Der Regen bleibt aus – die Menschen müssen umdenken
Vom Brotkorb des südlichen Afrikas zum Bezüger internationaler Ernährungshilfe
Zur politischen Situation in Simbabwe 1980, nach der Unabhängigkeit, galt Simbabwe das erste Jahrzehnt als Vorbild für eine friedliche postkoloniale Transformation. Als sich die soziale und politische Lage in den neunziger Jahren zusehends verschlechterte und Präsident Robert Mugabe sowie seine ZANU-Partei an Popularität verloren, nahmen die innenpolitischen Spannungen zu.
Nach der brutalen Landreform Mugabes im Jahr 2000 schlitterte das Land in eine umfassende Krise, die 2008 in Hungersnot, Hyperinflation und Gewaltexzessen gipfelte. Das einst blühende Land war plötzlich auf internationale Ernährungshilfe angewiesen. Die Wahlen, die im gleichen Jahr stattfanden, mündeten in roher Gewalt: Da damals weder der amtierende Präsident Robert Mugabe noch Morgan Tsvangirai, Führer der Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC), das absolute Mehr erreichten, sollte eine Stichwahl stattfinden. Wegen massiver Repressionen gegen Mitglieder der Oppositionspartei und Gewaltakten zog Morgan Tsvangirai seine Kandidatur zurück und Robert Mugabe wurde mit grosser Mehrheit wiedergewählt. Unter Vermittlung des damaligen südafrikanischen Staatspräsidenten Thabo Mbeki einigten sich die beiden verfeindeten Politiker im September 2008 auf eine Machtteilung.
Das Land erholte sich zwischenzeitlich etwas, doch 2009 fiel nach einer Hyperinflation die Währung definitiv zusammen, im Moment wird mit US-Dollars oder südafrikanischen Rand bezahlt. Doch der Überlebenskampf für die Bevölkerung ist hart und die Arbeitslosenquote mit etwa 80 Prozent immens. Im März 2013 wurde bei einer geringen Wahlbeteiligung von 25 Prozent das Verfassungsreferendum der Einheitsregierung mit 93 Prozent angenommen und 2013 sollen nun Wahlen durchgeführt werden. Die Bevölkerung blickt diesen mit Besorgnis entgegen und hat Angst vor einer erneuten Gewaltwelle.
Das Hilfswerk der evangelischen Kirchen der Schweiz HEKS ist im Süden Simbabwes in Matabeleland tätig, unter anderem mit der Partnerorganisation Fambidzanai. Die Stiftung Fambidzanai Permaculture Centre wurde 1988 gegründet und hat ein Schulungszentrum etwa zwanzig Kilometer ausserhalb der Hauptstadt Harare, ein zweites ist im Süden des Landes im Bau. Wie ein Forschungszentrum arbeitet Fambidzanai unter anderem mit Demonstrationsparzellen, Evaluationen und Marktanalysen für den Absatz von biologischen Produkten.
Ernährungssicherheit, bessere Lebensbedingungen und Gesundheit
In verschiedenen Ausbildungsmodulen ermutigen Fachleute die teilnehmenden Kleinbauern, ihre Produktion zu diversifizieren. Sie geben Kurse zu Themen wie Bienen- und Kleintierzucht, Kräuter und verbesserte Anbaumethoden oder etwa zur Konstruktion eines Wassertanks. Die Kleinbauern erhalten zudem Starthilfen wie eine Geiss, Setzlinge oder Material zum Bau eines Wassertanks. Zudem finden Informationsveranstaltungen zu HIV/AIDS, zur Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau sowie zum Umweltschutz und Klimawandel statt. Die ausgebildeten "Actors auf Change" sensibilisieren in ihren Dörfern bei Anlässen und in Schulen, zum Beispiel Khathazilie Khasye, Pretty Ndloni, Enert Mhianga und Justin Sikhosana. Die Arbeit und Verantwortung hängt zum grössten Teil an den Frauen, sie sind auch die Leidtragenden, wenn ihre Männer und Söhne illegal nach Südafrika auswandern, wo sie als billige Arbeitskräfte zum Beispiel in Minen ausgenutzt werden.
Gesunkene Lebenserwartung
Rund ein Fünftel der erwachsenen Bevölkerung ist mit dem HIV-Virus infiziert oder hat AIDS. Somit gehört Simbabwe zu den am stärksten betroffenen Ländern. Da vor allem die 20- bis 40-Jährigen betroffen sind, geraten gewachsene Bevölkerungs- und Altersstrukturen des Landes aus dem Gleichgewicht. Mit den sogenannten AIDS-Waisen entstand zudem eine neue soziale Randgruppe, sie wird in Simbabwe auf etwa 1,6 Millionen geschätzt. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist innerhalb der letzten zehn Jahre von 55 Jahren auf 44 Jahre gesunken und gehört heute zu den weltweit niedrigsten. Auch Khathazilie wurde von Fambidzanai ausgebildet. Sie rät den Menschen treu zu sein, sich regelmässig testen zu lassen und erklärt ihnen Verhütungsmethoden. HIV-positiven Menschen empfiehlt sie gute Ernährung und dass sie ihre Diagnose kommunizieren. "Wenn wir wissen, dass du HIV-positiv bist, können wir uns schützen und dich schonen, etwa bei der Arbeit, wenn wir merken, dass du müde wirst", sagt sie den Leuten immer wieder.
Profundes Fachwissen
1997 schulte Famibdzanai eine Frauengruppe, die bis heute den biologischen Gemeinschaftsgarten Zimiselani bewirtschaftet. Es wachsen Kürbisse, Cowo, Knoblauch, Tomaten, Randen, Karotten und viele Kräuter. Die Frauen verfügen über ein profundes Fachwissen, kennen den Nährwert der einzelnen Gemüse, wissen, weshalb sie welche Pflanzen miteinander kombinieren und zeigen stolz ihren Kompost. Sie haben sich der zunehmenden Trockenheit angepasst und von Mais auf Hirsesorten umgestellt. Damit das Wasser langsamer verdunstet, legen sie Stroh auf die Beete, dies hält den Boden feuchter und kühler. Die Kundschaft kommt direkt in den Garten, so dass keine der Frauen ihre Zeit auf einem Markt verliert. Aus dem Erlös finanzieren die Frauen ihre Familien und die Aids-Waisenkinder, um die sie sich kümmern und deren Schulgeld sie bezahlen. Die Frauen brauchen heute mehr für sich selbst und können weniger verkaufen. Denn aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der Dürre ist die Ernährungssicherung wieder in Vordergrund gerückt. Die Frauen bilden sich ständig weiter, biologische Schädlingsbekämpfung, Bäume pflanzen, Heilkräuterkunde, Diversifizierung und weitere Möglichkeiten, sich den neuen klimatischen Bedingungen anzupassen, stehen auf der Themenliste, die sie den Ausbildnern der HEKS-Partnerorganisation Fambidzanai in die Hand gedrückt haben. Ruth Bajila, 56, hat fünf Kinder und fünf Grosskinder. Sie gärtnert hier seit 16 Jahren. "Wir helfen einander und unterstützen uns, denn das Leben ist hart", sagt sie. Auch Sikhumbuzo Mulo aus dem nahe gelegenen Phuzukevela Garden ist zufrieden. Sie kann mit den Produkten aus dem Garten ihre grosse Familie ernähren. "Ich suche immer noch ein biologisches Mittel gegen die rote Spinne, die meine Tomaten frisst", erzählt sie.
Die Pionierin
Ende März 2013: Die Regenzeit neigt sich dem Ende zu. Doch anstatt dass die Felder leuchtend grün sind, ist alles leicht bräunlich und bereits trocken, die nächste Dürre zeichnet sich ab. Die Menschen müssen sich entsprechend anpassen. Die Partnerorganisation Fambidzanai bringt den Bäuerinnen und Bauern Anpflanztechniken bei, damit sie mit weniger Wasser einen genau so guten Ertrag erzielen können. Auch die 70-jährige Witwe Sarah Shumba musste umdenken. Sie hat ihr ganzes Leben auf diesem Stück Erde verbracht und pflanzte früher viel Mais. Nun hat sie sich der zunehmenden Trockenheit angepasst und von Mais auf Hirse und sowie eine neue Anbautechnik umgestellt. Sie ist die erste Bäuerin, die vor fünf Jahren mit "Conservation Farming" begonnen hat und ist stolz darauf, in ihrem Alter noch als Pionierin zu gelten. Die 23-fache Grossmutter gräbt im August und September Löcher, füllt diese mit ihrer selbstgemachten Komposterde und nach dem ersten starken Regenfall sät sie die Samen. Die Erde bedeckt sie später mit Blättern, so bleibt der Boden kühler, das Wasser länger im Boden und haben die Pflanzen beste Bedingungen zu wachsen. Sie erntet im März. Die Tiere lässt sie auch nach der Ernte nicht in diesem Feld grasen, der Boden liegt brach und im August beginnt der Kreislauf von vorne. Einen Teil der Ernte braucht sie für den Eigenbedarf und ihre grosse Familie, sie selbst wohnt bei einem ihrer Söhne und dessen Familie. Sarah sagt, es bleibe ihr immer auch etwas für den Verkauf.
Wassertanks und Brunnen
"Wir können uns weder Arbeiter leisten noch haben wir genügend Essen für Freiwillige. Deshalb helfen wir einander gegenseitig", sagt Methuli Sibanda und schaut stolz seinen neu gebauten Wassertank an, dessen Fassungsvermögen etwa 5000 Kubikliter Wasser beträgt. Bei Fambidzanai lernten er und seine Kollegen, wie ein Tank konstruiert ist und gebaut werden soll und wie man Zement mischt. Das nötige Material erhielten sie. In diesem Dorf konnten sie für 10 Haushalte einen Wassertank bauen, es bräuchte viel mehr, aber das Geld reicht nicht. Ein Tank kostet 600 Dollar und sollte 30 Jahre halten. Das Prinzip ist einfach: Das Regenwasser wird in Dachrinnen gefasst und von da in einem Rohr in den Tank daneben geleitet. Die Familie braucht dieses saubere Regenwasser als Trinkwasser und zum Kochen. Das Wasser zum Wäsche waschen oder Bewässern der Gartenbeete holen die Frauen nach wie vor am Brunnen oder im Fluss. Wenn es während der Regenzeit genügend regnet, reicht das Wasser für einen fünf bis sechs Personen-Haushalt bis zur nächsten Regenzeit. Doch da die Regenzeiten immer kürzer werden, speichern die Tanks nicht mehr genügend Wasser, um die Trockenzeit zu überbrücken.
Rund um Maphisa hat HEKS mit seiner Partnerorganisation Fambidzanai nebst Wassertanks auch Brunnen gebaut. Für die Frauen eine riesige Erleichterung. Vorher mussten sie bis zu fünf Kilometer zurücklegen bis zum sauberen Trinkwasser. Für jeden Brunnen gibt es ein Brunnenkomitee mit Vorsitzendem, Kassier und Sekretär. Sie sind dafür zuständig, dass der Platz sauber gehalten wird und diejenigen, die Wasser beziehen, ihre monatliche Gebühr bezahlen.
Im Dorf von Sunboy Dube, 64, gibt es heute sauberes Trinkwasser. Er ist der Dorfchef und froh, dass heute 35 Haushalte und ein Schulhaus mit dem Wasser dieses 55 Meter tiefen Brunnens versorgt werden können. Jeder Haushalt bezahlt monatlich einen Beitrag für Unterhalts- und Reparaturkosten. Am ehesten gehe die Lederpumpe in 55 Meter Tiefe kaputt, sie werde brüchig und müsse ersetzt werden.
Gegenseitige Unterstützung
Auch Andile Dube beklagt den Rückgang des kostbaren Wassers. "Wir haben nicht genug zu Essen für alle, das ist unser grösstes Problem", sagt die 30-Jährige. Sie ist die Sekretärin des Brunnenkomitees. Seit zwei Jahren werde es schlimmer, und was sie im Garten anpflanze, reiche nicht für das ganze Jahr. Es bleibe kaum etwas für den Verkauf, so dass sie sehr wenig Bargeld hätten. So muss sie etwa auch das Schulgeld für ihre Kinder in Raten abstottern; diese kostet pro Kind und Trimester 35 Dollar. Eigentlich weiss Andile nicht, wie sie es immer wieder schaffen, man helfe einander halt, leihe sich auch mal ein Tier. Sie hat selbst vor zwei Jahren eine Geiss bekommen, inzwischen hat sie zwei eigene und eine weitergegeben. Andile ist froh um die Milch und den Dünger.
Auch Phil Sibanda, 80, hat eine Geiss erhalten. Er ist der Dorfchef und für den Dorffrieden zuständig. Bereits sein Vater war Dorfchef, er hat das Amt geerbt. "Man muss ein Herz dafür haben, den Frieden und die Gerechtigkeit lieben", sagt er. So kommen die Leute mit Eheproblemen und andere Konflikten zu ihm und er versucht, ihnen zu helfen. Phil freut sich sehr über die Unterstützung von Fambidzanai. An den Kurs rund um die Geissenhaltung erinnert er sich gut. Auch an alles andere, was Fambidzanai in seinem Dorf bereits bewirkt hat: So wurden die Frauen in den Gärten in biologischer Landwirtschaft und Produktion geschult und das Dorf bekam einen Brunnen. Jetzt müssen die Frauen und Kinder nicht mehr so weit fürs Wasser gehen. "Der Status und das Sozialprestige der Leute sind gewachsen, seitdem sie eine Geiss haben", betont der Dorfchef. Nur müssten für die Geissen bessere Ställe gebaut werden, denn es erfrieren immer wieder Tiere im Winter. Und bessere Zäune würden sie auch brauchen, "denn die Tiere sind gefrässig", fügt er lachend hinzu.