
Der neue fairunterwegs-Newsletter zu Alpen, Biodiversität und Klima
Als ein junger Edelmann, in teure rote Kleider mit gelber Seidenborte gewandetet und mit Geld und Waffen gut bestückt, vor gut 400 Jahren die Nord-Süd-Route über den Theodulpass oberhalb Zermatt wählte, fand er sein tragisches Ende in einer tiefen Gletscherspalte. Das wunderte niemanden, galten die Alpen doch als bedrohliches, von Dämonen regiertes menschenfeindliches Gebiet.
Der Adlige hätte sich wohl kaum vorstellen können, dass sich diese Region Jahrhunderte später zu einer der grössten und beliebtesten Tourismusregionen der Welt entwickelt. Dass einmal 120 Millionen Gäste jährlich die einzigartig schöne Landschaft geniessen und von Hochmooren, Auen und Trockenwiesen schwärmen, mit den über 30’000 Tier- und 13’000 Pflanzenarten, die zum Teil nur dort vorkommen. Die Aussicht, dass sie dort Sport treiben und abends wellnessen, hätte ihn amüsiert, ebenso wie die Prognose, dass verarmte Bergbauernbetriebe von hochtechnisierten Tourismusunternehmen abgelöst würden. Und dass im Jahre 2016 TouristInnen seine Überreste im Matterhorn-Museum in Zermatt unter dem Spitznamen "Walliser-Ötzi" bestaunen.
Der Alpenraum steht stellvertretend für die touristische Entwicklung in fragilen Biodiversitäts-Hotspots weltweit, mit dem immer gleichen Dilemma: Der Tourismus hängt von attraktiven Ökosystemen ab und trägt doch zu deren Zerstörung bei. Sei es durch den Bau von Ferienhäusern und Hotels, Strassen und weiterer Infrastruktur oder durch umweltbelastende Freizeitaktivitäten.
Das mit 4,4 Prozent überdurchschnittliche globale Tourismuswachstum mag kurzfristig ein Grund zur Freude sein. Längerfristig ist dieses ungebremste Wachstum Anlass zur Sorge: Gegenüber wirtschaftlichen Interessen brauchen Naturschutz, Klimaschutz und soziale Anliegen dringend mehr Gewicht, wie dies in den neuen globalen Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030 vorgesehen ist. UrlauberInnen tragen dazu bei, wenn sie Landschaften nicht bloss als attraktive Kulisse verstehen, sondern als Lebensräume respektieren, in denen die Schicksale von Menschen, Tieren und Pflanzen miteinander verbunden sind.
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