Basel, 24.05.2012, akte/
Jede Woche hört und liest der fairunterwegs-Koffer von Menschenrechtsverletzungen im Tourismus. Fischer werden von der Küste und Urvölker aus den Wäldern vertrieben, Arbeitskräfte werden ausgebeutet, Kinder sexuell missbraucht, den Kleinbauern Wasser abgezapft zugunsten von touristischen Wasserparks oder Golfplätzen – alles im Namen einer Tourismusentwicklung, die von sich behauptet, zur Entwicklung eines Landes und seiner Bevölkerung beizutragen. Lange hatte der fairunterwegs-Koffer den Eindruck, für Reiseveranstalter seien Menschenrechte ein Thema, über das sich’s lieber vornehm schweigt, weil es sonst schnell zu politisch wird. Diese Zeiten sind vorbei: Vor drei Jahren wurde das Zertifizierungssystem CSR Certified der Organisation TourCert für Reiseveranstalter lanciert. Etwa zehn Prozent der Indikatoren überprüfen die Menschenrechtsverantwortung der Tour Operator. Und vor eineinhalb Jahren erliess die Internationale Organisation für Standardisierungen den Standard ISO 26 000 für Corporate Social Responsibility. Dieser definiert wohl in umfassendster Weise die Gebiete unternehmerischer Verantwortung. Eines der sieben Kernthemen sind die Menschenrechte. Mit den UN-Leitlinien, die für Unternehmen Verpflichtungen hinsichtlich des Schutzes der Menschenrechte definieren, steigt der Druck auf die Branche, Stellung zu nehmen und aktiv zu werden.

Das Statement als solider Startpflock

Kuoni Schweiz liess letztes Jahr als erstes grosses Reiseunternehmen sein Nachhaltigkeitssystem mit dem prestigesträchtigen TourCert "CSR-Tourism certified" Siegel auszeichnen. Jetzt will gleich der ganze internationale Konzern verbindlicher zu seiner Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte in seinem Einflussgebiet stehen. Dafür hat die Kuoni-Gruppe eine Erklärung über ihre Verpflichtung bezüglich Menschenrechte veröffentlicht und Ziele formuliert. Kuoni wolle nicht nur verhindern, dass der Konzern selbst Menschenrechte verletze, sondern auch, Komplize solcher Menschenrechtsverletzungen zu werden. Dafür richtet sich Kuoni nach dem internationalen Referenzrahmen, wie ihn der arbeitskreis tourismus & entwicklung (akte) in seinem Grundsatzpapier "Unternehmensverantwortung – die Herausforderung für Reiseveranstalter" ausgelegt hat, namentlich die Menschenrechtserklärung, die UN-Leitlinien für Unternehmen und Menschenrechte, der UN-Global Compact, der Ethikkodex der UN-Welttourismusorganisation, die UN-Kinderrechtskonvention, die OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen und die Kernkonventionen der Internationalen Arbeitsorganisation. "Die Grundsatzpapiere des arbeitskreises tourismus & entwicklung zu Unternehmensverantwortung der Reisebranche, aber auch die von ihm mit der Fachstelle Tourism Watch des Evangelischen Entwicklungsdienstes gemeinsam erarbeitete Studie* oder die Vorgängerstudie von Tourism Concern, London, waren für uns ein Steilpass für die Entwicklung und Formulierung des Statements", sagt Sabine Lötscher-Ehrler, Senior Projekt Managerin der Kuoni-Nachhaltigkeitsabteilung. "Das Statement ist das Ergebnis eines mehrmonatigen Konsultationsprozesses mit 18 internen und externen Stakeholdern und Fachstellen, zu denen auch tourismuskritische Organisationen gehören."

Das Engagement langsam aber sicher aufbauen

Schon im Statement dämpft Kuoni allzu hochgesteckte Erwartungen: "Wir glauben nicht, dass es für Kuoni angebracht wäre, aktiv in der breiteren Öffentlichkeit für individuelle Menschenrechte und Freiheiten einzustehen. Aber wir glauben, dass wir andere durch unser Vorbild beeinflussen können. Wir sind uns auch bewusst, dass der Respekt für die Menschenrechte bisweilen auch bedeuten kann, widerstreitende Interessen inmitten einer von endlichen Ressourcen geprägten Wirklichkeit auszubalancieren. Doch wir sind entschlossen, in solchen Fällen Lösungen zu suchen, die mit dem Geiste dieses Engagements vereinbar sind", ist zu lesen.

Prioritäten und Ziele

Um den Umsetzungsprozess nicht zu überfordern, setzt Kuoni Prioritäten: bei den Arbeitsrechten, den Kinderrechten und der gebotenen Sorgfalt (due diligence) bezüglich Menschenrechte besonders in sensiblen Destinationen. So will der Konzern Massnahmen für faire Arbeitsbedingungen im Konzern ebenso wie bei seinen Zulieferern durchsetzen, seine Mitarbeitenden, Hoteliers und anderen Geschäftspartner für das Anliegen der Kinderschutzes sensibilisieren, in ausgewählten Regionen einen Due Diligence-Prozess zu Menschenrechten durchführen und Partnerschaften für einen Vorsorgeansatz zum Schutz der Menschenrechte entwickeln. Das Menschenrechtsengagement von Kuoni ist im hauseigenen Verhaltenskodex eingebettet, die Nachhaltigkeitsabteilung untersteht für die Realisierung direkt der Geschäftsleitung.
Solche Ziele sind Balsam auf das Leder des Koffers, dem so viel an fairen Beziehungen im Tourismus liegt. Insbesondere freut ihn, dass der Konzern seine ganze Wertschöpfungskette und sein ganzes Einflussgebiet im Auge behält und die Nachhaltigkeitsziele nicht auf die betriebliche Ebene reduziert. Aber Matthias Leisinger, Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung der Kuoni-Gruppe, mahnt zu Geduld: "Das ist erst der Anfang eines längeren Prozesses. Wir haben erst unsere Absicht kundgetan, konkrete Massnahmen umzusetzen. In den nächsten Monaten wird es darum gehen, die konkreten Massnahmen, welche gemeinsam mit dem Statement definiert wurden, umzusetzen."  Klar, und der fairunterwegs-Koffer wird diese Entwicklung weiter kritisch im Auge behalten. Er fordert Reiseunternehmen auf, es ihm gleichzutun: Hier baut ein Pionier an einer Vorlage für Tour Operators, die nach Nachahmung ruft!


*Der Studienreiseveranstalter Studiosus hat bereits im Juli 2011 das Menschenrechtsengagement im Unternehmensleitbild verankert. Nach einer gründlichen Bestandesaufnahme wurden Schulungen und Workshops mit ReiseleiterInnen und Mitarbeitenden durchgeführt, im April 2012 die Verträge mit den Leistungspartnern überarbeitet. Neu sind die Busgesellschaften, Hotels und Zielgebiets-Agenturen, mit denen Studiosus weltweit zusammenarbeitet, vertraglich zur Einhaltung der Menschenrechte und ILO-Kernarbeitsnormen, insbesondere auch hinsichtlich einer angemessenen Bezahlung oder Freizeitregelung für die Mitarbeitenden verpflichtet. Wir werden auf fairunterwegs.org demnächst mehr über diese Best Practice berichten.


Die Studie und weitere Informationen zum Thema Menschenrechte finden Sie auf unserer Aktionsplattform Menschenrechte.
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