Basel, 14.04.2011, akte/ Die Klimaveränderung macht den Schweizerinnen und Schweizern am meisten Angst, zeigt das GFS-Angsbarometer vom Oktober letzten Jahres. Kein Wunder: 2010 war ein Spitzenjahr der Naturkastastrophen, von denen viele unmittelbar mit der Klimaerwärmung zu tun hatten. Bilder von den Folgen von Hitzewellen, Überschwemmungen, Tsunamis, Dürren, Erdrutschen und Schlammlawinen verdeutlichten die Dringlichkeit von Massnahmen zum Einhalt der Klimaerwärmung.
Gleichzeitig bewegte sich die internationale Politik, welche solche Massnahmen beschliessen sollte, mit kaum zu ertragender Langsamkeit. In Cancún/Mexiko kamen die Delegierten zwar überein, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu beschränken, doch konnten sie sich weder auf nationale Emissionsziele, noch auf die Einführung eines internationalen Emissionshandelssystems, noch auf einen Finanzierungsmechanismus für die Anpassung an Klimaveränderungen einigen. Klimaexperten beurteilen auch dieses Jahr die Chancen auf den Abschluss eines Nachfolgeabkommens für das 2012 auslaufende Kyoto-Klimaabkommen skeptisch. Deshalb setzt die Schweizer Wohnbevölkerung gemäss der letztjährigen UNIVOX-Analyse verständlicherweise mehr auf individuelles Engagement für den Umweltschutz.

Die Schweizer Wohnbevölkerung will etwas tun – und kompensiert doch kaum

Die Stimmung in der Schweizer Wohnbevölkerung würde dafür sprechen, dass das Kompensieren des eigenen, nicht vermeidbaren CO2-Ausstosses fürs Reisen zum Normalfall würde. Angesichts dessen scheint dem fairunterwegs-Koffer die von myclimate Anfang März gefeierte Kompensation von einer Million Tonnen CO2 seit der Gründung vor neun Jahren doch etwas bescheiden.
Jährlich werden 30 Milliarden Tonnen CO2 emittiert. Daran ist der Tourismus stark beteiligt: Wäre die Tourismusbranche ein Land, stünde es an fünfter Stelle der Hauptemittenten. Es wird geschätzt, dass der Tourismussektor durch Personentransport, Beherbergung und verschiedene Aktivitäten in den Destinationen rund fünf Prozent der globalen CO2-Emissionen verursacht. Werden noch andere Treibhauseffekte neben den CO2-Emissionen berücksichtigt, könnte der Anteil des Tourismus am menschengemachten Klimawandel sogar bis zu 12,5 Prozent betragen. Fünf Prozent von 30 Milliarden: Das sind immer noch 1,5 Milliarden Tonnen. So viel wäre von den Reisenden und der Branche weltweit zu kompensieren. Gemäss der UNO-Welttourismusorganisation hält die Schweiz mit ihren Ausgaben für das grenzüberschreitende Reisen einen Marktanteil von 1,4 Prozent. Würde ein entsprechender Anteil an den Emissionen kompensiert, so wären das 21 Millionen Tonnen – wobei es dem fairunterwegs-Koffer nur um eine grobe Schätzung der Grössenordnung geht.

Wichtige Aufbauarbeit von myclimate

Die Aufbauarbeit des Pioniers unter den Anbietern von freiwilliger Kompensation soll hier aber gewürdigt werden: Was vor neun Jahren als kleine studentische Initiative begann, ist heute zu einem der angesehendsten Kompensationsanbietern geworden. Mehr als 70 Reiseunternehmen mit total etwa 2’600 Reisebüros sind nach Angaben von Kathrin Dellantonio, der Mediensprecherin von myclimate, Partner des Schweizer Kompensationsanbieters, darunter Kuoni, Hotelplan und Globetrotter. Mit verschiedenen online-Tools hat myclimate es einfach gemacht, die Kompensation in allen möglichen Varianten in den Reisebuchungsprozess einzubinden. Bei Kuoni etwa investieren in den Reisebüros etwa vier Prozent aller Buchenden in Projekte, welche den CO2-Ausstoss um so viel verringern, wie der Flug ausstösst – in einzelnen Filialen aber 75 Prozent. Bei Globetrotter kompensieren durchschnittlich ebenfalls vier Prozent aller Buchenden, die erfolgreichste Filiale kommt auf 13 Prozent. Dies zeigt, dass die Schulung der Reiseberater eine zentrale Rolle spielt.
Immer wichtiger wird auch das Internet, wenn es um die Flugbuchung geht. Auch hier muss es dem Reisenden sehr einfach gemacht werden, seine Emissionen zu kompensieren: Ein Klick im Buchungsprozess sollte genügen, der Kunde zahlt die Kompensationskosten dann zusammen mit den Flugkosten. Leider hat bis jetzt nur die Charterfluglinie Tuifly die Kompensation auf diese Weise in den Buchungsprozess integriert.
Nebst der Anreise schlägt die Beherbergung am stärksten aufs CO2-Reisekonto. Zusammen mit Hotelleriesuisse hat myclimate dieses Jahr ein IT-basiertes Performance-Management-System für Hotels entwickelt, das die realisierten Massnahmen des Betriebs bewertet und mit einem Branchen-Benchmarking die Vergleichbarkeit ermöglicht. Dazu gehören die Emissionsberechnung, die Beratung zu möglichen Effizienssteigerungen und Reduktionen, die Kompensation der Restemissionen und die Schulung. Pioniere in der Beherbergungsbranche sind die Schweizer Jugendherbergen, wo rund 64 Prozent aller Logiernächte kompensiert werden, und die Sunstar-Hotels, wo alle Emissionen kompensiert werden. Auch das Fünf-Stern-Hotel Ferienart Resort & Spa ist mit mycimate klimaneutral.
myclimate arbeitet ausserdem mit dem Car-Sharing-Unternehmen mobility sowie mit Eurobus zusammen. Insgesamt konnte myclimate in der Tourismusbranche mehr als eine Million Euro Kompensationsumsatz generieren, was in etwa 45’000 Tonnen CO2 entspricht.
"Wir freuen uns natürlich, nun die erste Million Tonnen CO2-Kompensation erreicht zu haben. Möglich ist dies dank unseren ambitionierten Kunden und Partnern, die mit ihrem Pionierengagement zeigen, dass ein konkretes Engagement für den Klimaschutz und die rasche Reduktion der CO2-Emissionen ein wichtiges Anliegen und konkrete Taten dazu möglich sind. Doch nun sollten es bald zehn oder gar hundert Millionen Tonnen sein, und zwar pro Jahr! Der Bedarf für Klimaschutzprojekte, die erneuerbare Energien oder Energieeffizienzmassnahmen fördern und so diese Menge CO2-Reduktionen generieren können, ist weltweit gigantisch", sagt myclimate-CEO René Estermann.

Vereinfachung, Seriosität, Transparenz

Um dieses Ziel zu erreichen müssen die einzelnen Tourismusunternehmen noch mehr zur Vereinfachung der Kompensation beitragen: "Verschiedene Markterhebungen in der breiten Bevölkerung sowie bei myclimate-Kunden zeigen, dass die CO2-Kompensation, d.h. das Pricing von CO2-Emissionen, vom Endkunden sehr gut akzeptiert wird. Die CO2-Kompensation muss jedoch für die breite Bevölkerung möglichst einfach machbar sein, d.h. die Kosten zum Ausgleich der Klimawirkung müssen direkt in die Produkte integriert sein", sagt Dellantonio. "Ausserdem ist das Thema für viele noch zu abstrakt, sie denken, es sei nur Gewissensberuhigung  und sehen nicht das grosse Potenzial an guten Projekten."
Tatsächlich ist für den Kunden kaum feststellbar, wie gut die Kompensationsprojekte im In- und Ausland sind, in die das Geld fliesst. Schlecht für den Ruf sind negative Schlagzeilen über unseriöse Konkurrenten von myclimate: Einer liess in Indien für den Anbau von Windkraftanlagen, welche die versprochene Leistung nicht erbrachten, Einheimische von ihrem Land vertreiben. Ein anderer pries den einen Kunden das Aufforstungsprojekt in Panama als Kompensationsprojekt an, den anderen als Investition in ein Holzfällerunternehmen. Nur gut, gibt es immer wieder unabhängige Rankings der Kompensationsanbieter, wie etwa das von der Hochschule Eberswalde vom letzten Oktober: myclimate steht bei der Kompensation von Flügen bezüglich seiner Seriosität hinter atmosfair und arktis an dritter Stelle, mit der Bewertung "gut". Das liegt auch an der Qualität der Projekte von myclimate: Sie reduzieren nicht nur klimawirksame Emissionen, sondern tragen zur nachhaltigen Entwicklung der Projektregion bei. Damit erfüllen sie höchste Standards (CDM, Gold Standard).
Sehr abstrakt findet der fairunterwegs-Koffer die unterschiedlichen Preise für eine Tonne CO2: Für einen Flug von Zürich nach New York berechnet myclimate 90 Franken. Das entspricht den Durchschnittskosten der von mcylimate in Entwicklungsländern durchgeführten Projekte. Will der Kunde die Emissionen in der Schweiz kompensieren, liegt der Preis bei 268 Franken – weil die Einsparung einer Tonne CO2 hier teurer ist als in Entwicklungsländern. Der bei Kuoni integrierte myclimate-Rechner kommt für die gleiche Reise auf 60 Franken Kompensationskosten – weil sein Projekt in Bali billiger CO2 einspart als der Durchschnitt der myclimate-Projekte.
Noch abstrakter wird das Ganze, weil unterschiedliche Kompensationsanbieter den CO2-Ausstoss für dieselbe Reise unterschiedlich berechnen, abhängig unter anderem davon, wie sie die Treibhauswirkung der Flugemissionen (Radiative Forcing Index-RFI) gewichten, was praktisch zu einer Preiskonkurrenz zwischen den Anbietern führt. Der fairunterwegs-Koffer würde es begrüssen, wenn sich die Kompensationsanbieter zugunsten der Transparenz und Kundenfreundlichkeit auf eine einheitliche Berechnungsgrundlage einigten. Aber soweit ist man noch nicht, sagt Dellantonio: "Um bei der Berechnung der Flugemissionen eine Vereinheitlichung zustande zu bringen, braucht es nach unserer Einschätzung eine eindeutige Aussage des Weltklimarates."