"Das Geld ackern lassen", titelte die Neue Zürcher Zeitung NZZ im April dieses Jahres. In der Rubrik "Geldanlage" gab die Zeitung Tipps für den "direkten Kauf von Ackerland". Seitdem die Preise für Lebensmittel – von Ananas bis Weizen – auf den Weltmärkten regelmässig Höchstmarken erreichen und Anleger auf krisengeschüttelten Finanzmärkten händeringend nach sicheren Anlagen suchen, ist Ackerland ein begehrtes Gut geworden. Dabei konkurrieren Regierungen, Agrarkonzerne und Investoren nicht nur untereinander. Auch Kleinbäuerinnen und Viehproduzenten in Entwicklungsländern sehen sich einer internationalen Konkurrenz ausgesetzt. Über einen Grossteil dieser internationalen Landdeals ist nur wenig bekannt.
Nun bringt eine internationale Studie, an der auch das Zentrum für Entwicklung und Umwelt (CDE) der Universität Bern beteiligt war, etwas Licht ins Dunkel. Die Daten, die die Forscher und Expertinnen in ihrem Bericht präsentieren, belegen eine alarmierende Entwicklung, die Swissaid schon seit Jahren kritisiert.
20 Mal die Schweiz
Seit 2000 wurden 83,2 Millionen Hektar Land in Entwicklungsländern gepachtet oder gekauft. Das entspricht 20 Mal der Fläche der Schweiz. Im Visier der Investoren ist vor allem Afrika, wobei sich die meisten Fälle auf nur sieben Länder konzentrieren: Äthiopien, Demokratische Republik Kongo, Madagaskar, Mosambik, Sambia, Sudan und Tansania – alles Länder, die ein Hungerproblem aufweisen. Das Land gehört dort mehrheitlich dem Staat, der schwach ausgebildet ist. Die ländliche Bevölkerung verfügt zudem über keine Lobby.
Die Studie widerlegt die Beteuerungen, es würde lediglich ungenutztes Land verpachtet, um es neu für die Agrarproduktion zu erschliessen. Knapp die Hälfte aller Deals beansprucht Land, das bereits landwirtschaftlich genutzt wird. Gesucht ist fruchtbarer Boden mit Zugang zu Wasser in einfach zugänglichen Regionen, die sowohl eine brauchbare Infrastruktur als auch ausreichend Bevölkerung aufweisen, damit saisonal Arbeitskräfte zur Verfügung stehen.
Agrotreibstoffe als Motor der Entwicklung
Die neuen Pächter oder Käuferinnen – die meisten sind Firmen – kommen aus den Industrieländern, den Golfstaaten und den Schwellenländern. Lediglich 34 Prozent der näher analysierten Projekte betreffen den Anbau von Lebensmitteln. Weitaus mehr Bedeutung hat die Produktion von Mais, Zuckerrrohr, Jatropha und anderen Pflanzen, die zu Treibstoff weiterverarbeitet werden.
Regierungen und Firmen, die von den Landdeals profitieren, verteidigen das "Land grabbing" als wichtige Investition in die Landwirtschaft. Die Studie lässt kaum Zweifel daran, dass diese Investitionen weder der lokalen Bevölkerung noch einer nachhaltigen Entwicklung dienen.
Studie: http://landportal.info/landmatrix
Dieser Beitrag erschien im Swissaid Spiegel Nr. 4 / August 2012. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung. Swissaid ist ein Träger des arbeitskreises tourismus & entwicklung.