Den Tourismus in seine Schranken weisen
Tourismus als bestimmender Faktor in der ländlichen Entwicklung
Lange Zeit wurde der Einfluss des Tourismus auf die Entwicklung im ländlichen Raum ausser Acht gelassen. Dabei hat die rapide Ausbreitung des Tourismus inzwischen auch weit abgelegene Gebiete erreicht. Die Annahme, ein durch den Tourismus erzieltes Wirtschaftswachstum käme allen sozialen Schichten gleichermassen zu Gute, hat sich nicht bewahrheitet. Denn die Realität im ländlichen Raum ist vielschichtiger und komplexer als gemeinhin angenommen.
Das neu erschienene Buch "Turistas y campesinado – el turismo como vector de cambio de las economías campesinas en la era de la globalización" (übersetzt: Touristen und Bauern – Tourismus als Vektor der Veränderung bäuerlichen Wirtschaftens in Zeiten der Globalisierung) der Autoren Jordi Gascón und Diana Ojeda hat zum Ziel, diese Lücke zu füllen. Gascón ist Professor für Anthropologie und beschäftigt sich seit langem mit ländlicher Entwicklung. Gemeinsam mit der Geografin und Fachfrau für sozioökologische Konflikte Ojeda analysiert er die Rolle des Tourismus für den ruralen Raum und die bäuerliche Gesellschaft. Dabei ziehen sie nicht allein die Flächen in Betracht, die der Tourismus mit seinen Infrastrukturen beansprucht. In ihrer Analyse berücksichtigen sie auch die riesigen Ländereien, die heute für die Produktion von Agrotreibstoffen und Klimakompensationen genutzt werden, denn genau diese werden als Voraussetzung für das weitere ungebremste Wachstum des Tourismus gehandelt. Mittels konkreter Fallbeispiele illustrieren sie, wo und auf welche Weise derzeit Tourismus den Wandel im ländlichen Raum bestimmt. Sie entwerfen ein Handlungsmodell, wie ein erfolgreiches Zusammenspiel von Tourismus mit sozialverträglichen, rentablen und ökologisch nachhaltigen Agrarsystemen aussehen könnte.
Jordi Gascón, Diana Ojeda: Turistas y campesinado – el turismo como vector de cambio de las economías campesinas en la era de la globalización. Colección PASOS edita, N°12, 2014.
Wachstum ist der falsche Weg
Kein anderer Wirtschaftszweig ist in den letzten sechzig Jahren schneller gewachsen als der Tourismus. Und bisher konnte keine Krise diesen Trend aufhalten. Das schnelle Wachstum und die Fähigkeit, sich auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erfolgreich zu behaupten, haben der Tourismusindustrie den mythischen Ruf eingebracht, ein effizienter Motor für Entwicklung zu sein. Schaut man sich jedoch die Realität einmal näher an, entpuppt sich dies schnell als Trugbild.
Das Buch "El turismo en el inicio del milenio. Una lectura crítica a tres voces" (übersetzt: Der Tourismus zu Beginn des Jahrtausends. Eine kritische Lektüre dreier Stimmen) der Autoren Joan Buades, Ernest Cañada und Jordi Gascón demontiert mit Hilfe von Forschungsdaten und Fallanalysen das Ideal vom "guten Wachstumsmotor Tourismus". Die drei Autoren gehören zu den heute fundiertesten Tourismuskritiker, die einen politischen Kompromiss zwischen Tourismusentwicklung und sozialer Gerechtigkeit fordern. Das Buch besteht aus einer Sammlung von Texten, die über die letzten Jahre publiziert wurden. Sie alle zeigen auf, dass die eigentliche Basis des Wachstums im Tourismussektor in der Externalisierung soziokultureller und ökologischer Kosten fusst. Daraus resultieren gravierende Konflikte um Ressourcen – ein irreversibler Schaden.
Joan Buades, Ernest Cañada, Jordi Gascón: El turismo en el inicio del milenio. Una lectura crítica a tres voces. Colección Thesis 3, Madrid 2012.