Basel, 19.01.2012, akte/ Hotelbewertungsportale erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Monatlich 50 Millionen Besucher verzeichnet tripadvisor.com, 15,5 Millionen Besucher holidaycheck.ch. In Deutschland nutzen 31 Millionen Personen das Internet für ihre Urlaubsplanung. Gut ein Fünftel von ihnen sucht Informationen der Reise-Communitys. Die webgeübten Reisenden von heute orientieren sich an den Erfahrungen derer, die schon vor Ort waren und ihre Empfehlungen zu Hotels, Destinationen und Freizeitangeboten im Internet abgeben. "Was ist davon zu halten?", fragte sich der fairunterwegs-Koffer, und hörte sich etwas um.

Gewinner und Verlierer

Nicht alle Hoteliers sind glücklich über diese Entwicklung, brachte er in Erfahrung: Mit den Hotelbewertungsportalen werden Buchungen generiert, Marktanteile verschoben, Rangordnungen nach Weiterempfehlungsraten erstellt. Mehr Bewertungen führen zu mehr Beachtung, und da erfahrungsgemäss vier von fünf Online-KritikerInnen die besuchten Hotels empfehlen, führen mehr Bewertungen auch zu mehr Buchungen. Das freut vor allem die Hotels im Vier- und Fünfsternebereich, die dank ihrem Kundenvolumen viele Beurteilungen erhalten. Wer nicht mitmacht, so scheint es, hat schon verloren. Doch Mitmachen ist zeitintensiv: Wer mit seinem Hotel gut dastehen möchte, muss lesen, was die Gäste auf den vielen Portalen schreiben, nach erhaltener Kritik mit geeigneten Kommentaren den guten Ruf wiederherstellen, möglichst viele Informationen und Fotos einstellen, damit die Online-Community das Angebot auch lange genug beachtet, und eventuell auf der eigenen Website die Möglichkeit der Bewertungen einbinden.
Viele, aber nicht alle Reisenden sind glücklich über die Empfehlungen im Web. In einer Stern-Reportage berichtet ein Paar von schmutzigen Toiletten, Schimmel an den Wänden, kaputten Schränken und Lärm im türkischen Viersternhotel. Im Bewertungsportal hatte das Hotel mit einer Weiterempfehlungsrate von über 92 Prozent und Beschreibungen wie "angenehm" oder "exzellent" geglänzt. Doch die KritikerInnen auf Holidaycheck, Tripadvisor, Hotelzeugnis, Trivago, Ciao oder wie die Portale alle heissen sind anonym. Während die Mehrheit der Beurteilungen von "echten" Hotelgästen stammt, werden je nach Einschätzung zwischen zehn und dreissig Prozent so genannte "Fake-Kritiken" von Hoteliers und ihren Angestellten, von Werbefirmen oder bezahlten Kritikfälschern geschrieben, die gezielt das Angebot des Auftraggebers hochjubeln und das der Konkurrenz schlecht machen. Von solchen "Fakes" lassen sich die Betreiber von Bewertungsportalen trotz ihrer ausgeklügelten Filtersoftware und ihren DetektivInnen oft täuschen – und erst recht die BesucherInnen: Gemäss einer Studie aus dem Bundesstaat New York konnten 160 Test-UserInnen nicht besser zwischen echten und falschen Kritiken unterscheiden als der Zufallsgenerator. Als Reisende tun wir also gut daran, uns nicht nur von einer anonymen Online-Mehrheitsmeinung einlullen zu lassen, sondern auch offline bei Freunden und im Reisebüro nachzufragen. 

Buchen übers Bauchgefühl

In den Medien und auf den Bewertungsportalen selbst werden dem Online-Publikum in den letzten Jahren gut gemeinte Ratschläge gegeben: Während die Stiftung Warentest die unterschiedliche Seriosität der Portale überprüft und nur Holidaycheck als "gut" durchgehen lässt, raten in einem ZDF-Beitrag nicht näher bezeichnete "Fachleute" den Online-Buchenden, die Kritiken verschiedener Portale – die ganz unterschiedlich operieren – einfach zu vergleichen. Ausserdem wird den NutzerInnen allen Ernstes empfohlen, auf die Formulierungen zu achten (blumig, zu detailliert, dem Katalog entnommen), die Fotos auf Authentizität zu checken und das Profil des Verfassers zu überprüfen. Es dünkt den fairunterwegs-Koffer, dass da von den Reisenden etwas viel Medienkompetenz erwartet wird. Und während die BetreiberInnen der Portale so tun, als ginge es immer noch – wie in den Anfängen der Bewertungsportale – hauptsächlich um ein konsumentenschützerisches Angebot für Reisende, publizieren WissenschaftlerInnen ihre ersten Forschungen zu diesem viel versprechenden Marketinginstrument. Die global gestreute Online-Mund-zu-Mund-Propaganda verschafft den AnbieterInnen eine Reichweite, die mit den herkömmlichen Marketingmassnahmen nur schwer zu erreichen wäre, analysieren sie, und befinden: Die User suchen keine knifflige Orientierungshilfe, sondern vertrauen am liebsten einfachen Empfehlungen, etwa in Form von Punkten oder Sternen, und "weichen" Informationen, etwa zur Freundlichkeit des Personals.

Chancen der Online-Community nutzen

Doch bei aller Kritik: Der fairunterwegs-Koffer findet, die Entwicklung, die ohnehin kaum zu stoppen ist, sollte man für die guten Zwecke nutzen. Auch Nischenangebote haben eine Chance: Das "beste Hotel Europas 2011" ist nach Auswertung der Kritiken auf hotel.info das Gästehaus Hundhammer im deutschen Geisenhausen, mit zwei Sternen, sechs Zimmern und einfachster Ausstattung, wo die Übernachtung im Doppelzimmer 63 Euro kostet. Angesichts eines solchen Erfolgs möchte der fairunterwegs-Koffer alle sozial- und umweltverantwortlichen Hoteliers ermutigen: Stellt euer Angebot auf den Hotelbewertungsportalen vor! Die meisten dieser Portale sind nicht nur Bewertungs-, sondern gleichzeitig Buchungsportale. Die Kundschaft grenzt die Auswahl der Hotels anhand von Kategorien ein. Bislang kann sie zwischen der Anzahl Sterne und zwischen "All inclusive" oder "direkte Strandlage" wählen. Da bräuchte es unbedingt eine weitere Kategorie "sozial-/umweltverantwortlich". So würden mehr und mehr Online-KundInnen auf das Sozial- und Umweltengagement der Hoteliers aufmerksam, und eine gesunde Konkurrenz in Sachen Nachhaltigkeit könnte den Markt neu aufmischen.