Auch wenn der Name auf den ersten Blick gar nicht unbedingt mit Frauen zu tun hat: Bei den vier Sinn&Gewinn Hotels ist die Förderung der Frauen in ihren Rechten zentral – sowohl auf Kunden- als auch auf Mitarbeiterebene (siehe Box). "Das Thema Frauen ist in unserer Unternehmens-DNA fest verankert", meint Geschäftsführerin Verena Kern Nyberg. Den Brand habe man sich erst letztes Jahr gegeben, vorher hiess die Trägerschaft Frauenhotel AG. Doch da man bereits seit über 15 Jahren auch Männer in zwei der inzwischen vier Häuser als Gäste willkommen heisst, war ein Namenswechsel überfällig.

Die Hotelgäste braucht’s, damit Frauen in Not hier leben können

Zudem steht die Wortkombination für das, was Verena Kern Nyberg mindestens genauso wichtig ist: die Verbindung von sinnvoller Gemeinnützigkeit mit wirtschaftlichem Kalkül. Denn erst die Wirtschaftlichkeit der Häuser ermögliche überhaupt das soziale Engagement.

Der Wunsch nach mehr Professionalisierung war es denn auch, der die Liegenschaftsbesitzerin der vier Häuser, die Stiftung Compagna Conviva antrieb, nach einem professionellen Hotelbetreiber Ausschau zu halten. Die Frauenhotel AG al Betreiberin wurde gegründet, die erfahrene Hôtelière Verena Kern Nyberg als Geschäftsführerin vor knapp sieben Jahren engagiert. Mit der diese Woche abgeschlossenen sanften Renovierung des vierten Hauses, der im letzten Jahre von der Hotelbetreiberin übernommenen Pension Bienvenue in Lausanne, ist das Ziel nun vorerst erreicht. Die Pension reserviert wie die Schwesterpension "Josephine’s" in Zürich ein Viertel der Zimmer für Frauen in Notsituationen, die unter anderem über das Sozialamt oder von einem Frauenhaus an sie vermittelt werden. Bis zu sechs Monate leben die Frauen übergangsweise hier, im Durchschnitt sind es zwei. Oft sind es Frauen, die Gewalt erfahren haben, mit den entsprechenden psychischen Konsequenzen. Nicht selten zahlt direkt das Sozialamt die monatliche Zimmerrate. Im Gegensatz zu den beiden Hotels sind die Pensionen Frauen vorbehalten – ob als Hotel- oder Longstay-Gäste.

Verena Kern Nyberg stellt fest, dass auch unter den jungen Gästen, das Sein unter ausschliesslich Frauen wieder geschätzt wird. "Nur Frauen in einem Guesthouse: Das hat einen ganz eigenen Groove", so die Hôtelière. Da gingen auch Hotelgäste mal mit nassen Haaren und Handtuchturban auf dem Kopf zum Frühstück. Eine entspannte Atmosphäre, die anscheinend gut ankommt, genauso wie die Gemeinschaftsküche, in der sich Hotel- und Langzeitgäste etwas zubereiten können und am langen Tisch gemeinsam frühstücken. Das, was urbane Lifestyle-Konzepte in ihrer "public area" als Neuheit feiern, hat in den beiden Pensionen der Sinn&Gewinn Hotels Tradition. Im "Bienvenue" liegt die Auslastung dank tiefer Preise bei fast 100, im höherpreisigen Josephine’s Guesthouse immerhin noch bei 89 Prozent. Die Auslastung könnte noch besser sein – mit mehr Longstay-Gästen.

Doch auch hier ist es die nötige Wirtschaftlichkeit, die, so steht es in der Strategie, vorschreibt, dass der Anteil der Longstay-Logiernächte nicht mehr als die Hälfte aller ausmachen dürfe. Man brauche die höheren Zimmerraten der Hotelübernachtungen, damit die Rechnung aufgehe, verdeutlicht Kern Nyberg. Deshalb sind auch die grössten Zimmer, welche die höchsten Zimmerraten versprechen, Hotelgästen vorbehalten. Wie leben "normale" Hotelgäste und Frauen in Not zusammen unter einem Dach? Beide Seiten schätzten den Mix, beobachtet Verena Kern Nyberg. "Wichtig ist, dass keine akute Substanzabhängigkeit besteht und dass die Körperhygiene stimmt." Gebe es trotzdem einmal Probleme, "dann schreiten wir ein und im Notfall kündigen wir der Bewohnerin."

Sinnvolle Arbeit, aber auch das Investment wieder reinholen

Die sanfte Renovierung beim Lausanner "Bienvenue" steht stellvertretend für den Pragmatismus der Sinn&Gewinn Hotels: So viel Investitionen und Wirtschaftlichkeit wie nötig, damit das Gemeinnützige mitgetragen werden kann. "Wir wollen nicht nur sinnvolle Arbeit machen, sondern auch das Investment wieder reinholen", betont die Geschäftsführerin. In Lausanne setzte man in dem Gebäude aus der Jahrtausendwende bei der aktuellen Renovierung deshalb auf Vintage-Charme statt auf viel Modernisierung. Selbst die Etagenbäder sind geblieben, dafür findet der Hotelgast neu einen Bademantel in den Zimmern vor. Diesen verpasste man eine stimmiges Farbkonzept, der Gast soll sich wohlfühlen. Eine "Modernisierungskur" für den Vertrieb steht noch an.

Während die beiden Pensionen Zufluchtsort für Frauen in Not sind, liegt das soziale Engagement bei den beiden Sinn&Gewinn Hotels Ladys First und Marta in Zürich in der Arbeitsintegration. Beim Ladys First sind zehn Arbeitsplätze für Frauen mit psychischer oder geistiger Beeinträchtigung reserviert, beim Marta sind es neun und zehn für junge erwerbslose Frauen. Die Mitarbeiterinnen mit den erschwerten Voraussetzungen erhalten einen ihrer Leistung angemessenen Lohn, zusätzlich zu ihrer IV-Rente. Damit die Personalkostenrechnung aufgeht, sind die Betriebe auf Vereinbarungen mit der öffentlichen Hand angewiesen. Denn bei den Mitarbeiterinnen mit psychischer oder geistiger Beeinträchtigung bestehe ein laufender Mehraufwand: Die Hotels beschäftigen zum Beispiel arbeitsagogisch und sozialpädagogisch geschulte Mitarbeiterinnen, die die Frauen betreuen und im Arbeitsalltag begleiten. "Wir bekommen ausschliesslich unseren Mehraufwand entschädigt", betont Kern Nyberg. 

Stellenbesetzung: Hier haben Frauen immer den Vorrang

Auch bei der Mitarbeiterpolitik dreht sich in den Sinn&Gewinn Hotels alles um die Frau. "Wir stellen explizit gerne Frauen an", so Geschäftsführerin Verena Kern Nyberg. Ein Mann komme nur zum Zuge, wenn für den Posten keine Frau gefunden wird. Bei fünf von total 65 Mitarbeitenden der Sinn&Gewinn Hotels ist das der Fall, unter anderem in der Haustechnik. Bei der Mitarbeitersuche auf Frauen setzen und diesen flexible Arbeitspensen anbieten, ist für Kern Nyberg eine Antwort auf den Fachkräftemangel. "Die besten Mitarbeitenden sind jene, die Privat- und Berufsleben vereinen können."

Sinn&Gewinn Hotels: Vier Betriebe und ihre Zahlen und Fakten

Hinter den Sinn&Gewinn Hotels steht die 1998 gegründete gemeinnützige Frauenhotel AG. Sie betreibt aktuell vier Betriebe, jeder mit zwei operativen Konzepten – einem gemeinnützigen und einem Marktkonzept. Alle bieten Übernachtung mit Frühstück.

Hotel Ladys First, Zürich: 28 Zi., Wellnessbereich exklusiv für Frauen; im NZZ-Ranking 2018 bestes 3-Sterne-Hotel Zürichs. Auslastung 72%; Arbeitsintegration für Frauen: 10 Plätze.

Hotel Mara, Zürich (2 Sterne): 39 Zi., DZ ab CHF 115, Auslastung 90%,; Arbeitsintegration für Frauen: 19 Plätze.

Josephine’s Guesthouse, Zürich: 39 Zi. mit Bad; Preis/Nacht: ab CHF 85; 25% der Zimmer für Frauen in Not: Monatsmiete inkl. Frühstück, Internet, Gemeinschafts- und Waschküche im Haus: CHF 1380; Gesamtauslastung 89%.

Pension Bienvenue, Lausanne: 27 Zi. mit Etagendusche, Preis/ Nacht: CHF 70; Monatsmiete (Leistungen wie im Josephine’s): CHF 530-70; Gesamtauslastung: 95%.