Der fairunterwegs-Koffer ist empört: Der Tourismus verletzt vielerorts das Menschenrecht der Einheimischen auf Wasser
Basel, 04.07.2013, akte/ Letztes Jahr publizierte TourismConcern, eine tourismuskritische Organisation mit Sitz in London, einen Bericht zur Wassergerechtigkeit im Tourismus. Dabei wurden fünf Destinationen vorgestellt, in denen der Wassermangel durch ein nicht nachhaltiges Tourismusangebot soziale Unruhen ausgelöst hat. In Sansibar verbrauchen Luxushotels bis zu 3’195 Liter Wasser pro Tag und Hotelzimmer, während Durchschnittshaushalten knapp drei Prozent dieser Menge, nämlich 93,2 Liter, zur Verfügung stehen. Luxushotels schützen ihre Wasserleitungen mit Sicherheitskräften, um die Einheimischen davon abzuhalten, sich ihren Anteil abzuzapfen. In Goa ist das Verhältnis noch krasser: Während ein Fünfsternhotel 1’785 Liter Wasser pro Gast und Tag verbraucht, bleiben den Einheimischen gerade noch 14 Liter pro Tag, also knapp 0,8 Prozent der Menge, die ein Feriengast verbraucht – weit weniger als die 50 bis 100 Liter Wasser pro Person, die die Vereinten Nationen vor zwei Jahren als Menschenrecht definierten.
In Kerala sind die Backwaters, das verzweigte Wasserstrassennetz, vom Treibstoff und Abwasser der vielen touristischen Hausboote verseucht. Die Folge: Fische sterben – eine wichtige Nahrungs- und Einkommensgrundlage, und die Anwohner müssen für ihr Trinkwasser auf das kaum funktionierende Verteilernetz der Gemeinde zurückgreifen. In Bali verlassen Reisbauern in Scharen ihre traditionellen und überaus malerischen Reisfelder: Die Pachten sind wegen des touristischen Immobilienmarktes in die Höhe geschossen, und das Wasser reicht nicht mehr für die Bewässerung der Felder, weil zu viel von den Hotels mit ihren Pools, Wasserparks und Golfplätzen verbraucht wird. In Gambia müssen die Frauen inzwischen um vier Uhr früh aufstehen, um stundenlang vor den Wasserpumpen anzustehen, weil die meisten Hotels mit ihren selbst gebohrten Brunnen die Grundwasserreserven anzapfen und obendrein keine Wassergebühren zahlen.
Es fehlt an Bewusstsein
Gründe für die ungleiche Verteilung des Wassers zwischen den grossen Tourismusunternehmen und den Einheimischen sowie den kleineren Unternehmen gibt es mehrere. Regierungen und ihre Behörden kümmern sich mancherorts lieber um touristische Grossprojekte als um Einkommensmöglichkeiten für die Lokalbevölkerung und kleinere einheimische Tourismusunternehmen. Dabei vernachlässigen sie oft Dienstleistungen, die eigentlich an erster Stelle von den Steuergeldern bezahlt werden müssten, wie eben ein gutes Wasserverteilnetz. Beamte übersehen für ein entsprechendes Entgelt, wenn Hoteliers unerlaubt Wasser zapfen – durch eigene tiefe Brunnen oder dicke Zuleitungen. Oder wenn sie ihr Abwasser ungereinigt ins Grundwasser sickern oder ins Meer fliessen lassen.
Trotzdem: Wassersparen wäre eigentlich gut fürs Geschäft. Immerhin machen die Wasserkosten durchschnittlich zehn Prozent des Gesamtaufwands der Hotels aus. Das Bewusstsein, dass Wassersparen nicht nur die Betriebskosten senkt, sondern auch das friedliche, respektvolle Zusammenleben mit der Lokalbevölkerung fördert, fehlt aber bei den Hoteliers weitgehend. In Sansibar lassen sich die Hotels, die ihren Wasserverbrauch einschränken, an einer Hand abzählen. Zwei sammeln Regenwasser, einer nutzt Grauwasser zur Bewässerung der Gartenanlage. Eine kleine Minderheit behandelt das Abwasser, die meisten leiten es in unabgedichtete Gruben, von wo es ins Grundwasser sickert. Ähnlich in Bali, wo die Mehrheit der Hoteliers weder die Gesetze kennen will, noch sich bemüht, Wasser zu sparen oder das Abwasser richtig aufzubereiten – dafür jeden Einheimischen unter Druck setzt, der mit der Wasserproblematik an die Öffentlichkeit will. Anders jedoch in Goa oder Gambia: Dort bemühen sich die meisten Hoteliers Wasser zu sparen – etwa in dem sie die Frotteetücher der Gäste nur auf Wunsch waschen. Aber ein rein technischer Wassersparansatz reicht nicht. Auch in diesen Destinationen schummeln Tourismusanbieter mit manipulierten Wasserzählern und belasten die lokalen Wasserreserven stärker als der Fairness zuträglich wäre. "Für eine Lösung, die sowohl die Erneuerbarkeit der Süsswasserreserven gewährleistet wie auch die Bedürfnisse aller Beteiligten vor Ort berücksichtigt, braucht es den Menschenrechtsansatz", ist das Fazit der VerfasserInnen der Studie von TourismConcern.
Die Menschenrechte als Orientierungsrahmen
Die vom UN-Menschenrechtsrat vor zwei Jahren angenommenen Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte betonen, dass Unternehmen in der Pflicht stehen, Menschenrechte gerade auch dort zu respektieren, wo die Regierung zu wenig zu deren Gewährleistung unternimmt. Nach Ansicht des fairunterwegs-Koffers würde das heissen: Es wird festgestellt, wie viel Wasser verbraucht werden kann, ohne die Reserven zu gefährden – gerade auch in der Hochsaison, die oft mit der Trockenzeit zusammenfällt. Dann wird erhoben, wie hoch der Bedarf für die lokalen Haushalte und die wirtschaftlichen Aktivitäten der Einheimischen ist und welche regionalen Entwicklungspläne bestehen. Aufgrund dieser Daten lässt sich abschätzen, wie viel und welche Art von Tourismus verträglich ist. Dies wäre der richtige Anreiz für Reiseveranstalter, mehr Verantwortung zu übernehmen. Es läge im Interesse ihres Geschäfts, ihren Einfluss auf die Regierungen geltend zu machen, damit diese defekte Leitungssysteme reparieren und bestehende Gesetze für den Schutz der Wasserreserven durchsetzen. Oder auf Hotels und weitere Zulieferer einzuwirken, damit diese ihren Verbrauch spürbar reduzieren.
Schon heute engagieren sich einige Reiseveranstalter in unterschiedlichem Ausmass für ein verbessertes Wassermanagement bei ihren Zulieferern. Im UN-Jahr der Wasserkooperation 2013 wäre es aber höchste Zeit, in Zusammenarbeit mit allen Anspruchsgruppen für eine fairere Verteilung der Wasserressourcen in den Ferienregionen und damit für die Einhaltung des Menschenrechts auf Wasser zu sorgen.