Der fairunterwegs-Koffer ärgert sich:
Basel, 02.12.2010, akte/ Der fairunterwegs-Koffer staunte nicht schlecht, den Reiseveranstalter Wilderness Safari am Pranger der umtriebigen Menschenrechtsorganisation Survival International zu finden: Wilderness Safari eröffnete letztes Jahr ein Safaricamp auf dem Land der Buschleute im Central Kalahari Game Reserve in Botswana. Zum Camp gehören unter anderem eine Bar und ein Swimmingpool – ein Frevel, so Survival, denn gleichzeitig verwehrt die Regierung den Buschleuten der Kalahari den Zugang zu Wasser und Nahrungsmitteln in ihrem angestammten Lebensraum.
Ausgerechnet Wilderness Safari, wundert sich der fairunterwegs-Koffer! Der Reiseveranstalter hat dieses Jahr gleich zwei Preise für best practice im Tourismus abgeräumt: den Equator Price 2010 für hervorragende Bemühungen bei der Armutsverminderung durch Naturschutz im Pafuri Camp, einer Zusammenarbeit des Veranstalters mit der Makuleke Community im nördlichen Teil des Krüger Nationalparks in Südafrika. Und den Condé Nast Traveler World Savers Award 2010 für das innovative HIV/AIDS-Präventionsprogramm in sieben Ländern. Ausserdem war der Veranstalter bei den drei Finalisten für den Tourism for Tomorrow Award 2010, der best practice-Beispiele von verantwortlichem Tourismus auszeichnet. Wilderness Safari hat in Botswana, Namibia, Zambia, Malawi, Simbabwe, Südafrika und den Seychellen insgesamt 30’000 Quadratkilometer Land in Besitz genommen, dass es schützen und touristisch nutzen will. Zu seinem Profil unternehmerischer Verantwortung gehören nebst dem Tierschutz auch ökologische Sensibilisierungsprogramme für Kinder, Ausbildungs- und Stellenangebote für die lokale Bevölkerung, Gesundheitsinitiativen sowie natürlich Energie- und Wassersparen in den Safari-Camps.
Die San – aus dem Land ihrer Vorväter vertrieben
Mitten in Botswana, dem Land nördlich von Südafrika, liegt das Central Kalahari Game Reserve (CKGR). Es ist mit 52’800 Quadratkilometern um 11’000 Quadratmeter grösser als die Schweiz und wurde 1961 noch unter der Kolonialherrschaft der Briten zu einer Art Biosphärenreservat. Ziel war es, den seit Jahrtausenden dort ansässigen San-Buschleuten ihre traditionelle Lebensweise als Jäger und Sammler weiter zu ermöglichen und den Wildbestand zu schützen. Die San-Buschleute wanderten mit dem Wild den Niederschlägen nach und kannten das riesige Land mit seiner reichen Flora und Fauna wie ihre Westentasche. Als die ersten Weissen begannen, Wasserlöcher zu bohren, passten viele San ihren Lebensstil an und wurden halb oder ganz sesshaft. Sie bauten Gemüse in kleinen Gärten an und hielten sich Schafe, Esel, Pferde und Hunde. Aufgrund von Dürreperioden und wegen neuer Strassen und Anlagen, welche die Wanderrouten der Tiere behinderten, nahm der Wildtierbestand bis in die 80er-Jahre stark ab. Die Europäische Union ermahnte die Regierung Botswanas, die Tiere besser zu schützen. Die ersten TouristInnen entdeckten die Schönheit des kargen Landes.
Verheerend wirkte sich die Entdeckung von Diamanten durch die Firma de Beers aus. Von Regierungsseite wurde dieses Jahr inoffiziell bestätigt, was lange als offenes Geheimnis galt: Der Diamantenfund sei der eigentliche Grund gewesen, weshalb die Regierung Botswanas in den Achtzigerjahren beschloss, die San aus der CKGR umzusiedeln und die wirtschaftliche Nutzung des Gebiets zu fördern. Die rückständigen San, argumentierte die Regierung, sollen sich endlich entwickeln. Es begann eine leidvolle Geschichte für die Buschleute, die überredet, gedrängt, und gewaltsam gezwungen wurden, ihr Land zu verlassen. 2002 fuhr die Polizei in den Siedlungen der Buschleute der CKGR vor, zerstörte die Hütten, nahm die anwesenden Buschleute fest und fuhr sie in Umsiedlungslager. Gleichzeitig versiegelten sie das Wasserloch der San mit Zement, während andernorts Wasserlöcher für den ausschliesslichen Gebrauch der Wildtiere oder für Touristen gebohrt wurden. Auf ihrer eigenen Website iwant2gohome.org schreiben die Betroffenen: „Wir sind die Buschleute der CKGR, Botswana. Mit unseren Kindern sind wir etwa 1’000 Leute. Die Regierung hat uns aus dem Land unserer Vorväter vertrieben, jetzt leben wir in Umsiedlungslagern. Wir haben Probleme, die wir früher nicht kannten: Alkoholismus, Gewalt, HIV/AIDS. Viele von uns sterben in den Lagern. Wenn wir versuchen zu jagen oder zu sammeln, werden wir verhaftet und manchmal gefoltert.“
Ein bahnbrechendes Urteil wird nicht umgesetzt
Die San klagten gegen die Regierung – und erhielten im Dezember 2006 Recht. Das Oberste Gericht erklärte die Vertreibung aus dem CKGR, die Zerstörung des Besitzes und das Jagdverbot für die San als verfassungswidrig und menschenrechtsverletztend. Allerdings urteilte das Gericht auch, die Regierung sei nicht zur Verfügungstellung von Dienstleistungen wie Wasserlöcher verpflichtet. Bis heute foutiert sich die Vorzeigedemokratie Afrikas um das Urteil ihres obersten Gerichts und hindert die San an der Rückkehr in ihr Land. Die paar Hundert, die zurückgekehrt sind, leben in kärglichsten Verhältnissen und werden drangsaliert, wenn sie Wasser holen, Tiere jagen oder sich Tiere halten wollen.
Der Standpunkt von Wilderness Safari
Auf die Vorwürfe von Survival International reagierte Wilderness Safari mit einer siebenseitigen Stellungnahme. Darin stellt sich das Unternehmen auf den Standpunkt, dass es zu keiner Zeit unrechtmässig gehandelt und sich immer an die Gesetze und Vorgaben der Regierung gehalten habe. Es habe ausserdem die San unterstützt, etwa indem es insgesamt 28 San in seiner Ausbildungsstätte im Okavango-Delta ausgebildet habe. Nie habe jemand von Wilderness Safari verlangt, die Buschleute um Erlaubnis zu fragen. In einer Antwort auf die Stellungnahme weist Survival International allerdings darauf hin, die Organisation habe Wilderness Safari gleich nach der Ausschreibung ihres Camp-Projekts am 18. Mai 2008 aufgefordert, die Buschleute um Erlaubnis zu bitten – unabhängig davon, ob die Regierung eine Bewilligung erteile. Wilderness Safari macht weiter geltend, es sei verboten, das von der Regierung versiegelte Bohrloch wieder zu öffnen oder ein anderes Bohrloch für die San zu erstellen. Es sei nicht die Aufgabe des Unternehmens, sich in hängige Streitigkeiten zwischen Regierung und San einzumischen.
Die Pflicht zur Sorgfalt bei den Menschenrechtsfragen
Falsch! meint dazu der fairunterwegs-Koffer: Das Unternehmen hat bezüglich der Förderung und der Einhaltung von Menschenrechten eine Sorgfaltspflicht oder auf Englisch eine „due diligence“ zu beachten, die alle Folgen seiner Geschäftstätigkeit umfasst. Laut John Ruggie, dem UN-Sonderbeauftragten für Menschenrechte und multinationale Unternehmen, beginnt diese Sorgfaltspflicht mit dem Studium der Menschenrechtslage im Land, in dem ein Unternehmen es seine Geschäftstätigkeit aufnehmen will. Zur Zeit da Wilderness Safari das Camp-Projekt eingab, wusste das Reiseunternehmen, dass die Regierung die Menschenrechte der San verletzte – nicht nur, weil Survival International es darauf aufmerksam machte, sondern auch weil das Oberste Gericht die Regierungspolitik als menschenrechts- und verfassungswidrig beurteilt und der UNO-Beauftragte für die Rechte Indigener, James Anaya, diese Einschätzung bekräftigt hatte. Komplizenschaft bei Menschenrechtsverletzungen durch Regierungen und das Profitieren von solchen verletzen gemäss Ruggie ebenfalls die Pflicht der „due diligence“ – auch wenn auf dem internationalen Parkett noch darüber gestritten wird, ob diese Verletzung der Sorgfaltspflicht juristisch belangbar ist. Vor dem inneren Auge des fairunterwegs-Koffers zerfallen die schönen Preise für verantwortungsvollen Tourismus von Wilderness Safari zu Staub: Wilderness Safari ist Komplize der Regierung bei der Diskriminierung der San bezüglich der Wasserrechte und profitiert davon, dass die Regierung sich nicht um die traditionellen Landrechte der San schert – indem das Reiseunternehmen ungehindert grosse Landstücke für die touristische Erschliessung erwirbt, die eigentlich den San gehören, Landebahn, Swimmingpool, Duschen erstellt und den Touristen Besichtigungen von Dörfern der Buschleute verspricht. Ein vorbildliches Verhalten beim Tierschutz oder beim schonenden Umgang mit Ressourcen ist kein Ausgleich für die Verletzung der Sorgfaltspflicht im Bereich der elementarsten Menschenrechte!
Quellen: I want 2 go home www.iwant2gohome.org, aufgerufen am 01.12.2010; Menschenrechtsleitlinien für Unternehmen: Sonderbeauftragter Johne Ruggie veröffentlicht Entwurf, www.humanrights.ch/ Themendossiers/TNC/Sonderbeauftragter, aufgerufen am 01.12.2010; Botswana Tourism Board: Central Kalahari Game Reserve www.botswanatourism.co.bw/ attractions/ central kalahari game reserve, aufgerufen am 01.12.2010; Wilderness Safari: Conservation & Community www.wilderness-safaris.com/conservation, aufgerufen am 01.12.2010; Buschleute appellieren an Afrikanische Menschenrechtskommission, Survival International 19.11.2010; Displaced Bushmen Yearn For a Return to the Desert, The New York Times 15.11.2010; Survival responds to Wilderness Safaris 10.11.2010; Wilderness Safari Statement regarding Kalahari Plains Camp in the Central Kalahari Game Reserve 24.10.2010; Reiseunternehmen erhält Preis trotz Missachtung von Menschenrechten, Survival International 22.09.2010; Botsuanischer Regierungsbeamte gesteht: Buschleute wegen Diamanten vertrieben, Survival International 18.08.2010; Ehemalige UN-Beraterinfür wasserangelegenheiten verurteilt Botswanas Umgang mit Buschleuten, Survival International 05.08.2010; Sechs Kalahari Buschleute wegen Jagens festgenommen, Survival International 29.07.2010; Oberstes Gericht verweigert Buschleuten in Botswana Zugang zu Wasser, Survival International 21.07.2010; Buschleute dürfen Angehörigen kein Wasser in die Kalahari-Wüste bringen, Survival International 19.07.2010; Breaking News: Botswana Armee und Polizei dringen in das Reservat der Buschleute ein, Survival International 27.05.210; Bushmen mark eight years without water, Survival International 21.03.2010; UN-Bericht verurteilt Botswanas Umgang mit Buschleuten, Survival International 03.03.2010; Bushmen win landmark case, Survival International 13.12.2006 + Survival International Pressemappe zum Gerichtsurteil vom Dezember 2006 www.survivalinternational.org/news/kits/bushmencourtcase; John Ruggie: Protect, Respect and Remedy: a Framework for Business and Human Rights, Report of the SRSG on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, S. 6ff, http://daccess-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/G08/134/78/PDF/G0813478.pdf?OpenElement, 2008; James Suzman: Kalahari Conundrums. relocation, resistance and international support in the Central Kalahari Botswana, African Studies Centre, Cambridge University, 2002;
Weitere Informationen: www.survivalinternational.org/ueber/wilderness-safaris; www.wilderness-safaris.com;