Basel, 31.07.2013, akte/ Im März wurde ein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) publik. Es kommt zum Schluss, dass die touristische Nutzung des Gebirgslandeplatzes Monte Rosa unvereinbar ist mit dem Schutzstatus einer Region, die zum Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) gehört. Das Ziel, die Ruhe und Stille in einer "nahezu unbelasteten" Hochgebirgslandschaft zu erhalten, respektive wiederherzustellen, sei "schwerwiegend" beeinträchtigt. Darum sei seine Nutzung für touristische Zwecke aufzuheben.
Die ENHK hat das Gutachten im Auftrag des Umwelt- und Verkehrsdepartements (UVEK) verfasst. Aufgrund einer Überprüfung der Gebirgslandeplätze im Raum "Wallis Südost" durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) hatte das UVEK verfügt, touristische Flüge zum Landeplatz Monte Rosa und weiteren Gebirgslandeplätzen in der Region einzuschränken. Gegen diese Verfügung erhoben verschiedene Parteien Beschwerde, unter anderem der Schweizer Alpen-Club (SAC), der die wirtschaftlichen und fliegerischen Interessen in einer einseitigen Interessenabwägung bevorzugt sah, sowie die Gemeinde Zermatt und Air Zermatt, die keine Einschränkungen akzeptierten.
In Zermatt weckt das Gutachten der ENHK Befürchtungen. Gemeinde, Air Zermatt und Bergführer bangen um Einnahmen und fürchten, die Aufhebung des Landeplatzes Monte Rosa könnte der Auftakt zur Einschränkung der touristischen Nutzung weiterer Gebirgslandeplätze sein. Prompt forderte der Gemeinderat, anstelle des Gebirgsflugplatzes den Schutzstatus der Gletscherlandschaft Monte Rosa aufzuheben. Diese wurde 1983 im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) aufgenommen, als Teil des Schutzobjekts 1707, zu dem auch die umgebende Hochgebirgslandschaft zwischen Matterhorn, Dent Blanche und Pigne d’Arolla gehört und das eine Gesamtfläche von 270 Quadratkilometern aufweist.

Aushöhlung oder Stärkung des Alpenschutzes

Im Mai beauftragte der Walliser Grosse Rat den Staatsrat, beim Bundesrat die Streichung des Gebiets Dent-Blanche–Matterhorn–Monte-Rosa aus dem BLN zu beantragen. Sollte der Bundesrat dieses Begehren unterstützen, käme es zu einem Präjudiz, das wirtschaftlichen Interessen Tür und Tor öffnet. Für viele Schutzgebiete, die ohnehin vom Intensivtourismus und der Erschliessung alternativer Energiequellen bedroht sind, wäre dies fatal. Von Gesetzes wegen sind Anpassungen der Schutzgebiete oder des Inventars bisher nur möglich, wenn dem Schutzziel "gleich- oder höherwertige Interessen von ebenfalls nationaler Bedeutung entgegenstehen".
Das Gutachten der ENHK ist von hoher Brisanz, denn mindestens die Hälfte der 42 Gebirgslandeplätze liegt innerhalb oder am Rand von BLN-Schutzgebieten. Verschiedene Umwelt- und Gebirgsschutzorganisationen erhoffen sich eine Signalwirkung für die geplante Überprüfung weiterer Gebirgslandeplätze durch das BAZL. Mountain Wilderness Schweiz fordert einen vollständigen Verzicht auf die touristische Fliegerei in allen geschützten oder schützenswerten Landschaften.
Als Nächstes steht eine Überprüfung in der Region Aletsch-Susten an. Dort liegen sieben der neun Landeplätze in BLN-Gebieten und zudem innerhalb des UNESCO-Welterbes Jungfrau-Aletsch. Die im Frühling 2013 lancierte Petition Alpenruhe fordert von Bundesrat und Parlament ein Verbot von Tourismus- und Privatflügen im Gebiet des UNESCO-Welterbes Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch, das rund ein Drittel der schweizerischen Hochalpen ausmacht.