Schon früh hat die albanische Regierung unter Ministerpräsidenten Edi Rama auf die ersten Covid-19-Fälle reagiert: Das Land wurde abgeriegelt, die Bewegungsfreiheit eingeschränkt, Landes- und Seegrenzen wurden für den Individualverkehr geschlossen. Ein Rettungspaket soll die Wirtschaft stützen.

In Albanien sind 25 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Tourismus tätig; die Branche und ihre Zulieferer tragen 27 Prozent zum Bruttoinlandprodukt bei. In einzelnen Regionen zählt der Tourismus schon jetzt zu den einzigen wichtigen Arbeitgebern neben der Landwirtschaft. Während das Land 2005 erst eine halbe Million ausländische Reisende zählte, waren es 2018 fast sechs Millionen. Daher wird der Wirtschaftszweig durch die Regierung verstärkt gefördert. Das zeigen Infrastrukturprojekte wie der Neubau des Flughafenterminals in der Hauptstadt Tirana, der Ausbau des Strassennetzes und der Häfen. Doch jetzt, während der Coronakrise, fehlen die Massentouristinnen und -touristen. Das hat Folgen. 

Die Schwächen des Massentourismus

Unternehmen, die auf Massentourismus setzen, haben hohe Fixkosten. Weil sie auf die Hochsaison setzen, müssen sie in diesen wenigen Monaten das Geld für die Kosten hereinholen, die das ganze Jahr über für Infrastruktur und Unterhalt anfallen. Der Kostendruck ist hoch, denn wer organisiert an Massenreisen teilnimmt, schaut erfahrungsgemäss auf den Preis.

Entsprechend sind die Jobs, die der Massentourismus generiert, meist befristet und prekär. Die meisten Unternehmen sind zudem vertraglich oft an nur wenige internationale Reiseveranstalter gebunden, die die Auslastung gewähren sollen. Diese können entsprechend den Preis drücken. All diese Faktoren führen dazu, dass Massenreiseveranstalter mit geringen Gewinnspannen arbeiten und von einem bestimmten Kundensegment abhängig sind.

Corona hat nun zur Folge, dass in Albanien für 2020 bislang über fünf Millionen Übernachtungen storniert wurden. Personalabbau und Konkurse dürften die Folge sein – auch bei Branchen, die zuliefern. Der Premierminister prognostizierte im Juli einen Einnahmenverlust von mehr als einer halben Million Euro im laufenden Jahr. Die am stärksten betroffenen Sektoren seien Tourismus, Transport und Handel. 50’000 Arbeitsplätze sind durch die Krise bereits verloren gegangen.

Die Widerstandskraft nachhaltiger Tourismusangebote

Im Gegensatz dazu haben Reiseveranstalterinnen und Veranstalter für nachhaltigen Tourismus tiefere Fixkosten und einen vielfältigeren Kundenstamm. "Die meisten unserer Kunden sind Skandinavier, Amerikaner, Briten, Schweizer, Deutsche, einige Italiener, Spanier und Lateinamerikaner. In den letzten Jahren haben wir auch begonnen, Kunden aus Australien zu gewinnen", sagt Elton Çaushi vom kleinen Reiseunternehmen Abanian Trip, das mit Helvetas zusammenarbeitet. 

Kundinnen und Kunden, die nachhaltig reisen wollen, legen mehr Wert auf die Qualität des Erlebnisses als auf einen tiefen Preis. Sie reisen nicht nur in der Hauptsaison, sondern auch im Frühling und im Herbst. Laut Çaushi verschoben viele seiner Kundinnen und Kunden ihre für 2020 geplante Reise, statt sie abzusagen. "Alle unsere Schweizer Kunden, die für das Frühjahr absagten, liessen ein Fenster für Reisen im September und Oktober offen."

Kommt hinzu, dass die verschiedenen Zulieferer und Partner von nachhaltigen Reiseveranstaltern langfristige Geschäftsbeziehungen pflegen. Die meisten Partner von Çaushi sind kleine Familienbetriebe auf dem Land. "Sie betreiben immer auch noch Landwirtschaft und haben andere Einkommensquellen. So werden sie die Krise überleben." Diese lokale und langfristige Zusammenarbeit garantiert, dass die Gewinne aus dem Geschäft im Land bleiben, statt in die Taschen der Grossveranstalter im Ausland zu fliessen. Das heisst nicht, dass Tourismuspartner wie Albanian Trip keine Schwierigkeiten haben: Aufgrund ihrer bescheidenen Grösse fehlt es oft an Ressourcen und Reserven. Aber sie haben oft Alternativen wenn sie offen sind dafür – und die richtige Unterstützung erhalten.

Deshalb ist es bei Projekten, die über Tourismus eine nachhaltige Entwicklung fördern, wichtig, die Behörden auf allen Ebenen miteinzubeziehen. Im konkreten Fall müssen kleine Reiseveranstalter wissen, wie sie an Geld aus dem Rettungsschirm kommen, wenn ein solcher zur Verfügung steht. Zudem sollte die nationale Regierung aus der Krise lernen und vermehrt nachhaltige Tourismusprojekte statt Massentourismus fördern. Wie Çaushi im Gespräch über seine ländlichen Lieferanten erwähnt, "ist dies eine Chance für sie, ihre Logistik und ihr Abfallmanagement in den Griff zu bekommen" – beides sind Bereiche, mit denen sich andere DEZA-Projekte in der Region befassen und in denen Risi funktionieren könnte. Und warum nicht auch Möglichkeiten rund um die virtuelle Realität für den Tourismus ausloten? 

Projekt Risi Albania

In Albanien fehlen Arbeitsplätze, insbesondere für Jugendliche, obwohl die albanische Wirtschaft wächst. Mit dem innovativen Jugendbeschäftigungsprojekt RisiAlbania fördert Helvetas die Arbeitsmarktentwicklung vor Ort in verschiedenen Branchen. Ziel ist es, die Beschäftigungsmöglichkeiten für junge albanische Frauen und Männer zu verbessern. Dazu gehören Ausbildungen, die von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern nachgefragt werden, ein starker Privatsektor und eine verbesserte Arbeitsvermittlung.

Da auch im Tourismus eine dringende Nachfrage nach kompetenten Arbeitskräften besteht, verbessern Anbieter ihre Ausbildungen mit Hilfe von RisiAlbania. Im Tourismus zielt das Projekt darauf ab, die Verbindungen zwischen Unternehmen, Reiseveranstaltern und der lokalen Regierung in Südalbanien zu stärken, um Jobs zu schaffen.

RisiAlbania ist ein Projekt der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA, das von Helvetas und Partnern in Albanien und in Zusammenarbeit mit dem albanischen Finanz- und Wirtschaftsministerium durchgeführt wird.