Stellungnahme der Dienstleistungs-Gewerkschaft unia
Nach einer langen Phase des vertragslosen Zustands ist im Gastgewerbe wieder ein Landes-Gesamtarbeitsvertrag (L-GAV 98) zustandegekommen, der seit dem 1. Januar 1999 allgemeinverbindlich für ca. 150’000 Lohnabhängige gilt. Nach den „Wildwest“-Zeiten, in denen die Verlängerung der Arbeitszeit, oder die Kürzung des 13. Monatslohns an der Tagesordnung waren, bringt der neue LGAV wieder geordnetere Arbeitsverhältnisse. Allerdings sind diese in einigen wesentlichen Punkten wie Mindestlohn, Flexibilisierung der Arbeitszeit noch ungenügend geregelt. Dennoch sind die LGAV-Bestimmungen in mancher Hinsicht besser als der Arbeitsalltag von Tausenden von Beschäftigten im Gastgewerbe. Jetzt geht es darum, dass dieser L-GAV 98 in die Tat umgesetzt wird. In der Folge werden wesentliche Bereiche unter dem Gleichstellungsaspekt etwas genauer dargestellt.

• Die Löhne der 4 neuen Klassen des L-GAV 98 sind leicht angehoben worden. Doch mit Fr. 2’350.- bzw. 2’650.- liegen die Mindestlöhne für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Berufslehre immer noch sehr tief. Um von der Kategorie II (Fr. 3’050.-) in die nächste (Fr. 3’800.-) aufsteigen zu können, muss eine grosse Hürde überwunden werden: Ein Nachweis von zehn Jahren Berufspraxis ist dann notwendig, wenn nicht andere Voraussetzungen wie beispielsweise eine Berufsprüfung gegeben sind. Diese Bestimmung wirkt sich besonders für Frauen negativ aus, sind sie doch über mehrere Jahre mit der Kinderbetreuung oder der Haushaltsführung beschäftigt. Dieser Unterbruch im Erwerbsleben hat zur Folge, dass Frauen erst viel später, wenn überhaupt, in den Genuss dieses
höheren Mindestlohns kommen. Eine ähnliche Situation ergibt sich beim Anspruch auf den 13. Monatslohn. Ein Passus weist darauf hin, dass kein Unterbruch von mehr als zwei Jahren bestehen darf, um den vollen Anteil des 13. Monatslohns geltend zu machen. Oft müssen die Frauen ihre Berufstätigkeit unterbrechen, weil sie für den Haushalt verantwortlich sind.
• Mit der Aufhebung der Tages- oder Monatsmaximas hält die totale Flexibilisierung der Arbeitszeit auch im Gastgewerbe Einzug. Von der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit (42 Stunden mit 5 Wochen Ferien oder, wenn schriftlich vereinbart, 41 Stunden mit 4 Wochen Ferien) darf in bestimmten Grenzen nach oben oder unten je nach Bedarf des Betriebs abgewichen werden. Das Arbeitsgesetz (Art. 25ff Verordnung II zum ArG; Stand Dezember 1998) legt zwingend fest, dass beispielsweise Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Service höchstens 60 Stunden pro Woche arbeiten. Dieses vollständig flexible Arbeitszeitmodell hat zur Folge, dass einmal mehr die Frauen diskriminiert werden. Die häufigen Überschreitungen der Arbeitszeiten und die unregelmässigen Arbeitseinsätze während des Jahres erschweren die Organisation des Alltags (Kinder, Haushalt etc.) erheblich.
Als aktive Gewerkschaft verhilft die unia ihren Mitgliedern zu deren Recht. Die unia nimmt insbesondere die Interessen der Teilzeitarbeitenden – die meisten von ihnen Frauen – wahr. Sie wird sich dafür einsetzen, dass die wenigen Verbesserungen des L-GAV 98 auch eingehalten und durchgesetzt werden.

Myriam Duc, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der unia, Jan. 1999