Basel, 14.05.2009. akte/ Schweinegrippe, Finanzkrise, steigende Arbeitslosenquoten – dem fairunterwegs-Koffer wird ganz mulmig ob all den Krisen, und er hütet sein Portemonnaie sorgfältiger als sonst. Er ist etwas sensibler geworden – preissensibler, so wie viele andere Ferienhungrige, die finanziell nicht so gut gepolstert sind. Die Krise hat den Tourismus erreicht, die Buchungszahlen sind rückläufig, und Leistungsträger ebenso wie Reiseveranstalter lassen ihre Köpfe heiss laufen auf der Suche nach geeigneten Strategien zur Rettung ihres Geschäfts. Der Krisen gab’s ja schon mehr als genug in den letzten Jahren: 9/11, Sars, die Bali-Bomben, die Vogelgrippe, der Tsunami…. und die Rezepte sind immer wieder die gleichen: M-Travel Switzerland und Kuoni streichen Stellen, TUI setzt Anreize für den Bezug unbezahlter Ferien. TUI hat über 60’000 Preise nachverhandelt, auch Kuoni schnürt attraktive günstige Packages. Mit Schnäppchen soll die Sommersaison gerettet werden. Eine solche Bereitschaft nachzuverhandeln habe sie bei den Hoteliers noch nie erlebt, wird Marianne Häuptli jüngst in der Fachzeitschrift Schweizer Touristik zitiert. 

Mit altbekannten Mitteln gegen die Krise?

Das mag Balsam sein für die Herzen der Preissensiblen, aber der fairunterwegs-Koffer kann sich für solche Schnäppchen nicht erwärmen: „Das führt natürlich zu schlechteren Bedingungen bei den Leistungsträgern“, erklärt Emil Hager, Redaktor bei Schweizer Touristik. „Die Löhne werden heruntergefahren, Leute auf die Strasse gestellt.“ Sein Kollege vom Travel Manager, Beat Eichenberger, verweist auf die Entwicklung des Marktes: „Früher war es ein Verkäufermarkt. Die Nachfrage an Hotels war grösser als das Angebot. Jetzt ist es ein Käufermarkt: Wenn der Hotelier nicht auf seinen Zimmern sitzen bleiben will, muss er entgegenkommen.“ Trotzdem ist Eichenberger immer noch überzeugt, dass der Tourismus ein probates Mittel zur Armutsbekämpfung ist: „Stellen Sie sich die Inselgruppe Ko Samui in Thailand vor. Ohne Tourismus hätten die dort kein Einkommen und würden in die Slums der Städte abwandern.“ Er sieht die Krise als konjunkturelle Schwankung, die grundsätzlich nichts am Tourismusbusiness ändern wird, sondern die es mit den verfügbaren Strategien und möglicherweise der Erschliessung neuer Märkte möglichst gut durchzustehen gilt.

Der Tourismus hat die Krise mit verursacht

Ko Samui als Beispiel für geglückte Tourismusentwicklung? Das kann man auch anders sehen. So schreibt etwa Jana Simon, regelmässige Ko Samui Ferienreisende, in die Zeit: „Noch nie habe ich so viele Werbebroschüren von Immobilienfirmen gesehen wie in diesem Jahr. Für Westler ist es noch immer relativ billig, Häuser auf Koh Samui zu kaufen. Die Insel ist schicker und ärmer zugleich geworden. Mehr Miami, weniger Thailand.“ Wo sind denn die ganzen Einheimischen geblieben, die sich die Häuser nicht mehr leisten können? fragt sich da der fairunterwegs-Koffer. Etwa in den Slums der thailändischen Städte? In 46 der 50 ärmsten Länder ist Tourismus die Haupteinnahmequelle. Daran verdienen eine schmale Elite des Landes und die transnationalen Konzerne, während extrem niedrige Gehälter von oft weniger als zwei Dollar pro Tag für die im Tourismus Beschäftigten nicht selten sind.
Seine Partner in Thailand oder Brasilien berichten dem um Fairness besorgten Koffer in den letzten Jahren immer wieder von den Kämpfen der Lokalbevölkerung um ihr Land und ihre Ressourcen, die ihnen von Entwicklern spekulativer Tourismusprojekte strittig gemacht werden. Stehen einmal die Ferienanlagen, bleibt den Einheimischen aufgrund der steigenden Preise oft nur noch der Wegzug, oder die Anstellung zu prekären Bedingungen. Gerade in den letzten Jahren wurde viel Geld in spekulative Megaresorts investiert, für die ansässige Bauern oder Fischer Platz machen mussten. Der Tourismus war am spekulativen Immobilien/Finanz-Geschäft beteiligt und hat während der Boomjahre kräftig verdient. Für die Krise sollen jetzt die Angestellten geradestehen. Da fragt sich der fairunterwegs-Koffer: Wo sind denn die Gewinne der Boomjahre geblieben? Bei einer weitsichtigeren Planung gäbe es eine Kriegskasse für Krisenzeiten. Diese bräuchte es jetzt, um die Weichen neu zu stellen: Für einen nachhaltigen, weniger krisenanfälligen Tourismus mit Zukunft.

Weichen neu stellen!

Es ärgert den fairunterwegs-Koffer, dass die Branchenverantwortlichen immer noch so tun, als sei die Krise keine systemische. Als gäbe es keinen Klimawandel mit neuen Internationalen Abkommen, keine Hungerkrise, keine drastisch abnehmende Artenvielfalt, keine Wasserkrise, keinen Oil Peak, keine sich verschärfende Sicherheitslage im Tourismus. Als gehe es immer noch nur um den Aktienkurs und den Jahresgewinn. Dabei stand noch an der Internationalen Tourismusbörse ITB in Berlin dieses Jahr die unternehmerische Verantwortung ganz im Zentrum. Neue bestehende Ansätze, mit denen die Branche etwa auf den Klimawandel und den Oil Peak reagieren könnten, wurden  vorstellt, und zukunftsträchtige Wege skizziert. Zum Beispiel von Professor Stefan Gössling der Hochschule Eberswalde. Er empfahl eine Entwicklung weg von „low-Profit-Angeboten“ mit Preisdrückerei an allen Ecken und Enden hin zu „high-Profit-Angeboten“, bei denen zusätzlich bisher vernachlässigte Themen wie die Nachhaltigkeit der Lebensmittelketten in den vielen Restaurants der Touristengebiete einbezogen werden. Und bei denen die Marge hoch genug ist, damit Ansätze der unternehmerischen Sozial- und Umweltverantwortung auch umgesetzt werden können. Also eine Entwicklung in gegensätzlicher Richtung zu der jetzt eingeschlagenen.
Die ökonomische Abwärtsbewegung gibt der Reise- und Tourismusindustrie wie allen anderen Branchen die Möglichkeit, stärkeres Augenmerk auf die Auswirkungen ihres Geschäfts zu legen, um ihre Konkurrenzfähigkeit für die Zeit nach der Krise zu verbessern, sagt Jennifer Seif, Direktorin von Fair Trade in Tourism South Afrika, die in Südafrika gegründete weltweit erste Gütesiegelorganisation für Fairen Handel im Tourismus. „Die Verringerung des Konsums und neue Technologien sparen ganz offensichtlich Kosten und machen das Geschäft profitabler. Weniger offensichtlich ist, dass die globale Krise die Notwendigkeit eines grüneren, saubereren und ethischeren Wirtschaftens wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein gerufen hat – eine Bedingung, die aus der Erkenntnis erwächst, was die Wurzeln der globalen Finanzkrise sind: Nämlich nicht nachhaltige und skrupellose Geschäfte.“
Quellen: Schweizer Touristik, 08.05.2009; FTTSA Media Release 08.05.2009; Travel Manager April 09; csr-news.net, 17.03.2009; DIE ZEIT, 15.02.2007 Nr. 08; eigene Recherchen