Schon lange liegt der Nachtzug im Sterben, jetzt könnte es ganz schnell gehen. Bis spätestens Ende 2016 will die Deutsche Bahn (DB) nämlich komplett aus dem Nachtzuggeschäft aussteigen. Die staatliche Eisenbahngesellschaft Frankreichs (SNCF) will sogar bereits zum 1. Juli den Grossteil ihrer Nachtverbindungen einstellen. Dem einst dicht verzweigten europäischen Nachtzugnetz werden bereits seit einiger Zeit immer mehr Zweige abgeschlagen. Schon im Jahr 2000 hatte sich die SBB aus dem ursprünglich von SBB, ÖBB und DB gegründeten Kooperationsprojekt City Night Line (CNL) zurückgezogen und sich damit aus dem Nachtzugverkehr verabschiedet. Die Deutsche Bahn hat dann das Streckennetz der einst für ihre Swissness bekannten Nachtzugmarke CNL in Schritten reduziert.
Zu den eingestellten Nachtzugverbindungen von der Schweiz in wichtige europäische Städte gehören:

  • Bern–Brüssel (2003),
  • Zürich–Rom (2009),
  • Zürich–Barcelona (2012),
  • Basel–Moskau (2013),
  • und Basel–Kopenhagen (2014).

Für Nachtzugfans bleibt nur eine Hoffnung: Die österreichische Staatsbahn (ÖBB), die sich überlegt in die Bresche zu springen und das Nachtzugnetz am Leben zu erhalten.

Der Niedergang des Nachtzugs hat mehrere Gründe: Am stärksten zugesetzt hat ihm der subventionierte Flugverkehr. Dieser profitiert davon, dass das Flugbenzin von jeglicher Besteuerung befreit ist – bemerkenswert in Zeiten des Klimawandels. Das mit Abstand klimaschädlichste Fortbewegungsmittel verfügt damit über den günstigsten Zugang zu Energie. Die Subventionen belaufen sich alleine in Deutschland schätzungsweise auf jährlich 10,4 Milliarden Euro.

Der Nachtzug – eine Steuerhölle auf Rädern

Anders sieht es bei der Bahn aus. Sie zahlt für ihren Zugang zu Energie Stromsteuer. Zusätzlich gehört die Bahn als energieeffizienter, aber auch energieintensiver Wirtschaftsbereich in Deutschland trotz besonderen Ausgleichsregelungen zu den grössten Einzahlern in das Umlagesystem des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Im Gegensatz dazu sind Strassen- und Luftverkehr an dieser Finanzierung der Energiewende nicht beteiligt.
Auch beim Emissionshandel zeigt sich eine Ungleichbehandlung: Der Schienenverkehr ist als einziger Verkehrsträger vollständig von diesem Instrument erfasst. Der Strassenverkehr unterliegt ebenso wenig dem Emissionshandel wie die Schifffahrt. Bei der Luftfahrt werden momentan nur Flüge berücksichtigt, die zwischen Flughäfen innerhalb der EU stattfinden. 2017 könnte das ändern. Interkontinentale Flüge bleiben aber weiterhin komplett vom Emissionshandel ausgenommen, also auch Teilstrecken, die im europäischen Luftraum geflogen werden. Damit hat es sich mit den Benachteiligungen der Bahn aber noch nicht.
Auf grenzüberschreitenden Bahnverbindungen wie Berlin – Zürich zahlt der Kunde in Deutschland 19% Mehrwertsteuer. Legt er die gleiche Strecke per Flugzeug zurück, fallen keine Mehrwertsteuern an. Weil man im Nachtzug schläft, gilt dieser als Beherbergungsbetrieb. Die Folgen: 19% Umsatzsteuer. Hotels zahlen nur 7%.
Erhebliche Kostenunterschiede ergeben sich auch bei der Nutzung der Infrastruktur. Die Bahn muss pro zurückgelegten Kilometer sogenanntes Trassenentgelt an den Schienennetz-Betreiber entrichten. Dem gegenüber muss ein Bus für die Nutzung des Strassennetzes keine Maut bezahlen. Eine Ungleichbehandlung ist auch beim Fahrgastrecht, also den Rechten, die Fahrgäste gegenüber ihren Transporteuren geniessen, auszumachen. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschied 2013, dass Bahnreisende auch bei höherer Gewalt Anspruch auf Entschädigung für Verspätungen haben. Die Bahn haftet somit für Verspätungen – egal, ob sie an den Verspätungen schuld ist oder nicht. „Eine analoge Anwendung der für Fahrgäste im Flug-, Schiffs- und Kraftomnibusverkehr für den Fall höherer Gewalt“ hat der Gerichtshof hingegen verworfen.

Die aufgeführten ungünstigen Rahmenbedingungen widerspiegeln sich in der Tatsache, dass der Verbraucherindex, der die durchschnittliche Preisentwicklung für Bahnreisen misst, seit der Bahnreform 1994 um mehr als 75% gestiegen ist. Im gleichen Zeitraum sind die Lebenshaltungskosten insgesamt nur um etwas mehr als 30% gestiegen

Der Nachtzug möge sich bitte am Markt behaupten

Die schwierige Situation des Nachtzugs rief die Partei DIE LINKE auf den Plan. Sie reichte im Deutschen Bundestag den Antrag „Rückzug der Deutschen Bahn AG bei Nacht- und Autoreisezügen stoppen – Nachhaltige Reisekultur in Europa fördern“ ein. Der Antrag verlangte unter anderem, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordern soll, darauf hinzuwirken, dass die angekündigten und bereits vollzogenen Einstellungen von Nachtzug- und Autoreisezugverkehren zurückgenommen werden und ein zweijähriges Moratorium beschlossen wird. Am 14. Januar 2015 tagte der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur des Bundestages über den Antrag.
Die Fraktion der CDU/CSU vertrat die Ansicht, dass die Deutsche Bahn AG ein Wirtschaftsunternehmen sei und eine kostendeckende Ausgestaltung der Preise für Nacht- und Autoreisezüge „am Markt nicht durchsetzbar“ ist. Ins gleiche Horn blies die Fraktion der SPD. Eine Voraussetzung für den Betrieb des Nachtzugs soll sein, „dass ein wirtschaftlicher Betrieb möglich sei; Zuschüsse aus Steuermitteln kämen nicht in Betracht“. Der Antrag wurde dann auch von diesen Fraktionen abgelehnt.
Ulrich Homburg, Vorstand Personenverkehr DB Mobility Logistics AG, gab zu Protokoll: „die Nachfragezahlen sind gut, das ist unbestritten. Das ist übrigens einer der wenigen Punkte, wo es breite Einigkeit gibt.“ Trotzdem sei die wirtschaftliche Entwicklung „seit Jahren kontinuierlich negativ, mit stark steigender Tendenz“. Wenn er überleben möchte, soll sich der Nachtzug also an einem Markt behaupten, der so ungerecht ausgestaltet ist, dass auch eine gute Nachfrage nichts nützt.

Lustige Rechenspiele à la Deutsche Bahn

Nicht nur politische Entscheidungsträger legen dem Nachtzug Steine in den Weg. Auch die Deutsche Bahn selbst scheint die Nachtzüge auf das Abstellgleis befördern zu wollen. Gemäss Joachim Holstein, Betriebsrat DB European Railservice GmbH, berücksichtigt die Deutsche Bahn nämlich bei der Berechnung der Auslastung ihrer Züge eine Besonderheit der Nachtzüge nicht: Bei Nachtzügen sind immer auch Intercityzüge mit Sitzwagen angehängt für Pendlerverbindungen auf Teilstrecken am frühen Morgen. 1,2 Millionen Reisende benutzten diese Intercityzüge im Jahr 2013. Die Deutsche Bahn addiert sie aber nicht zu den rund 1,6 Millionen Schlaf- und Liegewagenreisenden der Nachtzüge.
Holstein hält weiter fest, dass die Methode, mit der die Deutsche Bahn normalerweise die Auslastung ihrer Züge misst, für die Nachtzüge und auch die Autoreisezüge nicht kompatibel sei. Die Rechnung bei ICEs geht üblicherweise so: Die Kilometer, die alle Fahrgäste im Zug zurücklegen, die sogenannten Personenkilometer, teilt man durch die Platzkilometer, also die maximal möglichen Kilometer, wenn alle Plätze immer besetzt wären. Diese Berechnung führt aber bei Nachtzügen systematisch zu einer zu geringen Messgrösse, weil ein Bett pro Nacht nur einmal verkauft werden kann. Damit beträgt die reale Auslastung eines Platzes schon dann 100%, wenn jemand in einem Zug von Hamburg nach Zürich nur zwischen Göttingen und Freiburg ein Ticket löst.
Ein weiterer Punkt, den wiederum DIE LINKE kritisierte: Die DB AG veröffentliche mit einem Defizit in Höhe von 18 Millionen Euro irreführende Zahlen. Die DB laste den Nachtzügen die Trassengebühren, welche 20 bis 30 Prozent der Kosten verursachen, an, sie verbuche diese Kosten aber an anderer Stelle in ihrem Budget wieder als Einnahmen.  

Gesucht: Eisenbahner mit Herzblut

Will ein Unternehmen in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld bestehen, hängt viel vom Management ab. Interessant ist aus welchen Branchen in den letzten Jahren das Management des grössten Nachtzugbetreiber Europas stammte. Heinz Dürr (DB-Vorstandsvorsitzender von 1991 bis 1997) ist Grossaktionär der Dürr AG zu deren Kunden Automobilhersteller und –zulieferer zählen. Hartmut Mehdorn (DB-Vorstandsvorsitzender von 1999 bis 2009) arbeitete vor seiner Tätigkeit bei der DB für Airbus und nach seinem Rücktritt bei der DB wurde er Chef von Air Berlin, bevor er schliesslich Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH wurde. Rüdiger Grube (DB-Vorstandsvorsitzender seit 2009) war in der Vergangenheit unter anderem bei den Luft- und Raumfahrtkonzernen MBB und DASA tätig. Kann ob so viel aeronautischen Verstrickungen in der Führungsebene erstaunen, dass die Deutsche Bahn für ihre Nachtzüge ohne grosse Leidenschaft kämpft?

Die Schweiz erweitert ihr Neutralitätsverständnis

Wer nun denkt, nur deutsche Entscheidungsträger mögen Nachtzüge nicht besonders, der hat sich noch nicht die Stellungnahme des schweizerischen Bundesrates zu Gemüte geführt. Auf die Interpellation „Klimapolitische Auswirkungen der Streichung von Nachtzugverbindungen” der Grünen Nationalrätin Aline Trede antwortete der Bundesrat unter anderem: „Soweit eine Verlagerung auf den Flugverkehr stattfindet, nehmen die CO2-Emissionen zwar zu. Im Hinblick auf das Schweizer Reduktionsziel ist dies aber neutral, weil die Stromproduktion der Schweiz nahezu CO2-frei ist und der internationale Flugverkehr gemäß Regeln des Kyoto-Protokolls nicht berücksichtigt wird.“ Kurz: Flüge müssen uns nicht kümmern, denn sie erscheinen nicht in unserem nationalen CO2-Budget. Flugzeuge starten in der Vielfliegernation Schweiz demnach mit Luft und Liebe betankt ins Ausland. Anstatt sich auf internationaler Ebene zum Beispiel für eine Kerosinbesteuerung stark zu machen, dient das Kyoto-Protokoll als Rechtfertigung, dass der Flugverkehr eine CO2-neutrale Sache sei. 

Totgesagte leben länger

Schlafend von A nach B zu gelangen, das wird nie ein überholtes Konzept sein. Dass es schnell, schlafend und komfortabel geht, zeigt – welch Überraschung – China. Hier verkehren bereits seit 2009 moderne Zefiro 250 von Bombardier als Nachtzüge mit über 300 km/h zwischen Peking und Shanghai. Ein Europa, in dem innerhalb von 12 Stunden 2000km mit Hochgeschwindigkeits-Nachtzügen zurückgelegt werden könnten, wäre mit fairen Rahmenbedingungen für alle Verkehrsträger möglich.
Wer etwas dafür tun will, sollte diese Petition unterzeichnen, den Nachtzug dem Billigflieger vorziehen und Politiker wählen, die sich für ein starkes europäisches Bahnnetz und mehr Kostenwahrheit einsetzen. Werden in Zukunft ökologische und gesundheitliche Auswirkungen durch Feinstaub, Smog und Klimawandel in den Reisekosten abgebildet, wird die Bahn und der Nachtzug mehr als konkurrenzfähig.
Lang lebe der Nachtzug! 

Der Niedergang des Nachtzugs hat mehrere Gründe: Am stärksten zugesetzt hat ihm der subventionierte Flugverkehr. Dieser profitiert davon, dass das Flugbenzin von jeglicher Besteuerung befreit ist – bemerkenswert in Zeiten des Klimawandels. Das mit Abstand klimaschädlichste Fortbewegungsmittel verfügt damit über den günstigsten Zugang zu Energie. Die Subventionen belaufen sich alleine in Deutschland schätzungsweise auf jährlich 10,4 Milliarden Euro.

Der Nachtzug – eine Steuerhölle auf Rädern

Anders sieht es bei der Bahn aus. Sie zahlt für ihren Zugang zu Energie Stromsteuer. Zusätzlich gehört die Bahn als energieeffizienter, aber auch energieintensiver Wirtschaftsbereich in Deutschland trotz besonderen Ausgleichsregelungen zu den grössten Einzahlern in das Umlagesystem des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Im Gegensatz dazu sind Strassen- und Luftverkehr an dieser Finanzierung der Energiewende nicht beteiligt.
Auch beim Emissionshandel zeigt sich eine Ungleichbehandlung: Der Schienenverkehr ist als einziger Verkehrsträger vollständig von diesem Instrument erfasst. Der Strassenverkehr unterliegt ebenso wenig dem Emissionshandel wie die Schifffahrt. Bei der Luftfahrt werden momentan nur Flüge berücksichtigt, die zwischen Flughäfen innerhalb der EU stattfinden. 2017 könnte das ändern. Interkontinentale Flüge bleiben aber weiterhin komplett vom Emissionshandel ausgenommen, also auch Teilstrecken, die im europäischen Luftraum geflogen werden. Damit hat es sich mit den Benachteiligungen der Bahn aber noch nicht.
Auf grenzüberschreitenden Bahnverbindungen wie Berlin – Zürich zahlt der Kunde in Deutschland 19% Mehrwertsteuer. Legt er die gleiche Strecke per Flugzeug zurück, fallen keine Mehrwertsteuern an. Weil man im Nachtzug schläft, gilt dieser als Beherbergungsbetrieb. Die Folgen: 19% Umsatzsteuer. Hotels zahlen nur 7%.
Erhebliche Kostenunterschiede ergeben sich auch bei der Nutzung der Infrastruktur. Die Bahn muss pro zurückgelegten Kilometer sogenanntes Trassenentgelt an den Schienennetz-Betreiber entrichten. Dem gegenüber muss ein Bus für die Nutzung des Strassennetzes keine Maut bezahlen. Eine Ungleichbehandlung ist auch beim Fahrgastrecht, also den Rechten, die Fahrgäste gegenüber ihren Transporteuren geniessen, auszumachen. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg entschied 2013, dass Bahnreisende auch bei höherer Gewalt Anspruch auf Entschädigung für Verspätungen haben. Die Bahn haftet somit für Verspätungen – egal, ob sie an den Verspätungen schuld ist oder nicht. „Eine analoge Anwendung der für Fahrgäste im Flug-, Schiffs- und Kraftomnibusverkehr für den Fall höherer Gewalt“ hat der Gerichtshof hingegen verworfen.

Die aufgeführten ungünstigen Rahmenbedingungen widerspiegeln sich in der Tatsache, dass der Verbraucherindex, der die durchschnittliche Preisentwicklung für Bahnreisen misst, seit der Bahnreform 1994 um mehr als 75% gestiegen ist. Im gleichen Zeitraum sind die Lebenshaltungskosten insgesamt nur um etwas mehr als 30% gestiegen

Der Nachtzug möge sich bitte am Markt behaupten

Die schwierige Situation des Nachtzugs rief die Partei DIE LINKE auf den Plan. Sie reichte im Deutschen Bundestag den Antrag „Rückzug der Deutschen Bahn AG bei Nacht- und Autoreisezügen stoppen – Nachhaltige Reisekultur in Europa fördern“ ein. Der Antrag verlangte unter anderem, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordern soll, darauf hinzuwirken, dass die angekündigten und bereits vollzogenen Einstellungen von Nachtzug- und Autoreisezugverkehren zurückgenommen werden und ein zweijähriges Moratorium beschlossen wird. Am 14. Januar 2015 tagte der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur des Bundestages über den Antrag.
Die Fraktion der CDU/CSU vertrat die Ansicht, dass die Deutsche Bahn AG ein Wirtschaftsunternehmen sei und eine kostendeckende Ausgestaltung der Preise für Nacht- und Autoreisezüge „am Markt nicht durchsetzbar“ ist. Ins gleiche Horn blies die Fraktion der SPD. Eine Voraussetzung für den Betrieb des Nachtzugs soll sein, „dass ein wirtschaftlicher Betrieb möglich sei; Zuschüsse aus Steuermitteln kämen nicht in Betracht“. Der Antrag wurde dann auch von diesen Fraktionen abgelehnt.
Ulrich Homburg, Vorstand Personenverkehr DB Mobility Logistics AG, gab zu Protokoll: „die Nachfragezahlen sind gut, das ist unbestritten. Das ist übrigens einer der wenigen Punkte, wo es breite Einigkeit gibt.“ Trotzdem sei die wirtschaftliche Entwicklung „seit Jahren kontinuierlich negativ, mit stark steigender Tendenz“. Wenn er überleben möchte, soll sich der Nachtzug also an einem Markt behaupten, der so ungerecht ausgestaltet ist, dass auch eine gute Nachfrage nichts nützt.

Lustige Rechenspiele à la Deutsche Bahn

Nicht nur politische Entscheidungsträger legen dem Nachtzug Steine in den Weg. Auch die Deutsche Bahn selbst scheint die Nachtzüge auf das Abstellgleis befördern zu wollen. Gemäss Joachim Holstein, Betriebsrat DB European Railservice GmbH, berücksichtigt die Deutsche Bahn nämlich bei der Berechnung der Auslastung ihrer Züge eine Besonderheit der Nachtzüge nicht: Bei Nachtzügen sind immer auch Intercityzüge mit Sitzwagen angehängt für Pendlerverbindungen auf Teilstrecken am frühen Morgen. 1,2 Millionen Reisende benutzten diese Intercityzüge im Jahr 2013. Die Deutsche Bahn addiert sie aber nicht zu den rund 1,6 Millionen Schlaf- und Liegewagenreisenden der Nachtzüge.
Holstein hält weiter fest, dass die Methode, mit der die Deutsche Bahn normalerweise die Auslastung ihrer Züge misst, für die Nachtzüge und auch die Autoreisezüge nicht kompatibel sei. Die Rechnung bei ICEs geht üblicherweise so: Die Kilometer, die alle Fahrgäste im Zug zurücklegen, die sogenannten Personenkilometer, teilt man durch die Platzkilometer, also die maximal möglichen Kilometer, wenn alle Plätze immer besetzt wären. Diese Berechnung führt aber bei Nachtzügen systematisch zu einer zu geringen Messgrösse, weil ein Bett pro Nacht nur einmal verkauft werden kann. Damit beträgt die reale Auslastung eines Platzes schon dann 100%, wenn jemand in einem Zug von Hamburg nach Zürich nur zwischen Göttingen und Freiburg ein Ticket löst.
Ein weiterer Punkt, den wiederum DIE LINKE kritisierte: Die DB AG veröffentliche mit einem Defizit in Höhe von 18 Millionen Euro irreführende Zahlen. Die DB laste den Nachtzügen die Trassengebühren, welche 20 bis 30 Prozent der Kosten verursachen, an, sie verbuche diese Kosten aber an anderer Stelle in ihrem Budget wieder als Einnahmen.  

Gesucht: Eisenbahner mit Herzblut

Will ein Unternehmen in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld bestehen, hängt viel vom Management ab. Interessant ist aus welchen Branchen in den letzten Jahren das Management des grössten Nachtzugbetreiber Europas stammte. Heinz Dürr (DB-Vorstandsvorsitzender von 1991 bis 1997) ist Grossaktionär der Dürr AG zu deren Kunden Automobilhersteller und –zulieferer zählen. Hartmut Mehdorn (DB-Vorstandsvorsitzender von 1999 bis 2009) arbeitete vor seiner Tätigkeit bei der DB für Airbus und nach seinem Rücktritt bei der DB wurde er Chef von Air Berlin, bevor er schliesslich Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH wurde. Rüdiger Grube (DB-Vorstandsvorsitzender seit 2009) war in der Vergangenheit unter anderem bei den Luft- und Raumfahrtkonzernen MBB und DASA tätig. Kann ob so viel aeronautischen Verstrickungen in der Führungsebene erstaunen, dass die Deutsche Bahn für ihre Nachtzüge ohne grosse Leidenschaft kämpft?

Die Schweiz erweitert ihr Neutralitätsverständnis

Wer nun denkt, nur deutsche Entscheidungsträger mögen Nachtzüge nicht besonders, der hat sich noch nicht die Stellungnahme des schweizerischen Bundesrates zu Gemüte geführt. Auf die Interpellation „Klimapolitische Auswirkungen der Streichung von Nachtzugverbindungen” der Grünen Nationalrätin Aline Trede antwortete der Bundesrat unter anderem: „Soweit eine Verlagerung auf den Flugverkehr stattfindet, nehmen die CO2-Emissionen zwar zu. Im Hinblick auf das Schweizer Reduktionsziel ist dies aber neutral, weil die Stromproduktion der Schweiz nahezu CO2-frei ist und der internationale Flugverkehr gemäß Regeln des Kyoto-Protokolls nicht berücksichtigt wird.“ Kurz: Flüge müssen uns nicht kümmern, denn sie erscheinen nicht in unserem nationalen CO2-Budget. Flugzeuge starten in der Vielfliegernation Schweiz demnach mit Luft und Liebe betankt ins Ausland. Anstatt sich auf internationaler Ebene zum Beispiel für eine Kerosinbesteuerung stark zu machen, dient das Kyoto-Protokoll als Rechtfertigung, dass der Flugverkehr eine CO2-neutrale Sache sei. 

Totgesagte leben länger

Schlafend von A nach B zu gelangen, das wird nie ein überholtes Konzept sein. Dass es schnell, schlafend und komfortabel geht, zeigt – welch Überraschung – China. Hier verkehren bereits seit 2009 moderne Zefiro 250 von Bombardier als Nachtzüge mit über 300 km/h zwischen Peking und Shanghai. Ein Europa, in dem innerhalb von 12 Stunden 2000km mit Hochgeschwindigkeits-Nachtzügen zurückgelegt werden könnten, wäre mit fairen Rahmenbedingungen für alle Verkehrsträger möglich.
Wer etwas dafür tun will, sollte diese Petition unterzeichnen, den Nachtzug dem Billigflieger vorziehen und Politiker wählen, die sich für ein starkes europäisches Bahnnetz und mehr Kostenwahrheit einsetzen. Werden in Zukunft ökologische und gesundheitliche Auswirkungen durch Feinstaub, Smog und Klimawandel in den Reisekosten abgebildet, wird die Bahn und der Nachtzug mehr als konkurrenzfähig.
Lang lebe der Nachtzug!