Die Spannungen in der Gemeinde Casiguran stiegen am Tag der Ankunft der internationalen Delegation mit den beiden Bischöfen drastisch an. Die Aggression gegen die Anwohnerinnen und Anwohner des Apeco-Geländes war jetzt spürbar. Da waren etwa die Apeco-Baumannschaften, die unbemerkt von vielen Bauernfamilien gewissermassen über Nacht einen Entwässerungskanal gegraben hatten, was zu Überschwemmungen der Felder während der Regenzeit führte. Vor allem aber war da der Stacheldrahtzaun, der wie aus dem Nichts zwischen den Häusern neben dem neuen Flugfeld aufgetaucht war. Die Gerüchte machten die Runde, dass eine neue Welle der Vertreibung unmittelbar bevorstand: Das Projektmanagement hatte Pläne für eine 300 m lange Verlängerung des Flugfelds offengelegt, einmal mehr, ohne die Betroffenen zu informieren.
Paradies am Ende der Welt
Einst war Casiguran eine dünn besiedelte, abgelegene Gegend. Der Dschungel bildet seit Urzeiten den Lebensraum für das Volk der Agtas. Zwischen dem Ufer des Pazifik und den Bergen der Sierra Madre war genug Platz für Fischer- und Kleinbauernfamilien. Keine Strasse, einzig üppige Vegetation. Ein eigentliches Paradies am Ende der Welt. Bis die Angara-Familie, der einlussreiche politische Clan der Provinz Aurora, auf die Idee kam, hier eine Wirtschaftszone zu errichten: 12’923 Hektaren, halb so gross wie der Kanton Genf. In der Zwischenzeit wurde ein Flugfeld gebaut. Geplant sind Industrie- und Tourismusanlagen. Auch ein grosser Hafen soll hier entstehen. Apeco wurde als "neues Tor zum Pazifik" hochgejubelt. Das Riesenprojekt versprach wirtschaftliche Entwicklung für eine der ärmsten  Provinzen der Philippinen. Doch bisher hat die Wirtschaftszone vor allem eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen, Beschwerden und politische Ungereimtheiten verursacht. Sogar der "Philippine Daily Inquirer" – eine der führenden Zeitungen des Landes – beklagte sich in einem Kommentar: "Vor dem Projektstart wurde keine adäquate Machbarkeitsstudie und auch kein Business-Plan erstellt. Weder wurden irgendwelche technischen oder hydrologischen Untersuchungen durchgeführt, noch gab es Pläne für einen Flug- oder Seehafen." Die negativen Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung für die Landwirtschaft und Fischzucht sind fatal. Die Eingeborenen der Ethnie Agtas, aber auch Kleinbauern- und Fischerfamilien werden von ihrem Land vertrieben und ihrer Lebensgrundlage beraubt. Zahlreiche Anhörungen im Senat und Gespräche mit Regierungsverantwortlichen haben stattgefunden. Ein erster Erfolg ist, dass die Menschenrechtskommission einen Untersuchungsausschuss eingesetzt hat, der die Legalität von Apeco prüfen soll.
Entscheidende Rolle der Kirche
Die Kirche spielt innerhalb der Anti-Apeco-Bewegung eine entscheidende Rolle: Priester vor Ort helfen den Betroffenen, sich zu organisieren und für ihre Rechte einzustehen. Zu den prominentesten Gegnern gehört der Bischof der betroffenen Prälatur Infanta: Bischof Rolando Tirona, ein langjähriger Partner von Fastenopfer. Um dem Widerstand der lokalen Bevölkerung den Rücken zu stärken, organisierte er zusammen mit Fastenopfer einen Solidaritätsbesuch einer internationalen Delegation. Aus der Schweiz reiste dazu der Basler Bischof Felix Gmür an, den Bischof Tirona bei einem Besuch in der Schweiz persönlich kennengelernt hatte. Während des dreitägigen Besuchs war die sechs Personen aus Europa umfassende Delegation zu Gast bei sieben Gemeinschaften in Casiguran. Bischof Felix Gmür zeigte sich vom Besuch der Agtas-Schule beeindruckt, die von Fastenopfer unterstützt wird: "Das war sehr eindrucksvoll. Ich habe gesehen, wie sich die Menschen für ihre Zukunft engagieren. Ihnen ist es nicht egal, was mit Apeco geschieht. Ihnen ist wichtig, dass es weitergeht, nicht gegen sie, sondern zusammen mit der ganzen Bevölkerung."
Umsiedlung in Risikozone
Die Delegation inspizierte unter anderem die Hügel auf der San-Ildefonso-Halbinsel, wohin die Agtas umgesiedelt werden sollen – gemäss den Apeco-Managern. Doch in unmittelbarer Nähe zum vorgeschlagenen Siedlungsgebiet stellte die Delegation alle möglichen Erdrutsche fest. Das ganze Teilprojekt erwies sich als eine Anhäufung von Schwachstellen. Da stellt sich unweigerlich die Frage: Steckt da Absicht dahinter? Der niederländische Pater Ben Verbeme brachte es auf den Nenner: "Was wir gesehen haben, steht in völligem Widerspruch zu einem gesunden Entwicklungskonzept. Grundlage sollte der Dialog zu den Betroffenen bilden. Stattdessen werden ihre elementarsten Rechte verletzt, wie das Recht auf ein sicheres Zuhause." Begleitet wurde die Delegation von Vertreterinnen und Vertretern philippinischer Organisationen, wie der Menschenrechtskommission, der Fastenopfer-Partnerorganisation Task Force Detainees, und anderen Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Anti-Apeco. Sie alle schlossen sich zusammen, um denen eine Stimme zu geben, die den Widerstand vor Ort tragen. "Was wir mit eigenen Augen gesehen haben, bestärkt uns, dass Apeco grundlegende Rechte der Gemeinschaften missachtet", erklärten sie gemeinsam in ihrer Schlusserklärung an den beiden viel beachteten Medienkonferenzen in Manila.
Für die Agtas, die Kleinbauern- und Fischerfamilien in Casiguran, sind die kommenden Monate entscheidend: Können sie ihre Machtlosigkeit überwinden und sich erfolgreich gegen Apeco zur Wehr setzen? Für die Betroffenen gibt es nur eine mögliche Antwort: Sie müssen diesen Kampf gewinnen.


Stichwort: Philippinen
Die Erfolge in der Korruptionsbekämpfung und die stärkere Ahndung von Menschenrechtsverletzungen haben die Lebensbedingungen der armen Bevölkerung in den Philippinen noch nicht wesentlich verbessert. Weiterhin problematisch bleibt auch, dass viele Familien keine Landtitel für den Boden haben, den sie bebauen, sowie die ungerechte Landverteilung. Zudem zeigt sich das Inselreich zunehmend verletzlich gegenüber Überschwemmungen und anderen Auswirkungen des Klimawandels.
Mit Bio und Mangroven
Fastenopfer arbeitet mit kirchlichen und nichtkirchlichen Partnerorganisationen zusammen, die sich für die Stärkung von Gemeinschaften und für die Menschenrechte einsetzen. Neu pflanzen Bauernorganisationen mit Unterstützung des Fastenopfers verschiedene Gemüsesorten an, statt sich ausschliesslich auf den Reisanbau zu konzentrieren. So können die Familien während des ganzen Jahres ernten und Überschüsse auf dem Markt verkaufen. Zudem wird auch ihre eigene Ernährung gesünder. Um die Lebensbedingungen zu verbessern und der Verschuldung entgegenzuwirken, setzt Fastenopfer auf biologische Landwirtschaft. Um Felder und Häuser in Küstennähe vor Überschwemmungen zu schützen, setzt Fastenopfer auf Anbau von Mangroven statt auf kostspielige Dämme. Dadurch wird auch ein Beitrag zur Biodiversität geleistet: Das Wurzelwerk der Bäume bietet Schutz für viele Meerestiere.


Dieser Beitrag wurde info Nr. 2/2012, dem Magazin des Fastenopfers, entnommen. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.