Die Wahrheit über den Waisenhaus-Tourismus
"Wo bist du hingegangen? Was hast du getan?" zischte ich aus zwischen zusammengebissenen Zähnen. "Aber ich dachte, mit meinem Besuch im Waisenhaus würde ich ein gutes Werk unterstützen", meinte Andrew, mein ahnungsloser Freund, der aus Australien zu Besuch war. Er hatte sich auf den Vorschlag des kambodschanischen Tuk-Tuk-Fahrers eingelassen, eines der vielen Wohnheime zu besuchen, und einen Sack Reis mitzubringen. Ein gutes Geschäft für den Fahrer, kostete doch der Sack Reise doppelt so viel wie üblich, vermutlich seine Provision dafür, dass er den Besucher mitbrachte.
Neben Sex-Tourismus und der Bekleidungsindustrie sind Waisenhäuser der grösste Wirtschaftszweig Kambodschas. Das Problem ist, dass die meisten TouristInnen dies einfach nicht verstehen. Sie sehen die bittere Armut und wollen etwas tun, um zu helfen. Oder zumindest etwas Geld um sich werfen, um ihre abendländische Schuld zu verringern.
Freiwilligenarbeit
Denken Sie einmal eine Minute lang darüber nach: Würden Sie Fremde in Ihr Haus kommen und mit Ihren Kindern spielen lassen? Also, warum denken Sie, tun es Waisenhäuser? Die Antwort ist die gleiche wie bei der Sex-Industrie – es geht ums Geld. Zumindest sind die Sexarbeiterinnen diesbezüglich ehrlich; die Waisenhäuser sind es nicht. Die Schlimmsten von ihnen sind Deckmäntel für Pädophilie: Mieten Sie einen kleiner Junge oder ein Mädchen für einen Tag. Wirklich?- mögen Sie fragen. Ja. Werfen Sie zum Beispiel einen Blick auf die folgenden Beiträge (auf Englisch):
Cambodia’s Orphan Business – Al Jazeera*
Think Before Visiting – ThinkChildSafe.org**
Orphanage Tourism – ThinkChildSafe.org***
Ein paar Wochen Freiwilligenarbeit in einem Waisenhaus leisten, eine Verbindung mit ein paar Kindern aufbauen und dann nach Hause weiterziehen, tut den Kindern nicht gut. Erst stellen ihre Eltern sie dort ab und wenn Sie sie verlassen, erhalten sie ihre nächste Portion Zurückweisung. Und so geht es immer weiter. Und so wiederholt sich diese Erfahrung für die Kinder mit den ganzen Horden von Freiwilligen.
Alexandra Hammer – eine aufgeweckte Australierin in ihren Zwanzigern, mit einem dynamischen Geist, ist Anführerin einer "Stopp Waisenhäuser"-Brigade. Sie sagt:
"Die meisten der Kinder sind keine Waisen. Sie haben Eltern, die sie dort lassen, in der Hoffnung, dass sie eine Ausbildung erhalten. Stattdessen werden sie ausgebeutet, um Geld von naiven AusländerInnen abzuzocken, die meinen, sie würden ein gemeinnütziges Werk unterstützen. Die Kinder werden gelehrt, ihre ABC-Lieder zu singen, sobald sie ein weisses Gesicht sehen. Scheusslich! Billige Ausbeutung! Sie werden auch angewiesen, zu den Ausländern hinzurennen und sie zu umarmen. Das Ganz kommt immer sehr tränenrührig daher und ist doch bloss Ausbeutung."
"Das Problem ist, dass die Kinder schlecht ausgebildet werden und es kaum Arbeitsstellen gibt, wenn sie das Alter erreicht haben, in dem sie das Waisenhaus verlassen müssen. KambodschanerInnen müssen weit reisen, um Arbeit zu finden, aber ihre Ausbildung wird nicht anerkannt. Sie werden oft für vielversprechende ausländische Stellen angeheuert, die sich dann als Job auf einem Thai-Fischerboot für die Männer oder als Dienstmädchen in Malaysia für die Frauen entpuppen. Andere landen in Bettelbanden oder in der Sexbranche. Die Kinder aus den Waisenhäusern sind oft auch psychisch zu sehr geschädigt, um ihr Leben noch auf die Reihe zu bekommen."
"Suchen Sie besser eine glaubwürdige Organisation, die Ihre persönlichen Anliegen vertritt, und spenden Sie dieser Ihr Geld. Die folgenden drei Organisationen kann ich empfehlen. Es sind: Children in Families, Tiny Tunes, and Cambodian Children’s Trust. Oder unterstützen Sie Menschen, die in kambodschanischen Kinderhilfsorganisationen arbeiten. Zahlen Sie ihnen etwas, damit sie ihren Job machen und mehr SozialarbeiterInnen einstellen können. Helfen Sie, den Begünstigten zu helfen. Sie können das Schulgeld für ein Kind bezahlen, aber wer unterrichtet sie, wenn niemand die Lehrkräfte finanziert?"
Also, bevor Sie sich als Freiwillige melden, machen Sie eine Bedarfsanalyse: Welche Kompetenzen bringen Sie mit, um einen sinnvollen Beitrag zu leisten? Es sind die TouristInnen, die mit Geschichten und Fotos von der guten Arbeit aus den Ferien zurückkehren. Den Kindern bleibt nur, weiter ihre ABC-Lieder zu üben und auf die nächste Welle der Freiwilligen zu warten, die sie unterhalten müssen.
Jody Hanson ist ein schrecklicher Reise-Junkie. Sie lebt derzeit in Kambodscha. Bis heute hat sie 107 Länder besucht, lebte in acht und hält in dreien Pässe. Ihre – manche würden sagen, unverantwortliche – Altersvorsorge ist, weiterzumachen, bis sie umfällt. Dann will sie eine muslimische Bestattung: Der Körper soll gewaschen, mit einem weissen Leinen umwickelt und bei Sonnenuntergang "gepflanzt" werden. Bis dahin erlebt Hanson weiterhin mehr als ihren Anteil an Abenteuern und Missgeschicken, die sie gleichermassen annimmt.
Jody Hanson ist ein schrecklicher Reise-Junkie. Sie lebt derzeit in Kambodscha. Bis heute hat sie 107 Länder besucht, lebte in acht und hält in dreien Pässe. Ihre – manche würden sagen, unverantwortliche – Altersvorsorge ist, weiterzumachen, bis sie umfällt. Dann will sie eine muslimische Bestattung: Der Körper soll gewaschen, mit einem weissen Leinen umwickelt und bei Sonnenuntergang "gepflanzt" werden. Bis dahin erlebt Hanson weiterhin mehr als ihren Anteil an Abenteuern und Missgeschicken, die sie gleichermassen annimmt.