Der fairunterwegs-Koffer liefert einen kleinen «Guide touristique» für die kommenden Abstimmungsvorlagen
Die Initiative "Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen" der Fondation Franz Weber will einen gesamtschweizerischen Anteil von 20 Prozent für Zweitwohnungen je Gemeinde einführen. Dies beträfe, wie die InitiantInnen – leider etwas spät – präzisierten, nur privat genutzte Zweitwohnungen, nicht aber mietbare Ferienwohnungen. Damit wenden sie sich gegen den seit 2000 vermehrt in die öffentliche Kritik geratenen Bauboom in nahezu allen grösseren Tourismusregionen der Schweiz. Orts- und Landschaftsbilder werden mit solchen Chalets verschandelt, die zudem während elf Monaten geschlossene Fensterläden aufweisen. Diese privat genutzten Zweitwohnungen dienen nämlich zumeist gar nicht dem "Wohnen", sondern dem Parkieren von Kapital. Der Begriff "kalte Betten" ist zu einem Synonym für die unter der Bauspekulation leidenden grossen Tourismusorte geworden. Die riesigen Bauzonenreserven, die verlockend steigenden Bodenpreise vielerorts und die bis vor kurzem vollständig fehlenden Regulierungen übten eine Sogwirkung auf die internationale Bodenmarktbörse aus.
Die Bodenpreise in den Zweitwohnungshochburgen Oberengadin und Unterwallis betragen derzeit bis zu 30’000 Franken, der Zweitwohnungsanteil stieg an vielen Orten weit über 50 Prozent. Kein Wunder, dass da Einheimische wie Gäste grollen und an vielen Orten "Stopp!" rufen. Der vom Parlament ausgearbeitete Gegenvorschlag zur Initiative überlässt sowohl die Obergrenze wie auch die konkreten Massnahmen den Gemeinden, also ausgerechnet denjenigen Behörden, die bislang munter an diesem Treiben via Steuereinnahmen verdienten. Tirol mit acht Prozent und Salzburg mit zehn Prozent Zweitwohnungsanteilsregelung zeigen, dass man sich diese spekulativen Kräfte einigermassen fernhalten kann, auch wenn dort der Vollzug nicht über alle Zweifel erhaben ist. "Wie wird der Tourismus die Bodenspekulation los?", ist eine der grössten Fragen, die es zu lösen gilt. Sie hat wohl auch mit der Problematik der Kluft von Arm und Reich und mit dem Image (sprich: Geldwert) des Tourismus zu tun. Damit sind wir bereits bei der zweiten Abstimmungsvorlage angelangt.
Besser wäre eine Entlastung während der Arbeit
Sechs Wochen Ferien für alle Arbeitnehmenden, die Initiative von TravailSuisse, wird mit dem Slogan "Timeout statt Burnout" beworben. In der Tat ist der heutige Minimalanspruch von vier Wochen seit 25 Jahren konstant geblieben, obwohl die Arbeitsbelastung stetig zugenommen hat. Zwar sind in dieser Zeit auch die Lohnkosten des Arbeitgebers für die Sozialversicherungen gestiegen, aber das nützt der/dem Einzelnen wenig, wenn die Entspannungszeit fehlt. Die Beschleunigungsgesellschaft ist längst Realität, und sie hinterlässt ihre Spuren. Die Folgekosten von Arbeitsstress belaufen sich auf mehrere Milliarden Franken.
Die zusätzlichen fünf bis zehn Ferientage würden die gestiegene Produktion seit den 80er Jahren kompensieren, argumentieren die InitiantInnen. Statt mit mehr Ferien hat man diese bisher mit mehr Lohn kompensiert – der von den jährlich grösser werdenden Anteilen für die Gesundheitskosten wieder geschluckt wird.
Eine eigentlich absurde Situation, findet der fairunterwegs-Koffer. Gewiss kann man mit mehr Ferien nicht dem Arbeitsstress entkommen. Der Umgang mit der täglichen Belastung erfordert gezielte und geförderte Entlastung während der Arbeit. Dies zeigt auch der Berufsstand der Lehrer, der derzeit trotz komfortablem Ferienbudget nicht zu beneiden ist. Man kann sicher gute Gründe für die Unterstützung der Ferieninitiative finden, doch angesagt wäre eine intensivere Auseinandersetzung mit unserer Arbeits- und Ferieneinstellung generell. Entspannungszeiten im Alltag, oder "Ferien auf Balkonien" gelten immer noch als Option der Minderbemittelten. Die Mehrheit ist der Urlaubsmanie verfallen, die zu weiterem Stress für die Ferienmenschen, die Bereisten (der fairunterwegs-Koffer kann von seinem kürzlichen Studienaufenthalt in Venedig ein Lied davon singen) und die Umwelt führt. Der fairunterwegs-Koffer wünschte sich ein Überdenken unserer grundsätzlichen Einstellung zur Trennung von Erwerbszeit und Freizeit. Ist Zeit letztlich nicht unteilbar?