Koffer husten bekanntlich nicht, leiden auch nicht unter Sonnenbrand und Melanomen. Aber der fairunterwegs-Koffer wird ungern nass, wenn der Meeresspiegel steigt und steigt. Und es beelendet ihn, wenn Inselparadiese im Wasser versinken und die Einheimischen zu Klimaflüchtlingen werden. Der im Februar erschienene Bericht des Intergovernmental Panel for Climate Change (IPCC) zeigt auf, dass der Klimawandel Mensch gemacht ist. Und dass der Flugverkehr – zwar nicht prozentual, aber in den Auswirkungen – jetzt schon einen wichtigen Anteil zum Klimawandel beiträgt und künftig, wenn sich nicht bald einiges ändert, alle Bemühungen zur CO2-Reduktion zunichte machen könnte.
Glücklicherweise sind ja die Änderungen in Mensches Hand. Zum Beispiel, indem jeder einzelne unnötige Flüge vermeidet und stattdessen mit Bahn und Bus fährt. Oder, wenn dies nicht möglich ist, zumindest die Flugemissionen kompensiert. Schon heute arbeiten rund hundert kleinere Reisebüros mit der Schweizer Stiftung myclimate zusammen, die sich darauf spezialisiert hat, flugbedingte CO2-Emissionen zu kompensieren, indem sie dieselbe Menge CO2 mit Alternativenergie-, Effizienzsteigerungs- oder Energiesparprojekten kompensiert. „Uns sind diese kleinen Reisebüros wichtig, wo die Kundschaft direkt über die Möglichkeit der Kompensation beraten wird und die Reiseberaterin für den Kunden auch gleich ein Klimaticket lösen kann“, sagt Kathrin Dellantonio, Sales- Kommunikations-, und Marketingverantwortliche bei myclimate. Reisepartner mit eigenen Reisekatalogen wie zum Beispiel Travelhouse, Sudden Rush oder Globotrek erwähnen die Stiftung auch in ihren Katalogen. Erfreulich findet der fairunterweg“-Koffer den Entscheid von Globetrotter: Seit Januar schickt Globetrotter nicht nur wie bis anhin seinen KundInnen mit jedem Ticket die myclimate-Informationsbroschüre, sondern zahlt auch pro Kunden einen Franken an ein ausgewähltes myclimate-Projekt in Madagaskar.
Die freiwillige Klimaabgabe wird immer populärer: Wurden im Jahre 2003 noch durchschnittlich 25 myclimate-Tickets pro Monat gelöst, waren es letztes Jahr schon 561. Fünf bis zehn Prozent der Reisenden, so schätzt myclimate aufgrund verschiedener Umfragen, wären bereit, ein freiwilliges myclimate-Ticket zu kaufen und damit die CO2-Emission ihres Fluges zu kompensieren. Vorausgesetzt allerdings, es würde ihnen etwas leichter gemacht. Der Verkauf des myclimate-Tickets, so wünscht Dellantonio, gehört in den normalen Buchungsablauf integriert. Der Kundschaft würde dann mit den normalen Reisedaten der Preis mit oder ohne Klimaticket ausgewiesen, sodass sie nur noch das eine oder das andere ankreuzen müsste. Eine Forderung, die der fairunterwegs-Koffer voll unterstützt. Ausserdem, findet er, müssten da auch die grossen Reiseanbieter, Hotelplan, Kuoni und Tui besser mitmachen. „Bei den Grossen tut sich einiges“, sagt Dellantonio kryptisch, „vieles wird noch dieses Jahr umgesetzt.“
Aber natürlich kann die Verhinderung einer grösseren Klimakatastrophe nicht nur den Konsumierenden aufgebürdet werden. Die Tourismusbranche ist gefordert, umfassende Konzepte zur Verhinderung und Reduktion von klimaschädigenden Emissionen auf der Anreise- und Rückreise einzuleiten, macht diese doch den Löwenanteil der Umweltbelastungen einer Ferienreise aus: Für Reisen unter 800 Kilometer keine Flüge verkaufen, sondern kreativ nach umweltverträglicheren Alternativen suchen und entsprechend für kostengünstigere Bahn- und Busreisen und Kostenwahrheit im Reiseverkehr lobbyieren. Und bei der Produktgestaltung nach der Faustregel – je weiter der Flug, desto länger vor Ort – die Umweltbelastung durch die Anreise mit der Aufenthaltsdauer in ein verantwortlicheres Verhältnis bringen.
Gefordert sind aber auch die Airlines, über die konsequente Suche nach energieeffizienten Lösungen hinaus systematisch den Fluggästen/Passagieren die Möglichkeit der Kompensation der Schadstoffe anzubieten. Lufthansa will dies Jahr noch ein Klimaticket einführen. Schwerer tut sich da ihre Tochter Swiss, die gut eidgenössisch abwarten will, wie etwa der Flugverkehr ins Kyoto-Protokoll aufgenommen wird und sich die Debatte um die Einführung des von der EU angekündigten Emissionshandels entwickelt. 2012 soll es soweit sein. Angesichts des Verschiebens von dringend notwendigen Massnahmen wird der fairunterwegs-Koffer ungeduldig, müssten doch Massnahmen von Unternehmen und freiwillige Leistungen von Passagieren längst kreativ gebündelt werden, wo die Uhr bereits fünf nach zwölf zeigt. Doch die Swiss steht mit ihrer Haltung nicht allein.
Die Politik ist gefordert und damit die Staaten, ihre falschen Anreize mit Subventionen für die Luftfahrt, insbesondere auch für Flughäfen und Billigairlines, aufzugeben und ökologische Anreize und Lenkungsmassnahmen zu ergreifen. Dazu wünscht der fairunterwegs-Koffer der Classe Politique den nötigen Mut. Den hatte der deutsche Umweltminister Gabriel, als er nach der Veröffentlichung des IPCC-Berichtes an die Deutschen appellierte, auf überflüssige Flugreisen zu verzichten. Doch kurz vor der Internationalen Tourismusbörse Berlin schwand sein Mut – wohl im überhitzten Urlaubsklima: Gabriel meinte plötzlich, keiner wolle den Deutschen ihren verdienten Griechenlandurlaub vermiesen. Ganz anders sieht das in Neuseeland aus, das für den Tourismus von Langstreckenflügen abgängt. Dort wird der Vorschlag von Premierministerin Helen Clark, Neuseeland zu einem „CO2-neutralen“ Land zu machen, vom Direktor der Air New Zealand ebenso unterstützt wie vom Tourismusminister Damien O’Connor. Der Koffer wartet gespannt auf die Taten, die diesen mutigen Worten folgen.
Quellen: Interview mit Kathrin Dellantonio, Sales- Kommunikations-, und Marketingverantwortliche bei myclimate, Globetrotter Medienmitteilung vom 20.03.2007; NZZ vom 17./18.03.2007, Verträglich Reisen, 08.03.2007; Travel Industry Review, 26.02.2007; Travel Inside 02.03.2007; lime 3/2007; myclimate-Newsletter 13.02.2007; Tages-Anzeiger 03.02.2007; Medienmitteilung sun21 vom 23.06.2004