Der Kampf gegen die Wilderei lässt sich nur mit der Bevölkerung gewinnen
Basel, 28.01.2014, akte/ Wer nach Afrika reist, will meist die "grossen Fünf" sehen: Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard. Safaris und Naturparks spielen für die Reisenden und die Tourismusbranche eine wichtige Rolle. Die Tiere sind nicht nur zentral für den Erhalt der Artenvielfalt und den typischen Lebensraum in der Savanne, sondern sie sind über die Einnahmen aus dem Tourismus auch Lebensgrundlage für Millionen von Menschen, wie die Weltbank errechnet hat. Gemäss ihrem Tourismusbericht 2013 arbeiten 5.3 Millionen Menschen in Afrika südlich der Sahara direkt in der Tourismusindustrie, weitere 6.5 Millionen Menschen in damit verbundenen Wirtschaftszweigen. Das ist immerhin jede zwanzigste Person.
Gleichzeitig sind Wilderei und Wildtierhandel zum viertwichtigsten Zweig der international organisierten Kriminalität geworden. Nach Schätzung von Europol beläuft sich das Geschäft mit dem illegalen Wildtierhandel und der Wilderei auf 18 bis 26 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist mehr, als mit Drogen, der Produktpiraterie oder dem Menschenhandel verdient werden. Medienberichten zufolge finanzieren sich Terrororganisationen verschiedener Länder wie Al-Shabaab und die Janaweed bereits über die Elefantenwilderei. Das sind militarisierte Gruppierungen die töten, vergewaltigen, plündern und die Wirtschaft ganzer Länder destabilisieren. Die Terrorattacke auf das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi/Kenia vergangenen September wurde beispielsweise von den Al-Shabaab verübt. Wilderei und Wildtierhandel sind zu einem nationalen und internationalen Sicherheitsproblem geworden.
Das Spitzmaulnashorn ist bereits ausgerottet
Um 5’000 Prozent sei die Nashorn-Wilderei in Südafrika zwischen 2007 und 2013 hochgeschnellt, von 13 auf 688 Nashörner, berichtete der WWF anlässlich des Welt-Nashorntags am 22. September 2013. Jüngst wurde das Spitzmaulnashorn für ausgerottet erklärt. Gemäss dem internationalen Naturschutzbund IUCN hat sich die Anzahl der durch Wilderer getöteten Elefanten in den letzten zehn Jahren verdoppelt und die Menge des beschlagnahmten Elfenbeins verdreifacht. 22’000 Elefanten wurden 2012 gewildert, im letzten Jahr stieg die Zahl der getöteten Dickhäuter auf 40’000. Selbst der sogenannte König der Wildnis fristet ein fragiles Dasein: Lebten vor 5 Jahren rund 100’000 Löwen in ganz Afrika, sind es heute je nach Schätzungen gerade noch zwischen 15’000 und 35’000 Individuen – gejagt, gewildert, vergiftet oder verdrängt.
Triebfedern dieser Entwicklung sind Schwächen der Staatsführung, Armut – und die boomende Nachfrage. Trinkgefässe aus Elfenbein sind beliebte und statusträchtige Geschenke in China, wo immer mehr Menschen sich solche Luxusgüter leisten können. Unglaubliche 70 Prozent der KonsumentInnen dort meinen immer noch, das Elfenbein stamme von natürlich verendeten Tieren. Würde der Staat China etwas dagegen machen wollen, könnte er über die staatlichen Medien die falschen Annahmen berichtigen.
Krieg gegen Wilderer
Zunehmend scheint sich die Bekämpfung der Wilderei und des Wildtierhandels auf militärische Aspekte zu konzentrieren. 2012 machte die damalige US-Statssekretärin Hillary Clinton auf die zunehmend moderne Ausrüstung der Wilderer mit Helikoptern und automatischen Waffen aufmerksam. Im gleichen Jahr sprach der kenianische Botschafter in den USA bei Clinton vor und bat um die Entsendung von US-Marinesoldaten, um gegen die "üble Dreistigkeit der Wildererbanden" vorzugehen, die Kenias Wildbestand dezimierten. Michel Fay, technischer Berater der Nationalparkbehörde Gabuns, erklärte vor einem Ausschuss des US-Kongresses, afrikanische Regierungen würden ohne die Hilfe von US-Militär und Geheimdiensten die Kontrolle über die von Wilderern destabilisierten Regionen verlieren. Und jüngst lancierte US-Präsident Obama einen Zehn-Millionen-Dollar-Plan zur Bekämpfung des illegalen Wildtierhandels, mit dem unter anderem eine hochdotierte internationale Konferenz gegen Elfenbeinhandel in Gaborone/Botswana organisiert wurde.
Als eine von vierzehn Massnahmen wurde der Wildtierhandel an diesem internationalen "Elefantengipfel" im vergangenen Dezember als "Kapitalverbrechen" klassifiziert, ein Schritt, der zu einer engeren Zusammenarbeit von Polizei- und Militärbehörden im Rahmen der UN-Konvention gegen das organisierte Verbrechen führen soll. Konkrete Massnahmen sind die gegenseitige Rechtshilfe, Beschlagnahmung und Zerstörung der Waren sowie Ausweisung und andere Instrumente vor, um Täter zur Verantwortung zu ziehen. In verschiedenen Ländern wurden die Strafen gegen Wilderer verschärft.
Das Geschäft ist zu lukrativ
Aber sind die militärischen Mittel überhaupt wirksam? Die bisherigen Erfahrungen im Kruger National Park, der als am besten geführter Wildtierpark in Afrika gilt und in dem mit 10’000 Exemplaren die höchste Nashornpopulation lebt, waren enttäuschend. Sam Ferreira, Experte für die Nashörner der südafrikanischen Wildtierparks, berichtete anlässlich eines Treffens der Vertragsparteien des Biodiversitätsabkommens (CITES) im März letzten Jahres, dass die Anzahl gewilderter Nashörner rasant gestiegen war, obwohl die Ranger, unterstützt von der südafrikanischen Armee, mehr Wilderer verhaftet hatten. Das militärische Vorgehen scheint also ineffektiv. Ferreira begründete dies mit den hohen Gewinnaussichten für die Wilderer. Seiner Meinung nach müsse das Problem von der Nachfrageseite her gelöst werden.
Die Regierungen in China und anderen asiatischen Ländern, in denen die Nachfrage nach Wildtierknochen für traditionelle Heilmittel (für die es längst Ersatzstoffe gibt) oder Luxusgüter hoch ist, müssten also handeln, und beispielsweise über neue Gesetze die Verarbeitung von Elfenbein in ihren Fabriken verbieten. Doch dazu fehlt der Wille: "Die meisten Wilderer in Afrika sind Afrikaner", sagte Meng Xialin, Direktor der chinesischen CITES-Delegation, gegenüber einer staatlichen Tageszeitung. "Die Lokalbevölkerung lebt in Armut und das Wildern ist für sie ein lukratives Geschäft. Letztendlich liegt die Lösung darin, ihren Lebensstandard zu heben und neue Einkommensquellen zu erschliessen."
Belebte Lebensräume: Eine Balance zwischen Mensch und Tier
Tatsächlich gehört die Besserung des Lebensstandards der Lokalbevölkerung zu den vielversprechendsten Massnahmen gegen die Wilderei. In Südamerika galt das Vicuña-Kamel 1974 als fast ausgerottet, weil seine Wolle so teuer gehandelt wurde. 1975 wurde der Handel mit der Wolle von CITES verboten. Danach wurde illegal weiter gehandelt. Erst als die Schutzprogramme eine enge Zusammenarbeit mit der Lokalbevölkerung einging, besserte sich die Situation. Die Dorfbevölkerungen wurden ermutigt, selbst für den Erhalt des Vicuña-Bestands zu sorgen. Ihnen wurde erlaubt, in einem verträglichen Mass zu jagen, die Kamele als Haustiere zu halten und die Wolle zu verkaufen. Heute gibt es wieder etwa 350’000 Vicuña-Kamele, und die Population wächst.
Zwar gehört die stärkere Zusammenarbeit mit der Lokalbevölkerung für den Schutz der Wildtiere auch zum Bündel der Massnahmen, die am "Elefantengipfel" in Gaborone/Botswana beschlossen wurden. Fraglich ist bloss, welcher Raum einer solchen Zusammenarbeit neben der angesagten militärischen Verfolgung von Wilderern und der Wirtschaftsentwicklung eingeräumt wird. Bei der Artenvielfalt geht es ja immer auch um die Frage, wie das günstigste Gleichgewicht zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen aussieht, damit sich möglichst viele Arten in einem begrenzten Gebiet entfalten können.
Modernisierung auf Kosten der Tiere
In Tansania, einem Hotspot der Elefanten-, Nashorn- und Löwenwilderei, sind die Tiere nicht nur durch Wilderer bedroht. Ihr Lebensraum wird zunehmend durch die forcierte Modernisierung beengt. Die Regierung Kikwete setzt auf kommerziellen Landbau, Industrieprojekte und die Förderung von Bodenschätzen inmitten des natürlichen Lebensraums der Tiere. Zu den Plänen gehören der Abbau von Uran in Selous und den angrenzenden Naturgebieten sowie der Bau einer Schnellstrasse durch den weltberühmten Serengeti-Nationalpark. Letztere soll Rohstofftransporte aus dem Inneren des Kontinents an die Küste verkürzen – sie würde die jährlichen Wanderungen von Millionen Tieren unterbrechen. In der Bucht von Mwambani am Indischen Ozean soll die Natur einem neuen Exporthafen weichen. Das Projekt bedroht den Tanga Coelocanth Meeresnationalpark und die dort lebenden, extrem seltenen Quastenflosser. Diese Riesenfische haben sich als lebendige Fossilien seit 400 Millionen Jahren kaum verändert. Am Natronsee, dem Hauptbrutplatz der Zwergflamingos, ist zudem eine Soda-Fabrik geplant. Noch bilden dort 2.5 Millionen Vögel die weltweit grösste Kolonie dieser Art.
Die Naturschutzorganisation Rettet den Regenwald in Hamburg fordert die tansanische Regierung mit einer Petition auf, die geplanten Projekte zu stoppen und sich konsequent für den Wildtierschutz einzusetzen.