Der Gigantismus greift um sich
Die wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde Tujetsch zuoberst in der Surselva ist charakteristisch für Schweizer Berggemeinden: Jahrzehntelang lebte die Bergbevölkerung von der Landwirtschaft. Dann, in den sechziger Jahren, eröffneten der Bau der Stauseen und die Nutzung der Wasserkraft ganz neue Möglichkeiten. Dank der reichlich fliessenden Wasserzinsen konnte die Infrastruktur verbessert werden.
Und so entwickelte sich die Grossgemeinde Tujetsch, zu der auch der Ferienort Sedrun gehört, innerhalb von nur 30 Jahren von einer Bauerngemeinde zur touristischen Destination. Im Winter stehen nun Skipisten, im Sommer über 200 Kilometer Wanderwege zur Verfügung.
Die eindrückliche Landschaft ist damit zum eigentlichen Reichtum der gemeinde Tujetsch geworden. Dieser Reichtum ist jedoch gefährdet, wenn die weitere wirtschaftliche Entwicklung nicht in vernünftige Bahnen gelenkt wird.
Rüge ignoriert…
Mit der Ortsplanrevision von 2008 hätte es die Gemeinde Tujetsch in der Hand gehabt, diese Entwicklung zur steuern. Doch die zuständigen Behörden verzichteten auf eine haushälterische Perspektive und schieden grosszügig Wohnbauzonenreserven aus, welche die Vorgaben im kantonalen Richtplan übertrafen.
Dieser verschwenderische Umgang mit dem kostbaren Gut Boden und Landschaft wurde vom Regierungsrat im Jahr 2009 zwar akzeptiert, gleichzeitig hielt dieser aber fest, dass "allfällige (weitere) Wohnbauzonenvergrösserungen in absehbarer Zeit kaum Aussicht auf eine Genehmigung haben werden."
…und aufgehoben
Doch dieser Entscheid ist bereits wieder über den Haufen geworfen worden: Denn im Sog des Grossprojekts Andermatt soll nun auch auf der anderen Seite des Oberalps ein Grossresort entstehen, von dem man sich Wunder erhofft. Auf 30’000 Quadratmetern sollen an der Talstation der Bergbahnen in Dieni nebst rund 100 Hotelzimmern auch 2’300 Ferienwohnungen sowie Shops und Restaurants entstehen.
Damit müssen bereits wieder drei weitere Hektaren eingezont werden – was der Regierungsrat nun plötzlich schlucken will. Der geplante Hotelbetrieb könne nur dank der Quersubventionierung durch die Zweitwohnungen rentabel geführt werden, argumentiert die Regierung. Deshalb sei eine Neueinzonung unumgänglich, und die Belastung des Landschaftsbildes müsse in Kauf genommen werden. Von der Grossüberbauung mit bis zu sieben Stockwerken Höhe wäre eine regional geschützte Landschaft betroffen.
Unabhängig von der Zonenfrage ist das Projekt jetzt noch zusätzlich unter Druck geraten: Nach Annahme der Zweitwohnungsinitiative ist es mehr als fragwürdig, ob dieses Projekt rechtskonform ist. Denn bereits heute hat die Gemeinde Tujetsch einen Zweitwohnungsanteil von rund 50 Prozent und dürfte deshalb keine weiteren Zweitwohnungen bewilligen.
Dieser Beitrag erschien im Pro Natura Magazin 3/2012 vom Mai 2012. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.
Zwischen Andermatt und Sedrun soll ein komplett neues Skigebiet innert weniger Jahre aus dem Boden gestampft werden. Mit der Zielgrösse von 800’000 Skifahrer-Tagen pro Jahr will Andermatt-Sedrun nach eigenem Bekunden in die Grössenordnungen von Zermatt, Verbier und St. Moritz vorstossen, den grössten Skigebieten in der Schweiz. Dazu braucht es das Doppelte des heutigen Besucheraufkommens. Der Kanton Uri unternimmt alles, damit die gigantische Skidestination so rasch als möglich gebaut werden kann. Der ebenfalls betroffene Kanton Graubünden bietet dazu Hand. Die Umweltverbände beanstanden die Erschliessung noch unberührter Geländekammern mit Anlagen und Pisten, welche beschneit werden sollen. Das Grossprojekt zerstört im grossen Stil und unwiederbringlich Natur- und Landschaftswerte. Ausserdem wäre der Wasser- und Energiebedarf für die flächenhafte Beschneiung unverhältnismässig. "Was aktuell auf dem Tisch liegt, ist ein fehlerhaft geplantes Grossskigebiet, das ohne Rücksicht auf Natur und Landschaft, auf Druck der Investoren im Schnellzugstempo von allen durchgewinkt werden soll. Dagegen wehren wir uns", so Pia Tresch, Geschäftsstellenleiterin von Pro Natura Uri. Verschiedene Umweltverbände haben beim Bundesamt für Verkehr Einsprache gegen das Projekt in dieser Form eingereicht.
Quelle: www.gigantismus-andermatt.ch;