Der alternative Drittwelthandel steigt ins Reisegeschäft ein
Die Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt mbH (gepa) in Schwelm, Deutschland wird zukünftig in der Reisebranche tätig sein. Anlass, «gepa fair travel» ins Leben zu rufen, war die zunehmende Nachfrage von Seiten der Handelspartner im Süden. Die gepa bietet ab Herbst Reisen zu ihren HandelspartnerInnen in Kenia, Südafrika, Zimbabwe, Tanzania, Mexiko, Peru, Chile und auf den Philippinen an. Durchgeführt wird das Reiseprogramm, das in enger Zusammenarbeit mit den HandelpartnerInnen entwickelt worden ist, von zwei mittelständischen Reiseveranstaltern: Wikinger Reisen (Hagen) und NaTour Umweltreisen (Köln). Mit dem Einstieg ins Reisegeschäft soll für die gepa‑ProduzentInnen eine zusätzliche Einkommensquelle erschlossen werden. Neben der engeren KundInnenbindung und einem verbesserten Absatz für die bisher über die Dritte Welt Laden vermarkteten Produkte erhoffen sich die InitiatorInnen ein vertieftes Verständnis der TouristInnen für die Arbeits-, und Lebenswirklichkeiten der gepa-PartnerInnen. Die gepa will mit den Reisen die KundInnen näher an die kulturellen und wirtschaftlichen Traditionen der ProduzentInnen heranführen als es mit den bisherigen Projektinformationen möglich war. Das grösste europäische Unternehmen für fairen Handel mit der «Dritten Welt» plant Gruppenreisen von maximal zwei bis drei Wochen, wobei 10 bis 14 Tage bei den Familien der ProduzentInnen verbracht werden. Nach der Ankunft ist für die 8‑ bis 12‑köpfige Gruppen eine kurze Eingewöhnungsphase von 2‑3 Tagen vorgesehen, bevor die TouristInnen dann zu den Familien weiterreisen. Ein Sensibilisierungsseminar vor der Abreise ist aus Kostengründen nicht geplant. Zunächst ist eine Probephase von zwei Jahren vorgesehen, während der mit Testreisen, die nur direkt bei der gepa zu buchen sind, das Konzept überprüft werden soll. Ausgerichtet auf überdurchschnittlich gebildete jüngere Leute mit besonderem Interesse an Begegnungen mit Menschen in der «Dritten Welt», rechnet sich gepa fair travel gute Chancen für ihr Reiseprogramm aus, wenn eine Reise nicht mehr als 4000 DM kostet. Da die Finanzierung der Programmentwicklung vor Ort noch nicht gesichert ist, werden Sponsoren aus der Markenartikelbranche gesucht. Die gepa, die selbst ihre Stärke in den über lange Zeit aufgebauten Handelsbeziehungen sieht, kann mit dem fair travel Konzept nicht völlig überzeugen. Den soziokulturellen und ökologischen Auswirkungen des Projekttourismus wird nicht ausreichend Rechnung getragen. Flugreisen sind ökologisch wenig sinnvoll, auch wenn edle Motive sie veranlassen. Und ob gewünscht oder nicht, Tourismus verändert auch Bräuche und Einstellungen. Die gepa glaubt, dass die ProduzentInnen vor Ort selbstbewusst genug seien, um den vielfältigen Veränderungsprozessen durch Tourismus widerstehen zu können, obwohl bis auf die Kaffeebauern am Kilimandscharo alle ProduzentInnengruppen noch nie mit dem Tourismusgeschäft konfrontiert waren. Ausserdem hegt die gepa die Hoffnung, der gepa-Kunde, bzw. die gepa‑Kundin sei per se ein, bzw. eine sozialverantwortliche(r) TouristIn. Eine Eigenschaft, die durch den Kaffeekauf im Dritte‑Welt‑Laden nicht unter Beweis gestellt werden kann. Die bisherigen Studien aus der Tourismusforschung kommen bei Gruppenreisen in «unberührte» Gebiete zu weitaus weniger optimistischen Ergebnissen. Verdächtig hartnäckig wurden die Begriffe Tourismus und Touristen aus dem gepa fair travel Konzept verbannt, als ob dadurch Auswirkungen des Tourismus ungeschehen gemacht werden könnten.
Mechtild Maurer, freie Journalistin, Freiburg i. Br.