Der Fairunterwegs-Koffer wünscht sich mehr Eigenverantwortung der Reisenden
Basel, 20.01.2011, akte/ Sicherheit ist gemäss der jüngsten Studie von Mondial Assistance bei Reisenden ganz klar ein Thema. 34 Prozent der Befragten zögern beim Buchen aus Angst vor Unruhen und Terror im Zielgebiet. Diese Angst ist noch grösser als die vor Unfällen, Erkrankung oder Naturkatastrophen. Die Reiseversicherungen machen dieser Tage gute Geschäfte. Sicherheit ist auch für die Reiseveranstalter ein Thema. Die grösseren Reiseveranstalter haben im Nachgang zu den Katastrophen wie dem Luxor-Massaker 1997 oder dem Tsunami 2004 ein Krisenmanagement eingerichtet und trainieren regelmässig auch unabhängig von Ernstfällen die Abläufe. Schliesslich ist auch der Konsularische Dienst des Eidgenössischen Departements für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) dabei, sein Krisenmanagement zu professionalisieren. „Ist das Reisen plötzlich viel gefährlicher geworden?“, fragt sich der fairunterwegs-Koffer.
Eine kurze Recherche scheint dies zu bestätigen: Weltweit haben Naturkatastrophen wie Stürme, Erdbeben, Hochwasser, Vulkanausbrüche, Dürren und Hitzewellen stark zugenommen und bedrohen touristischen Anlagen und Feriengäste ebenso wie Ansässige. Klar zugenommen hat auch die Zahl der Krisenfälle, die das EDA zu bewältigen hat. Waren es zwischen 2001 und 2007 zwei bis drei Krisenfälle pro Jahr, zählte man in der ersten Hälfte 2010 bereits zwölf: etwa entführte Schweizer auf den Philippinen und im Tschad oder die politische Krise in Thailand. Jährlich werden weltweit über 15’000 Menschen entführt, immer öfter Auslandmitarbeitende oder Auslandreisende.
Höhere Erwartungen – mangelnde Vorbereitung und Vorsicht
Der Bericht des EDA zum letzten Jahr sagt dazu: "Infolge der stark gesunkenen Transportkosten namentlich im Flugverkehr und der Möglichkeit, Reisen individuell über das Internet zu organisieren, haben die Auslandreisen massiv zugenommen. Ihre Zahl liegt heute bei rund 16 Millionen jährlich. (…)Naturkatastrophen, Konflikte, Unfälle und Gewalt treffen im Ausland auch Schweizer Staatsangehörige. Entführungen und Geiselnahmen sind häufiger geworden. Daher kommt es heute wesentlich öfter vor als früher, dass Schweizerinnen und Schweizer im Ausland in Krisen und Notsituationen geraten." Entführungen konsularisch zu begleiten ist viel aufwändiger, als etwa nach einem Raubüberfall auszuhelfen, und die konsularische Arbeit in Krisenfällen ist äusserst komplex. Das erklärt auch, weshalb der Aufwand des konsularischen Dienstes gestiegen ist, obwohl die Anzahl der Schutzfälle über Jahre hinweg bei rund 2’000 Fällen relativ stabil geblieben ist. Die EDA führt noch weitere Gründe an: "Die hohe Erwartungshaltung der von einem Ereignis im Ausland Betroffenen, mangelnde Vorbereitungs- und Vorsichtsmassnahmen bei Fernreisen, zu geringe Beachtung der Notwendigkeit eines genügenden Versicherungsschutzes sowie die rasche Verbreitung von Meldungen über Unglücksfälle in den Medien tragen zu dieser Entwicklung bei."
Der fairunterwegs-Koffer übersetzt: Offenbar müssen immer mehr Steuergelder in den konsularischen Dienst auch deswegen investiert werden, weil sich einige Reisende ungenügend vorbereiten und zu wenig Vorsicht walten lassen, dann aber sofortige Hilfe einfordern, wenn sie in die Bedrouille geraten. Medien berichten heute fast in Echtzeiten von Krisen und Entführungen, was den Druck auf den konsularischen Dienst verstärkt. Die mangelnde Eigenverantwortung eines Teils der Ferienreisenden kommt den Steuerzahler teuer zu stehen. Der fairunterwegs-Koffer fordert deshalb Reisende auf, Gegensteuer zu geben.
Sicherheit der Reisenden fusst auf der Sicherheit der Lokalbevölkerung
Sobald Reisende sich für ein Ferienziel entschieden haben, ist es ihre erste Aufgabe, die Reisehinweise des EDA zu studieren. Je unbekannter das Land, desto mehr Quellen sollte man beiziehen. Wer etwa nach Jemen reist, soll wissen, dass dort die Gefahr von Entführungen oder terroristischen Anschlägen überdurchschnittlich hoch ist, und auch, dass bei den verschärften Sicherheitsmassnahmen der Regierung Menschenrechte aufs Gröbste missachtet werden. Das EDA rät von touristischen Reisen nach Jemen ab. Wer sich über die Reisewarnungen des EDA hinwegsetzt, muss wissen, dass die meisten Reiseversicherungen die Haftung im Schadensfall ablehnen.
Darüber hinaus sollten sich Reiselustige fragen, warum in einer bestimmten Destination gerade touristische Anlagen öfter angegriffen werden. Reisen sind nicht einfach das Konsumgut, als das sie auf Internetseiten und in Hochglanzkatalogen von Veranstaltern angeboten werden. Für die Lokalbevölkerung bringt die touristische Entwicklung oft Unsicherheit: Vertreibungen, Frauen- und Kinderhandel, Drogen, Platzverweise, Preissteigerungen, Verlust traditioneller Einkommensmöglichkeiten. Währenddessen verdient oft nur eine kleine, nicht selten korrupte Elite daran. Der Tourismus kann in den Augen der Lokalbevölkerung als Sinnbild für die kolonialistische Übernahme des Landes durch ausländische Unternehmen stehen, die es für spekulative Gewinne verbauen. In den opulenten Tourismusresorts, die mit Mauern und Stacheldrahtzäunen befestigt und von staatlich besoldeten Beamten der „Tourism Police“ geschützt werden, kristallisiert sich das Unrecht, das unter menschenrechtsverachtenden Regimes geschieht. Auf diesem Portal zeugen viele Berichte davon. Wo Einheimische bei der Tourismusentwicklung nichts zu sagen haben und nicht angemessen davon profitieren, besteht immer das Risiko, dass Ferienreisende irgendwann zur Zielscheibe von aufständischen, fundamentalistischen, terroristischen oder einfach kriminellen Gruppierungen werden.
Tourismus im Austausch mit der Lokalbevölkerung
Eric Apelgren, Tourismus- und Entwicklungsberater in Südafrika, bringt es auf den Punkt: "Wenn ein Reiseveranstalter direkte Kontakte zu den Gemeinschaften pflegt, werden auch die TouristInnen eine bessere Beziehung zur ansässigen Bevölkerung haben. Und das trägt entscheidend zu ihrer Sicherheit bei." Eine gut mit der Lokalbevölkerung abgesprochene und in eine nachhaltige Gesamtentwicklungsstrategie passende Förderung des Tourismus hätte noch viel mehr Vorteile, ist der fairunterwegs-Koffer überzeugt, und würde sich wünschen, dass Reisende dies zu einem Hauptkriterium für ihre Buchung machen würden. Tourismusbauten direkt an der Küste und vor Flutwellen und Stürmen ungeschützt, weil Dünen abgetragen und Mangrovenwälder abgeholzt wurden, wären dann die Ausnahme statt wie heute die Regel. Es würden weniger Golfanlagen und Wasserlandschaften gebaut, welche den umliegenden Kleinbauern das Wasser abgraben. Vielleicht wäre das Schwelgen im abgeschirmten Fünfsterneluxus inmitten einer unter der Armutsgrenze darbenden Bevölkerung seltener. Doch Begegnung und ungezwungener Austausch mit den Einheimischen in einer Atmosphäre der Sicherheit sind dafür ein lohnender Ausgleich.
Wer vor dem Buchen zögert und sich nochmals seriöser mit Sicherheitsfragen beschäftigt, tut also das einzig Richtige.