Basel, 24.05.2007, akte/  Am liebsten reist der fairunterwegs-Koffer mit Gästen, die für ihre Reise gut vorbereitet sind. Deshalb ist ihm die qualifizierte Information im Reisebüro sehr viel wert. Er wünscht sich also eine solide Ausbildung für angehende Reisebüro-Kaufleute, genug Lehrstellen und attraktive Arbeitsplätze, damit die gut Ausgebildeten nicht in andere Berufe abwandern.
Ein Zielkonflikt in einer Branche, wo Rezession und Konzentration im Nachgang zum 11. September 2001 viele Arbeitsplätze gekostet haben und wo die Löhne eher tief sind. Die Neue Kaufmännische Grundbildung (NKG) für den Bereich Tourismus gilt zwar als grundsolide und umfasst so ziemlich alle Bereiche über Touroperating, Finanzen, Marketing, Telefonverkauf, Personalwesen und Direktverkauf am Schalter, dazu Schulfächer wie Information, Kommunikation, Administration, Wirtschaft und Gesellschaft, Muttersprache, Fremdsprachen und Sport. Aber der personelle und finanzielle Aufwand für die Begleitung der Lehrlinge und Lehrtöchter ist dadurch gestiegen und für viele kleine Reisebüros nicht mehr leistbar.
„Zählte man alle Lehrstellen, die seit Einführung der NKG abgeschafft oder nicht neu geschaffen wurden, so käme man auf rund einen Viertel der Lehrstellen bei den kleinen und mittleren Unternehmen, die verschwunden sind“, schätzt Filialleiter Martin Dubach von Schär-City-Reisen in Wabern. Laurent Aebi, Filialleiter von Esco-Reisen Bern und Zuständiger für das Ressort Ausbildung beim Reisebüroverband Bern Solothurn, ortet die Zahl sogar näher bei einem Drittel. Beat Knecht, Leiter der Aus- und Weiterbildung an der Geschäftsstelle des Schweizerischen Reisebüroverbandes SRV, führt die Statistik: Waren es vor der Krise im Reisebusiness und vor Einführung der NKG pro Jahr 340 Lehrstellen, so fiel die Zahl ab 2002 um über einen Drittel auf 230 Lehrstellen. Die Befragten sind sich aber einig: Der Lehrstellenschwund hat nicht primär oder nicht nur mit der NKG zu tun, sondern mit der Strukturbereinigung in der krisengeschüttelten Branche. Davon waren die Kleinen und mittleren Betriebe stärker betroffen als die Grossen, bei denen sich der Lehrstellenabbau in Schranken hielt. Bei Hotelplan zum Beispiel ist gemäss Berufsbildnerin Chantal Schmid die Anzahl der Auszubildenden konstant bei 23-30 pro Jahrgang geblieben.
Kleine wie Grosse der Reisebranche trauern der geplanten Detailhandelslehre nach, bei der die Betreuung weniger aufwändig gewesen wäre, weshalb sich wohl mehr Kleinere wieder für die Schaffung einer Lehrstelle entschieden hätten. Wegen kaum einzuhaltender Auflagen des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie BBT hat der Schweizerische Reisebüroverband SRV auf die Einführung dieses verkaufs- und beratungsorientierten Lehrgangs verzichtet.
Der fairunterwegs-Koffer trauert mit: Die Arbeit vieler engagierter Bildungs- und Branchenfachleute wurde ins Gras gesetzt und eine grosse Chance für neue Lehrstellen vergeben. Doch es gilt vorwärts zu blicken: Die letzten Jahre schrieben die Reiseveranstalter wieder schwarze Zahlen. Trotzdem ist, wie Chantal Schmid beispielhaft für Hotelplan bestätigt, nicht vorgesehen, neue Lehrstellen zu schaffen. Bei den Klein- und Mittelunternehmen ist immer wieder die Sonntagsrede vom sozialen Engagement zu hören. Jetzt erwartet der Koffer Taten. Es ärgert ihn, dass nicht ein höherer Anteil der Gewinne in den so wichtigen Aufbau der Human Resource investiert wird. Wo doch heute schon an gut qualifizierten KundenberaterInnen eher Mangel herrscht und sich dies mit den geburtenschwachen Jahrgängen noch verstärken wird. Soll denn nur noch übers Internet gebucht werden?
„Vielleicht“, sinniert André Lüthi, Vorsitzender der Geschäftsleitung Globetrotter und Leiter des Kompetenzzentrums Aus- und Weiterbildung SRV, „ist die NKG nicht die richtige Ausbildung. Die Zukunft des Reisebüros liegt darin, dass die Kundschaft mit der Beratung einen Mehrwert erhält. Mehr, als sie im Katalog oder übers Internet erfährt. Es braucht Leute mit Lebens- und Berufserfahrung. In Zukunft will der Kunde mit jemandem sprechen, der das Land kennt.“ Ein Mehrwert, findet der fairunterwegs-Koffer, wäre ja auch die Beratung zum sozial- und umweltverantwortlichen Reisen. Diesem Thema sind in der NKG gerade mal zwei Stunden reserviert. „Vor fünf Jahren war die Diskussion zur Nachhaltigkeit noch eine andere“, meint Lüthi dazu, „bei der Reform der NKG, die 2010 zum Tragen kommt, hat der Vorstand bereits beschlossen, die Nachhaltigkeit stärker hinein zu bringen.“ Ein Silberstreifen am Horizont, freut sich der fairunterwegs-Koffer.
Bis dahin aber möchte er zusammen mit den Befragten grossen wie kleinen Reiseunternehmen Mut machen, es doch mit der NKG zu versuchen: Chantal Schmid lobt die Selbständigkeit und Kundenorientiertheit des ersten Jahrgangs der NKG-Ausgebildeten. Und alle bestätigen: Die Begleitung der NKG-Lehrlinge ist nur das erste Mal ein Mehraufwand und eine Umstellung, danach wird es Routine.
Quellen: Eigene Recherche, FVW 11.5.07, ST 26.01.2007, Travel Inside 16.04.2007 + 07.04.2007, www.rkg.ch, SRV-Information vom 07.07.2006 www.srv.ch, ST 08.12.2006, ST 23/05 und 16/05