Der Studienkreis für Tourismus und Entwicklung e.V. ehrt am 11. März 2011 die Preisträger des seit 1995 jährlich durchgeführten internationalen TO DO!-Wettbewerbs für sozialverantwortlichen Tourismus. Der TO DO!2010 wird im Rahmen der 45. Internationalen Tourismusbörse in Berlin verliehen.
Die drei gleichrangigen Gewinner sind das CENTRO HISTÓRICO Y EDUCATIVO RIIJ IB’OOY aus Guatemala (Río Negro), das Regionalentwicklungsprojekt COMMUNITY BASED TOURISM IN THE ZERAFSHAN VALLEY in Tadschikistan und die Reiseagentur ANDAMAN DISCOVERIES in Thailand. Alle drei Preisträger haben etwas gemeinsam: Sie sind aus Krisensituationen hervorgegangen und haben sich dann unter schwierigsten Bedingungen erfolgreich entwickelt.

Das guatemaltekische Projekt einer indigenen Maya-Gemeinde muss vor dem Hintergrund des über drei Jahrzehnte währenden Bürgerkriegs bewertet werden, die tadschikische Bevölkerung im Zerafshan-Tal stand nach der Auflösung der UdSSR und dem nachfolgenden Systemwechsel vor dem Nichts, und viele Gemeinden in der südthailändischen Provinz Phang Na (Andamanensee), waren durch den verheerenden Tsunami vom Dezember 2004 fast vollständig zerstört.
Doch was die vom Studienkreis beauftragten TO DO!-Gutachter nach Abschluss ihrer Überprüfungs-Reisen zu berichten haben, ist erstaunlich und erfreulich. Alle drei TO DO!-Gewinner entsprechen in hohem Maß dem wichtigsten aller Wettbewerbskriterien: Sie entwickeln Tourismus unter Partizipation der Einheimischen und sind dadurch eher in der Lage, ihre Zukunft selbstbestimmt zu gestalten.
Andaman Discoveries
ANDAMAN DISCOVERIES ist eine Reiseagentur in der südthailändischen Provinz Phang Nga. In dem touristisch noch kaum erschlossenen Gebiet – nördlich der Touristenzentren von Phuket und Khao Lak – leben Buddhisten, Muslime und Moken (Seenomaden) zusammen und praktizieren als Fischer und Bauern einen weitgehend traditionellen Lebensstil.
Das an der Andamanensee gelegene Küstengebiet wurde im Dezember 2004 von einem Tsunami schwer getroffen, viele Dörfer waren zerstört. Nach dieser Katastrophe initiierte der seit langem dort lebende (und in Asien aufgewachsene) US-Amerikaner Bodhi Garrett eine Hilfsorganisation – die NATR (North Andaman Tsunami Relief). Diese NGO half den Küstenbewohnern beim Wiederaufbau der Dörfer. Dabei entstand ein engagiertes Netzwerk aus Unterstützern, freiwilligen Helfern und Spendern. Mit dem Effekt, dass NATR in den Folgejahren rund 120 Projekte in 22 Gemeinden verwirklichen konnte, stets in direkter Kooperation mit den Dorfbewohnern. Eines dieser Projekte ist die von Bodhi Garrett gegründete Reiseagentur ANDAMAN DISCOVERIES in Kuraburi. Ausgangspunkt war die Überlegung, dass ein gemeindebasierter Tourismus als gute Chance betrachtet werden kann, um in den beteiligten Dörfern ein Zusatzeinkommen zu schaffen, ohne die traditionelle Lebensweise aufgeben zu müssen. ANDAMAN DISCOVERIES initiiert, berät und vermittelt in Zusammenarbeit mit thailändischen Veranstaltern ein- und mehrtägige Dorfaufenthalte und Besuchsprogramme. Das Spektrum der angebotenen Öko- und Abenteuertouren ist so vielfältig wie die Region: Rad-, Wander-, Rafting- und Kanutouren führen durch savannenähnliche Gebiete, durch Regenwald-Regionen mit einer außerordentlich artenreichen Tier- und Pflanzenwelt oder durch von Mangrovenwäldern gesäumte Kanäle nahe der Küste. Außerdem bietet ANDAMAN DISCOVERIES längerfristige Aufenthalte für Volontäre und Studenten an.
Community Based Tourism in the Zerafshan Valley
Mit dem Preisträger aus Tadschikistan wird zum ersten Mal ein TO DO!-Gewinner aus einer Region geehrt, die für westliche Urlauber ein weitgehend unbeschriebenes Blatt ist. Zu Sowjetzeiten hingegen war das Zerafshan-Tal, umgeben von Gipfeln mit über 5.000 Meter Höhe, ein attraktives und begehrtes Reiseziel nahe der Seidenstraße.
Ziel des Regionalentwicklungsprojekts COMMUNITY BASED TOURISM IN THE ZERAFSHAN VALLEY ist es, durch Tourismusentwicklung für die dort lebende Bevölkerung zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten und Einkommen zu schaffen. Vorherrschend ist gegenwärtig noch Subsistenzwirtschaft (Landwirtschaft zur Eigenversorgung), was derzeit viele Einheimische zwingt, als Arbeitsmigranten nach Russland oder Kasachstan zu gehen.
Mit Hilfe der Dachorganisation Zerafshan Tourism Development Association (ZTDA) wurden deshalb Homestay-Übernachtungsmöglichkeiten für interessierte Besucher geschaffen (etwa 20 Anbieter). Es gibt so genannte Tourism Initiative Groups (TIGs), die in drei Distrikten des Zerafshan-Tales ihre Dienste anbieten: Homestays, Begleitung auf Trekkingtouren und Reisen zu Kulturstätten, Reittouren, Transportdienste (Fahrzeuge, Esel), Folklorevorführungen, Demonstration von Herstellung lokaler Produkte; insgesamt gibt es etwa 100 kleinere Dienstleister. Die TIGs kontrollieren auch die gleich bleibende Qualität der Unterkünfte. Die beteiligten Anbieter können selbst bestimmen, wie weit ihr Engagement im Tourismus geht, wie viel sie in Infrastruktur und Arbeitszeit investieren. Der vormalige Deutsche Entwicklungsdienst DED – seit 2011 Entwicklungsdienst der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) – ist bei Aufbau und Finanzierung dieses Projektes engagiert.
Für die Besucher wurden hilfreiche Informationen zusammengestellt, darunter Hinweise zu respektvollem Verhalten in den Homestays. Neben der Aus- und Weiterbildung der Homestay-Anbieter werden etwa 30 Frauen in der Herstellung und Vermarktung von Kunsthandwerksprodukten unterstützt. Zudem versucht man, mit entsprechenden Marketingmaßnahmen die Region als Reiseziel bekannter zu machen, um das Projekt finanziell auf eigene Beine zu stellen.
Centro Histórico y Educativo Riij Ib’ooy
Mit dem CENTRO HISTÓRICO Y EDUCATIVO RIIJ IB’OOY wird das Projekt einer Maya-Gemeinde im Ort Río Negro ausgezeichnet, der im Zentrum von Guatemala liegt und schon vor über 2500 Jahren von Mayas besiedelt wurde. Die Errichtung dieses historisch-pädagogischen Zentrums – das zugleich touristisch genutzt wird – geschah vor einem gewalttätigen Hintergrund: In und um Río Negro wurden 1982 etwa 440 Menschen getötet, rund die Hälfte der Gemeindemitglieder. Der Anlass: Im Zusammenhang mit dem Bau des heutigen Chixoy-Staudammes (während des damaligen Bürgerkriegs) kam es wegen der Zwangsumsiedlungen der dort lebenden Familien zu Protesten und in Folge dessen zu mehreren Massakern an der indigenen Bevölkerung. Die überlebenden Maya flüchteten in die Berge, ein Teil kehrte erst Anfang der 90er Jahre in die ursprüngliche Heimatregion zurück.
Vor diesem Hintergrund entschloss sich 2007 die Gemeinde von Río Negro, das Geschichts- und Bildungszentrum CENTRO HISTÓRICO Y EDUCATIVO RIIJ IB’OOY zu bauen – mit einem Gedenkraum, einer Bibliothek, einem Raum für Veranstaltungen sowie Übernachtungsmöglichkeiten für Gäste. Außer diesem im traditionellen Stil gebauten Haus wurden zwei weitere Häuser mit Übernachtungsmöglichkeiten und Küche errichtet. Das notwendige Material finanzierte der Deutsche Entwicklungsdienst (DED/GIZ), der schon zuvor im Rahmen der Friedensentwicklung und Konfliktbewältigung in der Region tätig war. Dies erleichterte es den Gemeindemitgliedern, die überwiegend von der Außenwelt isoliert gelebt hatten, über ihre Erlebnisse mit Fremden zu sprechen. Die Bauarbeiten für das Zentrum und die beiden auch im traditionellen Stil errichteten Gästehäuser wurden von der Gemeinde Río Negro selbst durchgeführt. Sie war von Anfang an bei der Planung und Konzeption beteiligt, sie besitzt und verwaltet das Zentrum. Einer der wichtigsten Aspekte bei der Entwicklung des Zentrums lag darin, für die Familien, die überwiegend von Subsistenzwirtschaft leben, zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen. Daher war es nahe liegend, touristische Programme zu entwickeln und diese im Rahmen von Tagestouren oder Ausflügen zu vermarkten. Dies geschieht nun mit Hilfe des Centro Comunitario Educativo Pokomchi (CECEP) in San Christóbal. Die Besucher erfahren so nicht nur etwas über die heiligen Stätten, die nach dem Bau des Staudamms im Wasser versunken sind, es wird auch über das heutige Leben in der Maya-Gemeinde informiert. Durch Gespräche vermittelt sich den Gästen auch die wieder gewonnene Lebensfreude der Bewohner von Río Negro. Ausflüge in die Umgebung geben den Besuchern einen Eindruck von der landschaftlichen Schönheit der Gegend.
Die Laudatio auf die Preisträger wird dieses Jahr gehalten vom Vizepräsidenten der Schweizerischen Stiftung für Solidarität im Tourismus, Hans Ulrich Schudel. Er wird sich auch mit der gesellschaftspolitischen Bedeutung von Partizipation auseinander setzen. Frei nach dem Motto: Wann, wenn nicht jetzt?

Weitere Informationen zu den Preisträgern:

Thailand: www.andamandiscoveries.com

Tadschikistan: www.ztda-tourism.tj

Guatemala: www.río-negro.info, www.cecep.cosmosmaya.info/

www.todo-contest.org