Der fairunterwegs-Koffer fühlt sich in seinen Vermutungen bestätigt: An der Beratungsqualität gibt es in vielen Reisebüros noch zu feilen.
Am Anfang jeder Reise steht die Neugier. Nicht nur das Exotische der avisierten Destination interessiert, auch das Praktische wirft eine Menge Fragen auf. Wie komme ich am besten ans Ziel? Wie soll ich mich dort fortbewegen? Was erwartet mich? Wo werde ich schlafen? Der erste Schritt zum persönlichen Abenteuer führt häufig zunächst einmal ins Reisebüro.
Die Branche versucht seit ein paar Jahren, die zunehmende Abwanderung ihrer Kunden ins Internet, zum Beispiel zu ebookers.ch oder travel.ch, aufzuhalten. Mit unterschiedlichen Mitteln: Nicht nur das Interieur der Geschäfte ist vielerorts aufgewertet worden, auch die Verkaufskompetenz der Mitarbeiter wurde geschult. Mit persönlicher und fachkundigerer Beratung sollen die Kunden weg vom Computer zurück ins Reisebüro gelockt werden. Diese Massnahmen greifen noch nicht überall, wie der Test zeigt, bei dem wir bei sechs der bekanntesten Reisebüros der Schweiz nicht die Preise, sondern die Qualität einer ersten Beratung vergleichen.
Die Anfrage:
Zwei Wochen Ferien in Südindien, am liebsten individuell, aber mit organisierten Ausflügen zu kulturellen oder landschaftlichen Sehenswürdigkeiten, und eine Verlängerung in einem Hotel an attraktiver Lage, wo Ayurveda-Behandlungen angeboten werden.
In einer halben Stunde ein rundes Informationspaket
Globetrotter Travel Service AG, Rennweg 35, 8001 Zürich, Telefon 044 213 80 80,www.globetrotter.ch
Das Reisebüro ist im vierten Stock eines Geschäftshauses untergebracht, Zufallspassanten sind deshalb eher selten. Wer hier anklopft, hat meistens bereits konkrete Vorstellungen im Kopf und hat das Unternehmen seinen Ansprüchen entsprechend ausgewählt. Die Räume müssen nicht mehr laut um die Gunst des Kunden werben: schnickschnacklose Büroatmosphäre, ein paar Bilder an den Wänden, ein Bücherregal mit Reiseliteratur. Der erste angefragte Berater war selber noch nie in Indien und weist mich deshalb an seine Kollegin weiter, die den Subkontinent so gut wie ihre Hosentasche zu kennen scheint.
Service: Sehr angenehme Beratung, auf Fragen wie "Lohnt es sich, ein Auto zu mieten?" gibts ehrliche Antworten: "Auf gar keinen Fall!" und Vorschläge für Alternativen. Höhepunkte wie die Teeplantage und die Backwaters werden erwähnt, ebenso wie die Vor- und Nachteile der Hotelangebote und Flugrouten.
Resultat: Eine siebentägige Reise durch Kerala mit Ausflügen zu Kultur (Fort Kochi) oder Natur (Backwaters). Die Reise kann allein unternommen werden (mit Guide und Fahrer) oder in einer kleinen Gruppe, sie kann jederzeit zwei, drei Tage unterbrochen oder am Schluss verlängert werden.
Fazit: Ich fühle mich ernst genommen, meine Fragen werden kompetent und umsichtig beantwortet. Nach gut 30 Minuten verlasse ich das Büro mit viel Informationen über Land und Leute und einem konkreten Vorschlag. Der Besuch hat sich gelohnt.
Mit Stil empfangen und mit Interesse zugehört
Kuoni Reisen AG, am Bellevue, Limmatquai 1, 8024 Zürich, Telefon 044 267 77 77, www.kuoni.ch
Im Vorzeigegeschäft des bekannten Reiseunternehmens ist es ruhig und elegant. Das dunkle Holz und die geschickte Aufteilung des Raumes suggerieren Diskretion und Kompetenz. Genauso wie der Empfang. Die Beraterin stellt sich mit Namen vor und fragt als Erstes: "Haben Sie ein wenig Zeit?" Das vermittelt ein gutes Gefühl. Sie selber war noch nie in Indien, bei Unklarheiten fragt sie telefonisch beim Spezialisten des Hauses nach. Die mangelnde Erfahrung in Bezug auf die Destination macht sie mit viel Verkaufskompetenz wett. Sie erklärt nicht nur, welche Marken sich hinter den einzelnen Anbietern verbergen, sondern zeigt auch die Unterschiede der verschiedenen Angebote präzise auf und macht auf Nachteile aufmerksam.
Service: Die Beraterin hört zu und merkt schnell, welche Vorschläge mich begeistern (eine dreitägige Velotour durch Kerala) und welche ich auf jeden Fall vermeiden will (Badeferien am Strand). Sie erklärt die Route der zwei Angebote Schritt für Schritt, inkl. alternative Möglichkeiten.
Resultat: Eine Basisrundreise durch Kerala, die je nach Wunsch auf einem Boot auf den Backwaters, mit einer Velotour oder mit einem verlängerten Aufenthalt in einem Badehotel mit Ayurveda-Angebot erweitert werden kann.
Fazit: Persönlich und kompetent, genau wie es sein sollte. Zudem beweist die Beraterin, dass die persönliche Erfahrung vor Ort keine Bedingung ist, um Reisen zu verkaufen – sofern man seinen Job sonst im Griff hat.
Auch unter dem Beduinenzelt lässt es sich beraten
Tui Premium Travel, Augustinergasse 17, 8001 Zürich, Telefon 044 267 50 50, www.tuipremiumtravel.ch
Tui Premium Travel richtet sich an Menschen mit gehobenen Ansprüchen. Diese Vorgabe spiegelt sich in der Einrichtung des Geschäfts: Statt an einem Schreibtisch sitzt man auf bequemen Ledersofas unter einem Beduinenzelt. In diesem Ambiente scheinen die Ferien plötzlich sehr nah. Die Geschäftsführerin bedient persönlich und nimmt sich Zeit, einem zuerst das Konzept des Geschäfts zu erläutern, dann offeriert sie einen Kaffee, macht ein bisschen Small-talk; bis das eigentliche Gespräch anfängt, dauert es zwar ein bisschen länger als anderswo, dafür "kennt" man sich schon bald.
Service: Die Grundlage für das Gespräch bildet ein einziger Katalog – der aber ein breites Angebot mit viel "Modulelementen" bietet. Ich kann wählen zwischen dem eher "kulturellen Teil mit vielen Tempeln" (Tamil Nadu) oder dem "Naturerlebnis mit Wasser und Teeplantagen" (Kerala). Die interessantere Reise ist länger als mein geplanter Aufenthalt, "das ist kein Problem, wir können die Reise jederzeit abkürzen", wird mir versichert.
Resultat: Zwei Rundreisen, die man entweder in der Gruppe oder gegen einen Aufpreis von ca. 200 Franken auch als Einzelperson buchen kann. Verschiedene Hoteloptionen, die nicht nur landschaftlich (Landesinnere oder Küste), sondern auch preislich dem Kunden die Möglichkeit zu wählen offenlassen.
Fazit: Sehr persönliche Beratung, nach einer halben Stunde habe ich wirklich das Gefühl, ich könnte mir hier "Ferien à la carte" zusammenstellen, ohne dafür ein Vermögen ausgeben zu müssen. Zudem das einzige Geschäft, wo über Geld gesprochen wird.
Viele Worte, aber wenig Informationsgehalt
Globus Reisen, MTCH AG, Löwenplatz, 8001 Zürich, Telefon 044 215 70 70, www.globusreisen.ch
Die elegante Einrichtung des Raumes und die gepflegte Kleidung der beiden männlichen Berater sprechen eine deutliche Sprache: Wir treten ins High-End-Segment ein. Globus ist seit drei Jahren im Reisegeschäft, mit hochpreisigen und ausgewählten Angeboten. Von denen bekomme ich leider gar nichts zu sehen. Der Berater, sympathisch, redegewandt, war erst kürzlich in Indien und ist vom Land begeistert. Er holt zwei Kataloge hervor, einer von Kuoni und einer von Travelhouse (gehört wie Globus Reisen zum Hotelplan-Konzern, wird aber nicht erwähnt). Auf meine Frage, ob Globus keine eigenen Reisen in Indien anbietet, sagt er "nicht mehr oder noch nicht."
Service: Die Wörter sprudeln aus dem jungen Mann nur so heraus; obwohl er noch nie im Süden Indiens war, tut er so, als sei es seine zweite Heimat. Er weiss, dass es an der Küste Keralas "viel Wasser hat und deshalb das ganze Jahr gleich aussieht" (meint damit die Backwaters). Auf meine wiederholte Nachfrage nach einer Verlängerungsmöglichkeit in einem Hotel mit einem Ayurveda-Angebot geht er gar nicht ein.
Resultat: Zwei Kataloge und die Aufforderung, das Angebot zu studieren und wieder zu kommen. Auf meine Frage, was die Logos neben den Hotels bedeuten würden, weiss er keine Antwort: "Da müsste ich nachfragen." Macht er aber nicht.
Fazit: Nach zwanzig Minuten surrt mir vor lauter Reden der Kopf, doch etwas Konkretes habe ich nicht erfahren. Das Angebot bleibt nebulös und unverbindlich – und wird dem eleganten Rahmen in keiner Art und Weise gerecht.
Im Einkaufszentrum fehlt es an Reisefachwissen
Hotelplan, MTCH AG, Migros City, Löwenstrasse 35, 8021 Zürich, Telefon 044 213 15 15, www.hotelplan.ch
Die Einrichtung beim zweitgrössten Reiseanbieter der Schweiz ist Geschmackssache: DDR-Nostalgiker dürften ins Schwärmen geraten, bei anderen wird der krude Rahmen weniger Begeisterung auslösen. Fairerweise muss erwähnt werden, dass dieses Reisebüro kein Flagship-Store, sondern Teil des Einkaufszentrums Migros City ist. Beraten wird an kleinen Schaltern, die dicht an dicht stehen. Die Stimmung ist geschäftig, man trödelt nicht, obwohl ausser mir nur noch eine andere Kundin dasitzt. Die Beraterin scheint Goa sehr zu mögen, sie bietet die Destination immer wieder an, obwohl ich bereits beim ersten Mal kategorisch ablehne. Der Süden von Indien ist ihr unbekannt. Sie ruft einen Kollegen an, fragt nach und wiederholt dessen Informationen wie ein Papagei, ohne sie wirklich verstanden zu haben.
Service: Die junge Dame ist sympathisch und freundlich, scheint aber in Kürze etwas Besseres vorzuhaben. Sie hört nur teilweise zu, greift Stichwörter auf, bleibt sehr an der Oberfläche. Sie preist Kerala so an: "Dort ist viel, viel Kultur" und "Es ist wirklich schön". Auf meine Frage, was in Periyar (das sie mir empfiehlt) so besonders sei, meint sie: "Ist einfach ein schöner Ort" (dort befindet sich eines der grössten Wildtierreservate Indiens!). Und auf meine Frage nach der Art der Kultur wiederholt sie: "Viel, viel."
Resultat: Sie schlägt mir eine Reise durch Tamil Nadu vor, die in einer Woche von Chennai nach Madurai führt. Mit anschliessenden Badeferien in Goa (nochmals Goa!) oder in einem spezialisierten Ayurveda-Hotel im Süden von Kerala.
Fazit: Auch nach einer halben Stunde Beratung bleibt der Eindruck, dass man meine Wünsche nicht versteht, und ich komme zum Schluss: Dieser Besuch hat sich nicht gelohnt, im Internet erfahre ich in derselben Zeit weit mehr.
Nicht viel mehr als eine Vorlesung des Katalogs
STA Travel, Leonhardstrasse 10, 8021 Zürich, Telefon 058 450 43 30, www.statravel.ch
Der ehemalige Studentenreisedienst ist erwachsen geworden und tritt seit einigen Jahren unter dem Namen STA Travel auf; der Geist des Improvisierten und Unkomplizierten ist im Geschäft an der Leonhardstrasse 10 dennoch allgegenwärtig. Die Begrüssung ist herzlich, die Beratung gut gemeint. Trotzdem wird man den Eindruck nicht los, dass die junge "Sale Consultant" keine Ahnung hat, wovon sie spricht. Obwohl sie mehrmals betont, dass Indien zurzeit die "Trenddestination" schlechthin sei und sie unbedingt auch mal hinmüsse, braucht sie ein paar Minuten, bis sie den Staat Kerala auf der Karte findet. Auch die übrigen Informationen zu Land und Leuten sind dürftig: Sätze wie "In Indien sind die Leute eben schon sehr arm, es empfiehlt sich nicht, das Mietauto zu parkieren" oder "Im Tempel würde ich ein Kopftuch anziehen" lassen nicht nur auf Unkenntnis von Sitten und Land schliessen, sondern auch auf ein eigenartiges Menschenbild.
Service: Die Verkäuferin liest einzelne Abschnitte aus dem Katalog vor. Mein mehrmaliges Nachfragen nach einer Verlängerungsmöglichkeit wird mit der Antwort "Wir haben dann noch Hotels am Meer" quittiert.
Resultat: Verschiedene Möglichkeiten von Gruppenreisen durch Kerala oder Tamil Nadu, die man auch als individuelles Angebot buchen kann. Ausser ein paar Seitenzahlen im Katalog wurden keine konkreten Angaben gemacht.
Fazit: Der Gang hierher lohnt sich nicht, zu den erhaltenen Informationen kommt man schneller per Mausklick. Oder indem man sich die Kataloge per Post bestellt. Nach der Beratung bleibt man ratlos zurück und fragt sich: Wollen diese Mitarbeiter einem überhaupt eine Reise verkaufen?
Schluss: Die gleiche Reise wird sehr verschieden verkauft
Die vorgeschlagenen Reisen sind sich im Kern erstaunlich ähnlich, die meisten Anbieter empfehlen nicht nur eine ähnliche Route, sondern oft auch dieselben Hotels. Die Möglichkeit, Indien individuell zu entdecken, ist überall im Rahmen eines standardisierten "Individualangebots" vorhanden, grössere Abänderungswünsche sind mit Kosten verbunden. Obwohl an jedem Schalter ein Flugblatt mit Preisen für die Dienstleistungen des Reisebüros platziert war, wurden nirgends die 40 bis 60 Franken Beratungs- oder Servicegebühren verlangt. Auch nach dem Budget für die Reise wurde kein einziges Mal gefragt.
Am Schluss bleibt die Erkenntnis: Gerade weil alle Ähnliches vorschlagen, rücken Qualität und Art und Weise bei der Auswahl des richtigen Büros in den Vordergrund. Wer mehrere Tausend Franken für eine Reise ausgibt, hat Anrecht auf Kompetenz und Vollständigkeit, wie es die drei Erstplatzierten anbieten: Globetrotter, Kuoni und Tui Premium. Wird dies nicht gewährt, bleibt nur eins: zu einem andern Anbieter wechseln.
*Tages-Anzeiger, 23.11.2009, von Monique Rijks. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung