land- und Weidewirtschaft sowie Bergbau- und Energieprojekte machen den Gemeinschaften ihre Territorien zunehmend streitig. Die HEKS-Partnerorganisation CAA begleitet traditionelle Bevölkerungsgruppen im Cerrado beim Kampf um ihre Landrechte sowie bei der Ausarbeitung von nachhaltigen Nutzungsplänen für die gemeinsam genutzten Gebiete.