Birhan Tesfaw, Tourguide in Äthiopien

"Wenn jemand in Europa erzählt, er reise nach Äthiopien, sagen seine Freunde, er sei verrückt, dort herrsche doch Hunger und Not. Viele haben keine Ahnung, was für eine reiche Kultur wir haben und wie das moderne Äthiopien aussieht. Das stört mich. Die Leute, die hierherkommen, schicken Fotos heim, so ändert sich das Bild langsam. Aber wir müssen noch immer aktiv daran arbeiten, damit das endlich passiert. Dass die Touristen so viel fotografieren, finde ich gut, die Menschen in anderen Ländern sollen sehen, wie wir leben.
Ich finde, Touristen sollten sich vorab über ihr Reiseland und über die kulturellen Regeln dort informieren. Damit sie etwa hier in den Kirchen von Lalibela nicht mit Kleidern herumlaufen, die die Gläubigen beleidigen. Sie sollten respektieren, was wir Guides ihnen sagen, aber manche denken, weil sie Eintritt bezahlt haben, könnten sie machen, was sie wollen. Manche beklagen sich auch, dass hier überhaupt Eintritt verlangt wird, das seien doch Gotteshäuser. Aber Äthiopien muss seine Kulturgüter unterhalten können. Manchmal sind es aber auch wohlhabende Äthiopier, die im Ausland leben, die das Gefühl haben, sie seien jetzt zivilisierter als wir, wüssten alles besser und müssten sich nicht an Anweisungen halten. Würden sich alle Reisenden vorbereiten, müssten wir nicht jede Minute diskutieren, das ruiniert doch den Besuch dieses schönen Ortes.
Ein echtes Problem in Lalibela sind die bettelnden Kinder, die den Touristen folgen. Ich sage den Gästen immer wieder, sie sollen den Kindern auf keinen Fall etwas geben, aber dann machen sie es doch. Damit tun sie den Kindern überhaupt keinen Gefallen, wer bettelnd zu Geld kommt, geht oft nie mehr zur Schule. Die Kinder haben ohne Bildung später keine Chance. Auch als ich klein war, sind einige Gleichaltrige den Touristen hinterhergelaufen, jetzt sind sie erwachsen und viele von ihnen sind auch heute arbeitslos und ohne Perspektive. Wir müssen unbedingt etwas unternehmen. Mir ist es ein grosses Anliegen, diese Kinder von der Strasse zu holen, ich bin in lokale Initiativen involviert, um ihnen zu helfen.
Der Tourismus ist aber auch eine Chance für die Region, viele Junge gehen – anders als in anderen Landesteilen – nicht von hier weg, sondern werden zum Beispiel Tourguides. Wir sind etwa 100 lizenzierte Führer hier, wir alle haben eine Qualifikationsprüfung abgelegt. Damit immer auch die lokale Gemeinschaft profitiert, verpflichtet die Stadt Gruppen, die mit einem Reiseleiter aus ihrem Land unterwegs sind, einen lokalen Guide zu nehmen. Das ist gut so."

Birhan Tesfaw, 34, ist in Lalibela aufgewachsen, hat Tourismus studiert und arbeitet hier seit zehn Jahren als Touristenführer. Lalibela (38’000 EinwohnerInnen und ebenso viele TouristInnen im Jahr) ist berühmt für seine Felsenkirchen aus dem 12. Jahrhundert. Birhan Tesfaw arbeitet fest für ein Hotel und bietet daneben selbständig Touren an, bald will er eine eigene Agentur eröffnen. 

Birhan Tesfaw, 34, ist in Lalibela aufgewachsen, hat Tourismus studiert und arbeitet hier seit zehn Jahren als Touristenführer. Lalibela (38’000 EinwohnerInnen und ebenso viele TouristInnen im Jahr) ist berühmt für seine Felsenkirchen aus dem 12. Jahrhundert. Birhan Tesfaw arbeitet fest für ein Hotel und bietet daneben selbständig Touren an, bald will er eine eigene Agentur eröffnen.