Der fairunterwegs-Koffer freut sich über den Aufbau einer neuen Fairtrade-Kundschaft in Südafrika
Basel, 16.09.2010, akte/ Fairtrade ist eine gute Sache: Über 1,5 Millionen Bauern, Bäuerinnen und LandarbeiterInnen profitieren weltweit von faireren Arbeitsbedingungen und der Fairtrade-Prämie für die Entwicklung ihrer Gemeinde oder Kooperative. Zusammen mit den Familienmitgliedern sind das über fünf Millionen Begünstigte. Die Fairtrade-Bewegung begann mit KonsumentInnen in Industrieländern, die sich nicht damit abfinden wollten, dass ProduzentInnen in den Entwicklungsländer so schlecht entlöhnt und behandelt werden. Doch das Fairtrade-Konzept ist ein westliches geblieben, kritisiert Boudewjin Goosens, der Leiter der Fairtrade-Label-Organisation Südafrikas FTLSA. Entwicklungsländer produzieren qualitativ hochstehende Produkte nur für den Export in die Industrieländer. Jetzt ist es an der Zeit, das Fairhandelskonzept zu einer globalen Praxis zu machen, geht der fairunterwegs-Koffer mit Goosens einig. Das heisst vor allem, Fairtrade-Produkte auch in Ländern zu verkaufen, in denen solche Produkte bisher nur entwickelt und produziert wurden.
FTLSA leistet dafür in Südafrika und in der Welt Pionierarbeit – und hat Erfolg. Am 31. August kündigte die südafrikanische Supermarktkette Pick n Pay an, Fairtrade-Produkte in ihr Sortiment aufzunehmen. Erstaunlich, muss der fairunterwegs-Koffer anmerken, steht doch Pick n Pay gerade ein Streik bevor, mit dem die Belegschaft und deren Gewerkschaft für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen kämpfen.
Zielgruppe: Die schwarze aufstrebende Mittelklasse
Ungeachtet dessen, wie fair oder unfair Pick n Pay seine eigenen Angestellten behandelt: die Aufnahme von Fairtrade-Produkten ins Sortiment des Supermarktriesen ist ein entscheidender Durchbruch. Goosens führt noch mit weiteren Grossverteilern Verhandlungen. Auch in der Schweiz verdanken wir den Erfolg, heute bezüglich Pro-Kopf-Umsatz an Fairtrade-Produkten weltweit an der Spitze zu stehen, der Aufnahme der Fairhandelsprodukte ins Sortiment der Grossverteiler Migros und Coop.
Südafrika ist natürlich anders als die Schweiz, vor allem viel grösser: Um überhaupt an den entscheidenden südafrikanischen Messen präsent sein zu können, hat FTLSA landesweit 45 Freiwillige ausgebildet. An der "Natural and Organic Expo", die Ende August in Johannesburg stattfand, wurden zwei Freiwillige eingesetzt. Am Soweto Wine Festival hingegen waren sowohl die Geschäftsstelle von FTLSA wie auch verschiedene Volunteers vor Ort. Das zeigt, welche Zielgruppe FTLSA im Auge hat, wie Goosens ausführt: "Wir sehen das grösste Marktpotenzial für Fairtrade-Produkte bei der aufstrebenden schwarzen Mittelschicht, nicht so sehr bei den Weissen. Die überwiegende Mehrheit der Schwarzen kennt Armut aus eigener Erfahrung. Sie wollen ihren benachteiligten Brüdern und Schwestern auf dem Land oder in den Fabriken helfen. Bei den Weissen fehlt ein solches Bewusstsein. 90 Prozent unserer Freiwilligen sind Schwarze."
Fairtrade setzt bei den elementaren Bedingungen an
Eigentlich gibt es in Südafrika schon ein Regierungsprogramm zur Förderung der bisher benachteiligten Bevölkerung, das Black Economic Empowerment (BEE) Programme. Die Regierung hat eine Reihe von Verhaltenskodizes mit Kriterien für die Förderung der bisher Benachteiligten in Weiterbildung, beim Beschaffungswesen, im Management, bei der Anstellung, in der Beteiligung usw. verabschiedet. Unternehmen werden gemäss diesen Kriterien bewertet und je nach Erfüllungsgrad für staatliche Förderungen oder im Beschaffungswesen berücksichtigt oder nicht. Doch: "Unternehmen, die sich qualifizieren, sind nicht unbedingt ethisch", sagt Goosens. Das BEE-Programm setze bei zu abgehobenen Bedürfnissen an, aber die Landarbeiter, die den Wein, die Früchte, den Tee, die Nüsse, den Kakao oder die Gewürze produzieren, litten an elementaren Mängeln wie schlechter Behausung, mieser Bezahlung, ungeregelter Freizeit, fehlender Gesundheitsvorsorge. "Unsere Produzenten von Fairtrade-Produkten qualifizieren sich alle gemäss der BEE-Wertungsliste" erklärt er, "aber sie gehen in ihrer Verantwortung viel weiter. Fairtrade achtet auf die Einhaltung der bestehenden Gesetze und verbessert die elementaren Lebens- und Arbeitsbedingungen der Landarbeiter."
Der fairunterwegs-Koffer ist beeindruckt von Goosens› Aufbruchstimmung bei der Suche nach dem Südmarkt für Fairtradeprodukte. Damit steht er nicht allein: Anfang dieses Monats erhielt Fair Trade Labelling South Africa den Be-fair-Award der staatlichen belgischen Entwicklungskooperation, wie Goosens dem fairunterwegs-Koffer stolz mitteilte.
Quellen: Pick n Pay commits to Fairtrade, 31.08.2010, Supermarket online www.supermarket.co.za; Pick n Pay workers to strike – union, Business Report, 30.08.2010 www.busrep.co.za ; The South Can Also Be Consumers of Fair Trade Products, Inter Press Service 21.07.2010, www.ipsnews.net; 2009 Fairtrade facts and figures, May 2010, www.fairtradelabel.org.za; Be Fair Award, www.befair.be; Eigene Recherchen