Die Flugbranche ist für das 2 Grad Klimaziel nicht auf Kurs
Weltweit setzen Fluggesellschaften sparsame moderne Flugzeuge nur schleppend ein. Im Vergleich zu den sparsamsten Flugzeugen wie dem Airbus A350-900 oder der Boeing 787-9 im optimalen Einsatz verbrauchen selbst die besten Airline-Flotten im Mittel 20 Prozent mehr CO2 pro Kilometer. Die Flotten von Airlines mit nur mittlerer CO2-Effizienz in Technik und Betrieb stossen dagegen sogar doppelt so viel CO2 pro Kilometer aus wie die sparsamsten Flugzeuge. Nur eins von hundert Flugzeugen weltweit gehört zur Klasse der hocheffizienten Flugzeuge. Dies geht aus dem neuen atmosfair Airline Index (AAI) 2016 hervor, den die Klimaschutzorganisation atmosfair auf der Klimakonferenz in Bonn vorgestellt hat.
Weltweit wuchsen die CO2-Emissionen der Airlines um gut vier Prozent, während die geflogenen Kilometer um knapp 7 Prozent zulegten. Die notwendige Entkoppelung von Verkehrswachstum und CO2-Emissionen ist damit auch in diesem Jahr nicht in Sicht. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Luftverkehr weltweit nicht auf Zielkurs ist, weder für das 1,5 Grad noch für das 2 Grad Ziel", sagt Dietrich Brockhagen, Geschäftsführer von atmosfair. "Während einige Fluggesellschaften ihre CO2-Effizienz durch Zukauf neuer Flugzeuge erheblich verbessern konnten, geht die Erneuerung der Flotten insgesamt global gesehen nicht schnell genug."
Neue Flugzeugtypen steigern Effizienz der Flotten
Der AAI zeigt, dass neue Flugzeuge wie die Boeing 787-9 und der Airbus A350-900 selbst auf der verbrauchsintensiven Langstrecke Werte von weniger als 3,5 Liter Kerosin pro Passagier und 100 Kilometer erzielen können. Der A319 mit Sharklets ist das Pendant dazu auf der Mittelstrecke.
Diese neuen Flugzeuge setzen aktuell die Messlatte für erreichbare CO2-Effizienz deutlich höher. Daher schneiden solche Fluggesellschaften im aktuellen AAI in der Bewertung schlechter ab, die eine unveränderte Flotte haben oder sich mit neuen Flugzeugen nur wenig verbessert haben. Da bei keiner Fluggesellschaft solche neuen Flugzeuge die Flotte dominieren, erreicht keine Fluggesellschaft die beste Effizienzklasse A und nur drei die Effizienzklasse B (Vorjahr: 10).
Mit der britischen TUI Airways (früher Thomson Airways) steht mit knapp 80 Prozent des erreichbaren Optimums wieder eine Charter Airline auf Platz eins des atmosfair-Rankings. Platz drei geht an die deutsche Schwester TUIFly. Damit liegt die deutsche Fluggesellschaft seit dem Start des atmosfair Rankings in 2012 durchgehend auf Spitzenplätzen. Mit der Condor schaffte es ein weiterer deutscher Ferienflieger unter die Top 10 (73 von 100 Effizienzpunkte).
Platz zwei in der Gesamtwertung erreicht China West Air. Damit setzt sich die Regionalfluglinie als erste chinesische Airline im zweiten Jahr in Folge in der Gruppe der besten Arlines fest (78 von 100 Effizienzpunkte). Von den Top 50 effizientesten Airlines der Welt kamen 16 aus Europa und 10 aus China.
Die bestbewerteten grossen Airlines
Unter den grossen Fluggesellschaften führt international die chilenisch brasilianische LATAM das Ranking mit moderner Flotte und hohen Auslastungen (Platz 11, Effizienzklasse B) an. Innerhalb der EU folgen KLM aus den Niederlanden (Platz 13, Klasse B) und die portugiesische TAP (Platz 33, Klasse C).
Die grösste deutsche Fluggesellschaft Lufthansa konnte sich relativ zur Konkurrenz verbessern und landet so trotz des verschärften Effizienzmassstabs auf Platz 65 (Effizienzklasse D). Die Lufthansa konnte ihre Effizienz relativ zu den Vorjahren durch eine erneut verbesserte Auslastung der Flotte steigern. Sie bestuhlt dabei die Flotte insgesamt leicht unterdurchschnittlich und nutzt so ihr Effizienzpotential nicht voll aus. Auf der Kurz- und Mittelstrecke setzt Lufthansa immer weniger ineffiziente Flugzeugmodelle ein (u.a. B737-300/500). Auf der Langstrecke nutzt die Lufthansa weiter verstärkt moderne Wide-Body Jets (A330, A380, B747-8I).
Von der amerikanischen Airlines schaffen es nur drei unter die Top 50 Airlines des diesjährigen Index. Alaska Airlines ist die beste amerikanische Linienfluggesellschaft (Platz 14, Effizienzklasse C), gefolgt von Delta und United Airlines, die sich Platz 41 teilen (Effizienzklasse C). American Airlines, die grösste Airline der Welt, schafft es nur auf Platz 66 (Klasse D). Ihre Flotte besteht zwar meist aus effizienten Flugzeugen wie dem A320, B-737-800 oder B777, aber teilweise auch aus ineffizienten Flugzeugen wie der MD-80. Mit hohen Auslastungen auf der Mittelstrecke gewinnt American Airlines zwar Punkte, aber die schwache Auslastung auf der Langstrecke führt zu Abzügen.
Die Unterschiede sind erheblich
Die Unterschiede zwischen den Fluggesellschaften können erheblich sein. Der Treibstoffverbrauch pro Passagier und Kilometer kann auf derselben Strecke bei einer Fluggesellschaft mehr als doppelt so hoch liegen wie derjenige einer anderen. Die besten Werte erreichen Fluggesellschaften, die modernes, auf die Streckenlänge angepasstes Fluggerät einsetzen, viele Sitze darin unterbringen und sowohl Sitze als auch Frachtraum gut auslasten.
Billigflieger werden im AAI in einer eigenen Klasse gewertet. Der Grund: Sie profitieren unter anderem häufig von Subventionen und setzen diese dann über künstlich niedrige Ticketpreise in Flugkilometer und damit CO2-Emissionen um, die sonst nicht entstanden wären. Nur ein Billigflieger findet sich in der Effizienzklasse B. Wie die übrigen Airlines landen die meisten in den Effizienzklassen C und D.
Aufbau, Daten und Methode
Der atmosfair Airline Index (AAI) vergleicht einzeln die Treibhausgasemissionen der über 200 grössten Fluggesellschaften weltweit und bewertet deren CO2-Effizienz. Insgesamt bildet der AAI mit etwa 33 Millionen Flügen rund um den Globus etwa 92 Prozent des weltweiten Luftverkehrs ab. Die aktuellen Berechnungen beruhen auf den jüngsten verfügbaren Daten der weltweiten Luftverkehrsbranche von 2015.
Im AAI kann jede Fluggesellschaft zwischen 0 und 100 Effizienzpunkte erhalten, getrennt nach Kurz-, Mittel- und Langstrecke. So kann jeder Fluggast vor einem Flug die Fluggesellschaften vergleichen, die Flüge zu seinem Ziel anbieten, und sich für diejenige entscheiden, die am wenigsten CO2-produziert. Dies ist vor allem für Unternehmen mit vielen Geschäftsreisen interessant, die im besten Fall durch den Wechsel der Fluggesellschaft CO2– und Ticketkosten sparen können.
Der Index basiert auf dem CO2-Ausstoss einer Fluggesellschaft pro Kilometer und Passagier auf allen geflogenen Strecken. Den CO2-Ausstoss berechnet der Index über den Flugzeugtyp, die Triebwerke, die Verwendung von Winglets (aerodynamische Flügelspitzen), die Sitz- und Frachtkapazität sowie deren Auslastungen auf jedem einzelnen Flug. Datenquellen sind ausschliesslich internationale Organisationen wie ICAO oder IATA und eine Reihe spezialisierter Datendienste der Luftfahrtbranche sowie Computermodelle von Flugzeugingenieuren.