Was ist fairunterwegs und was macht ihr genau?

fairunterwegs ist das Engagement für eine Reisekultur, die für einen achtsamen und verantwortungsvollen Umgang mit den kostbaren Ressourcen des Planeten und den Menschen in ihren Lebensräumen pflegt – unterwegs wie zuhause. Auf fairunterwegs.org, dem einzigartigen Non-Profit-Portal, geben wir Reisenden und der Branche griffige Tipps, wie sie diese Reisekultur praktisch umsetzen können. Anhand von soliden Hintergrundinformationen über die Gastländer und Tourismustrends zeigen wir, weshalb das Engagement für verantwortungsvolles Reisen so wichtig ist.
Hinter fairunterwegs.org steht der arbeitskreis tourismus & entwicklung, die Schweizer Fachstelle, die seit bald 40 Jahren den weltweiten Tourismus aus entwicklungspolitischer Sicht kritisch beleuchtet, Öffentlichkeit und Reisende sensibilisiert und im kritischen Dialog mit der Branche auf faire Beziehungen im Tourismus hinwirkt. 

Wie finanziert ihr euch?

Der Verein arbeitskreis tourismus & entwicklung stützt seine Tätigkeiten auf eine möglichst breit gefächerte Finanzierung ab, die die Unabhängigkeit von Einzelinteressen, insbesondere auch der Branche, gewährleistet und damit die Glaubwürdigkeit der Arbeit sichert. Rund ein Viertel der Einnahmen stammen aus Mitgliederbeiträgen, ein weiteres Viertel von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit aufgrund eines Dreijahresvertrags, ein weiteres Viertel aus Gönnerbeiträgen von Stiftungen, Kirchgemeinden und Einzelpersonen. Das restliche Viertel wird mit dem Verkauf von Leistungen erwirtschaftet, zum Beispiel Lehraufträgen in der Fachausbildung oder Kooperations- und Projektpartnerschaften rund um das Reiseportal fairunterwegs.org. Die Finanzierung der tourismuskritischen Arbeit bleibt sehr prekär: Heute herrscht zwar einhellig die Meinung, dass diese Arbeit sehr wichtig sei, doch die Bereitschaft, dafür zu bezahlen, ist sehr gering. So trägt die Privatwirtschaft nur gerade 8% zum Jahresbudget bei, dabei die Tourismusbranche klägliche 5%. 

Wie schätzt du das Potenzial von Volunteer Reisen für eine nachhaltige Tourismusentwicklung ein und wo liegen die Herausforderungen? 

Das Interesse vieler Jugendlicher, aber auch älterer Menschen, anders zu reisen und unterwegs in einem Projekt mitzuarbeiten, ist ein ganz wertvolles Potenzial für die Sensibilisierung auf entwicklungspolitische Zusammenhänge und andere Lebensrealitäten, insbesondere auch von benachteiligten Menschen, und für andere, verantwortungsvollere Reiseformen. Doch Volunteer Reisen können, wie dies noch viel zu oft geschieht, nicht einfach mit nachhaltigem Tourismus gleichgesetzt werden – das zeigen unsere Untersuchungen der vielen Missstände, die sich im Zuge des boomenden Voluntourismus und der flexiblen, ungeregelten Freiwilligeneinsätze ergeben (siehe Studie: Vom Freiwilligendienst zum Voluntourismus von Tourism Watch-Brot für die Welt, ECPAT Deutschland und arbeitskreis tourismus & entwicklung 2015). Die Herausforderungen sind vielfältig: In erster Linie muss ein Volunteer Einsatz von der Ausschreibung an als Lernerfahrung für die Einsatzleistenden positioniert werden, nicht als Hilfe, womöglich gar „Entwicklungshilfe“. Die Einsatzleistenden müssen nach klaren Kriterien der Qualifikation für den Einsatz ausgewählt, solid vorbereitet und vor Ort eng begleitet werden. Ganz entscheidend ist, dass das Einsatzprojekt die Mitarbeit von Volunteers mitbestimmt und davon profitieren kann. Klare Qualitätskriterien für Volunteer Reisen müssen dringend erarbeitet und von den Anbietern der flexiblen Einsätze – seien sie nun aus dem kommerziellen Sektor oder dem Bereich der Jugendaustausch-Organisationen – aufgenommen werden. 

Corporate Social Responsibility (CSR) ist zurzeit ja in aller Munde: Welche Rolle spielt CSR bei kommerziellen Voluntourismus Anbietern? 

CSR im Sinne des freiwilligen Beitrags eines Voluntourismus Anbieters zur verantwortlichen Ausgestaltung des Angebots ist sicher eine unabdingbare Voraussetzung. Dies nicht allein für die sogenannt kommerziellen Anbieter, sondern auch für das breite Spektrum der sogenannt Non-Profit Anbieter von flexiblen Freiwilligeneinsätzen. Die Corporate Responsibility muss im Bereich des Voluntourismus auch die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht umfassen – dies mit klaren Kriterien zum Schutz von benachteiligten Bevölkerungsgruppen wie etwa Kindern, Frauen, Indigenen. Die Verantwortung muss sich auch auf den Umgang mit Wildtieren und bedrohter Artenvielfalt erstrecken, wo im Voluntourismus ebenfalls Missstände zutage gekommen sind. Wie weit die freiwilligen Verpflichtungen der Anbieter greifen, ist immer nur schwer nachprüfbar. Die Frage drängt sich auf, ob nicht gerade im Bereich des Kinderschutzes auch gesetzliche Regelungen notwendig sind.

Welche 5 Tipps würdest du einem jungen Menschen vor dem ersten Freiwilligeneinsatz mit auf den Weg geben? 

I) Erste große Frage: Was ist deine Motivation? Was willst du? Hast du effektiv genügend Zeit und Ansporn, dich auf eine neue Realität einzulassen und davon zu lernen?
II) Wie wählst du deinen Einsatzort? Was weißt du vom Projekt? Wollen die dich wirklich? Welche Qualifikation bringst du mit? Was erwarten die von dir und was kannst du dort tun?
III) Welchen Anbieter wählst du und wie bereitest du dich konkret vor? Bietet dir dein Anbieter Vorbereitungskurse? Was kannst du wie in Erfahrung bringen über deinen Einsatzort und die Lebensrealitäten der Menschen?
IV) Wie wirst du unterwegs begleitet?
V) Was machst du mit deinem Erfahrungsschatz am Ende des Einsatzes? Wie lässt du andere Interessierte daran teilhaben? Wie bleibst du mit deinem Einsatzprojekt in Verbindung? Was kannst du zurück im Alltag für das Projekt weiter tun? 

Was bedeutet für dich „tieferes Reisen“? 

Euer Slogan „tiefer – länger – nachhaltiger“ leuchtet ein, allerdings erschliesst sich dieses „tiefer“ nicht auf Anhieb. Ihr meint wohl ein „tieferes“ Eintauchen in fremde Lebenswelten? Das birgt aber auch die Gefahr der Penetranz. Was meinen die Gastegebenden, wie „tief“ sie sich auf fremde Besuchende einlassen wollen? Wir setzen eher auf Begriffe wie „langsamer“ oder „verantwortungsvoller“ in Verbindung mit „länger“ und „nachhaltiger“, was aber zugegebenermassen auch nicht gerade sexy ist in der heutigen quirligen schnelllebigen Welt.
Eure DeepTravel-Website ist auf jeden Fall eine sehr willkommene und hilfreiche Initiative – wir müssen unsere gegenseitige Verlinkung ausbauen! 

Was habt ihr in Zukunft vor? 

Vor uns steht 2017 – von der UNO zum Internationalen Jahr des nachhaltigen Tourismus für Entwicklung ernannt. Das hält uns voll auf Trab, eine willkommene Gelegenheit, den Beitrag des Tourismus zu einer effektiv nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 konkret einzufordern. Mit unseren Forderungen für eine radikale Tourismuswende (siehe Publikation: Tourismuswende von Tourism Watch-Brot für die Welt, TourCert und arbeitskreis tourismus & entwicklung 2016 ) stehen wir allerdings – so ist zu befürchten – den Bestrebungen der Tourismuspromotoren, allen voran der UN-Welttourismusorganisation (UNWTO), ziemlich entgegen, plädieren diese doch in erster Linie für die Förderung des Tourismus als vielversprechender Entwicklungsmotor. Es ist jetzt an uns im Verbund mit unsern Partnern aus Süd und Nord, eindringlich klar zu machen, wie ein Tourismus auszusehen hat, der effektiv zur nachhaltigen Entwicklung beiträgt, die Rechte der Menschen in den Zielgebieten wahrt und auch ihnen neue Perspektiven für eine zukunftsfähige Entwicklung ermöglicht.