Basel, 22.05.2014, akte/ Der fairunterwegs-Koffer ist erfreut: Einzelne Reiseveranstalter haben begonnen, die Respektierung der Menschenrechte durch ihre Geschäftstätigkeit zu überprüfen und zu verbessern. Damit entsprechen sie den Erwartungen, die der UN Menschenrechtsrat vor drei Jahren als Leitprinzipien verabschiedet hat. Gemeinsam mit NGOs haben sie erste Grundlagen und Hilfsmittel erarbeitet, um weitere Tourismusunternehmen für die systematische Respektierung der Menschenrechte zu gewinnen.

In den ärmsten Ländern gibt’s die höchsten Profite

Die Summe an direkten Auslandinvestitionen hat sich in den letzen zwanzig Jahren versiebenfacht und liegt heute bei rund 25 Billionen Dollar, eine Zahl mit zwölf Nullen, Tendenz steigend. Auslandinvestitionen kurbeln flaue Wirtschaften an und sind daher ein wichtiger Faktor wirtschaftspolitischer Strategien. Damit sie aber auch zu einer nachhaltigen Entwicklung führen und die Menschenrechte stärken statt verletzen, braucht es klare Regeln. Gerade in die ärmeren und ärmsten Länder fliessen ausländische Investitionen vermehrt, liegen doch die Kapitalrenditen dort bei 8 bis 13 Prozent, während der internationale Durchschnitt bei 7 Prozent liegt. Viel Geld fliesst in den Tourismus: Der überwiegende Teil touristischer Neuentwicklungen geschieht in Entwicklungsländern. Dieser Sektor ist besonders anfällig für Land- und Immobilienspekulation. Die Profite sind gross, Geld und Besitz wechseln oft die Hände, und wenn am Schluss das Geschäft mangels Nachfrage eingeht, haben sich viele Spekulanten schon eine goldene Nase verdient.
Die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) äussert sich im Investitionsbericht 2013 besorgt über die rasante Zunahme der internationalen Investitionsströme, die über schlecht zu kontrollierende Offshore-Finanzzentren und Zweckgesellschaften laufen, und empfiehlt eine bessere Regulierung und Kontrolle. Denn bei spekulativen Tourismusentwicklungen verliert die lokale Bevölkerung am meisten,  die Lebensgrundlagen und oft auch Steuergelder zur Verfügung stellen musste – häufig ohne dass sie dazu befragt wurde – und die auf leeren Betonruinen sitzen bleibt.
Aber im Geschäft mit den Reisen sind anständig operierende Reiseveranstalter nur die halbe Miete. Viele Menschenrechtsverletzungen finden statt, noch bevor das Hotel steht und das Reisebüro aktiv wird. Für touristische Neuentwicklungen werden Kleinbäuerinnen, Fischer, Indigene vertrieben, oder Wasserleitungen so gelegt, dass der Lokalbevölkerung nicht mehr genug bleibt. Schuld daran sind Regierungen, die es mit Umweltschutz und Menschenrechten zu wenig ernst nehmen, aber auch Investoren, die sich zu Komplizen solcher Regierungen machen. "Bei der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Investoren – was tut sich da eigentlich?", fragt sich der fairunterwegs-Koffer.

Die UN Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte gelten auch für Investoren

"Wie können Investoren dazu gebracht werden, Menschenrechte besser zu respektieren?" wollte der fairunterwegs-Koffer von Michael Windfuhr wissen, dem Stellvertretenden Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Windfuhr erklärt: "Für die Wahrung der Menschenrechte ist in erster Linie der Staat verantwortlich. Aber mit den UN Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechten wurde 2011 ein Instrument geschaffen, das auch Unternehmen in die Pflicht nimmt. In der Realität wird das noch viel Druck auf die einzelnen Akteure erfordern. Alle Länder sind jetzt erst einmal aufgerufen, nationale Aktionspläne zu formulieren."

Forderungen an die Investoren

Ironischerweise ist der Investitionssektor total überreguliert: 2011 gab es 3’164 internationale Investitionsabkommen mit zahlreichen Überschneidungen und Widersprüchen, die kaum jemand mehr überblickt. Dies führte aber nicht zu mehr Schutz von Menschenrechten bei Investitionen, sondern nur zu einer massiven Zunahme an Klagen von Unternehmen gegen Regierungen, die neue Gesetze zum Schutz der Umwelt oder der Bevölkerung erliessen. Viele der Investitionsabkommen laufen in den nächsten zwei Jahren aus, und die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) empfiehlt den Regierungen, neue Abkommen mehr auf ihre Bedürfnisse abzustimmen. Sie hat dazu 2012 einen Leitrahmen für Investitionsabkommen entwickelt, in dem die Interessen der Empfängerländer und die der Investoren besser ausbalanciert werden. Ein guter Ansatz, aber längst noch nicht das, was sich der fairunterwegs-Koffer unter einer menschenrechtskonformen Investitionspolitik vorstellt.
Im gleichen Jahr wie die UNCTAD hat auch die Europäische Union Massnahmen andiskutiert, etwa die Einführung von Auflagen bei Investmentfonds und Finanzinstituten, wonach Kunden (BürgerInnen, Unternehmen, Behörden etc.) über die Einhaltung der unternehmenseigenen Sozialstandards für eine ethische und verantwortungsvolle Investitionstätigkeit informiert werden müssen – also auch über ihre Menschenrechtspolitik.
Ebenfalls 2012 formulierten die Europäische Union und die USA gemeinsame Grundsätze für Auslandinvestitionen. Zu den Menschenrechten heisst es da: "Die Regierungen verpflichten sich, multinationale Unternehmen zu einer sozial verantwortungsvollen Geschäftstätigkeit anzuhalten." Bei der näheren Erklärung, was denn sozial verantwortungsvoll bedeutet, verweisen die EU und die USA auf die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Der fairunterwegs-Koffer ist etwas skeptisch, was eine "Verpflichtung zur Anhaltung" wohl bewirken wird. Aber das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte ist zuversichtlich: "Durch die Bezugnahme auf die OECD-Leitsätze und den Willen, auch Drittstaaten auf diese zu verpflichten, werden die Menschenrechte im Investitionsbereich zum permanenten Thema".

Reiseveranstalter können jetzt schon aktiv werden

Bis das greift, können allerdings noch viele Jahre ins Land ziehen. Die Ungeduld über die trägen Mühlen der internationalen Politik rumort nicht nur im Bauch des fairunterwegs-Koffers. Auch die Koalition Recht ohne Grenzen, zu der der arbeitskreis tourismus & entwicklung gehört, fordert den Bundesrat auf, endlich Nägel mit Köpfen zu machen und eine nach Risiken abgestufte, verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung für die Multis aller Branchen vorzuschlagen. Andernfalls schliesst die Koalition eine Volksinitiative nicht aus, für die gegenwärtig Vorabklärungen laufen.
Aber schon heute gibt es Möglichkeiten, Druck auf Investoren aufzubauen. Michael Windfuhr hebt eine Praxis des Reiseveranstalters Studiosus lobend hervor: "Hotels, die Partner von Studiosus werden wollen und weniger als ein Jahr alt sind, müssen nachweisen, dass für ihre Erstellung keine Leute vertrieben worden sind." Ein nachahmenswerter Ansatz, findet der fairunterwegs-Koffer.