
Die Warnung der Grossmutter
Ohne grosse Beachtung in der Öffentlichkeit und ohne Umweltverträglichkeitsstudie hat der Forest Service – die oberste Forstverwaltung der Nationalwälder und -monumente der USA – der britischen Firma Vane Minerals im Februar 08 die Genehmigung erteilt, just beim Grand Canyon Nationalpark an 39 Standorten nach Uran zu explorieren, weniger als drei Meilen von einem berühmten Touristen-Aussichtspunkt am South Rim.
Durch den starken Anstieg des Uranpreises auf den Weltmärkten in den letzten drei Jahren sind Einzelpersonen und Firmen zu Tausenden in den erzreichen Südwesten eingefallen und haben Schürfrechte beantragt, über 1000 allein im Kaibab National Forest unweit des Grand Canyon; im ganzen Westen sind es heute 375’000 Claims! Der Forest Service gewährte Vane Minerals die Sondierbohrungen, da sie «nicht mal ein Jahr dauern und womöglich nicht zu einem Abbau führen würden». Die Kontrollbehörde des zuständigen Verwaltungsbezirks von Coconino County schaltete sich umgehend ein und versuchte, die Regierung Bush zu überzeugen, das Gebiet am North und South Rim grossräumig von Bergbautätigkeiten auszusparen. Die Menschen kennen das traurige Schicksal der benachbarten ehemaligen Uran- Bergarbeiter des Navajo-Reservats und wissen um die gefährlichen Urantransporte, die vor Jahren zu Unfällen mit gravierenden Verseuchungen der lebenswichtigen Wasserläufe im trockenen Norden Arizonas geführt hatten.
Bundesgesetz versus Gesetze der Indigenen
Das Colorado Plateau beherbergt eine geologische Besonderheit: das Uran lagert hochkonzentriert in so genannten Breccia-Röhren und könnte mit parallel in den Boden getriebenen Bohrschächten leicht zu Tage gefördert werden, behauptet Vane Minerals, die Auswirkungen auf die Umwelt seien minim. Die Krux ist, dass es ein Gesetz aus dem Jahr 1872 gibt, einer Zeit, in der die draufgängerische Expansion nach Westen mit dem Ressourcenabbau «zum Wohl der Nation» über andere Interessen stand. Die Unternehmen müssen bis heute keine Lizenzgebühren entrichten und minimale Umweltschutzmassnahmen treffen. Das Gesetz erhebt die Bergbautätigkeit über alle anderen Landnutzungsarten, so auch über den Schutz von Wildtieren oder Erholungsgebieten. Eine Revision ist zurzeit im Senat hängig. Die Navajo, Hopi und Havasupai haben ihre Gebiete zwar mit einem Uranabbau-Verbot belegt, doch solange auf Bundesebene keine Gesetzesänderung erfolgt, sind sie den Uranabbaukonzernen ausgeliefert.
1979 erklärte die UNESCO den Grand Canyon übrigens zum UNESCO-Weltnaturdenkmal.
Das Zeichen der Grossmutter
Nicht genug des Übels: Im August 08 kam es im Grand Canyon zu einem gravierenden Dammbruch infolge heftiger Regenfälle; 170 Menschen mussten vor Überschwemmungen in Sicherheit gebracht werden, als der Redlands-Damm in einem Seitental des berühmten Nationalparks brach. Dieses Seitental ist die Heimat der Havasupai; sie leben im Dorf Supai und bilden mit ca. 450 Angehörigen das kleinste Indianervolk der USA. Nun wurde die Siedlung am Grunde des Tals mit den berühmten Wasserfällen teilweise überschwemmt, und die Bewohner mitsamt den Touristen, die im Sommer zu Tausenden dahinpilgern, mussten mit Hubschraubern aus dem engen Tal evakuiert werden. Für die traditionellen Indigenen war es einmal mehr die Warnung ihrer spirituellen Grossmutter, die sich mit einem solchen Fingerzeig gegen einen geplanten Uranabbau wehrt. Das Uran muss im Boden bleiben, ein Abbau gefährdet das Naturwunder des Grand Canyons – und die beiden Indianervölker, die dort leben (Hualapai und Havasupai). Denn wäre Uran bereits gefördert worden, so wäre radioaktives Material mit den Wassermassen durch das ganze Tal gespült worden und hätte alles verstrahlt.
Interesse der Schweizer Atomwirtschaft
Pikantes Detail: die Schweizer Atomwirtschaft besass in den 1980er Jahren Beteiligungen an einer Joint Venture zum Abbau von Uran, just am heiligen Berg Bear Butte, zwar 56 km vom Dorf Supai entfernt, aber durch unterirdische Wasserläufe direkt verbunden. Als 1990 in der Schweiz die Atominitiativen zur Debatte standen, besuchte der damalige Chief der Havasupai die Schweiz – und es ereignete sich während seiner Tournee eine Überschwemmung; es brachen Dämme in der Nähe von Bear Butte, und Supai wurde überflutet: der Beweis für die Gefahr einer radioaktiven Verseuchung des Dorfes (und des Grand Canyon), falls tatsächlich Uran abgebaut werden sollte! «Unsere Grossmutter am Bear Butte will uns zeigen, dass wir ihren Heiligen Berg intakt lassen müssen, sonst kann sie unser Leben nicht jeden Frühling erneuern. Nach Uran zu graben, wäre so, als würde man in ihre Gebärmutter stossen – für uns ein Sakrileg, und für die Natur eine grosse Gefahr.» Der Chief wusste: Wenn das Uran erst aus dem Boden geholt wird, kann strahlendes Restmaterial durch Flutkatastrophen Hunderte von Kilometer weit den Canyon heruntergespült werden. Und das Wasser kommt, diesen Sommer schon wieder…
Quellen: Felicity Barringer, NY Times, Febr.08;Tages-Anzeiger, 19.8.08
Der Beitrag erschien im Incomindios-Newsletter Nr. 29/2009. Wiedergabe des Beitrags mit freundlicher Genehmigung der Autorin Helena Nyberg
Basel, 11.05.2009, akte/
Ein erster Erfolg im Kampf gegen die Uranbohrungen
Der Widerstand gegen die Uranbohrungen kommt nicht nur von den betroffenen Indigenen, sondern auch von Umweltschutzseite: Am 25. September errangen Sierra Club, das Zentrum für Biodiversität in Arizona, und der Grand Canyon Trust einen grösseren Sieg gegen den Plan der obersten Forstverwaltung, die Uranförderung im Kaibab National Forest nahe dem Grand Canyon Nationalpark zu erlauben. Der Gerichtsentscheid verlangt von der Forstbehörde und VANE Minerals, alle laufenden Gesuche für Sondierbohrungen im Wald zurückzuziehen. Bei künftigen Gesuchen müsse eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäss nationalem Umweltgesetz vorgelegt werden. Am 28. März erschienen 200 BürgerInnen Arizonas in Flagstaff zu einer öffentlichen Kongress-Anhörung. Sie verlangten einen Bohrstopp, bis die Umwelteinwirkungen der Bohrungen geklärt seien. Am 4. April erliess ein Bundesrichter eine einstweilige Verfügung gegen eine im Kaibab National Forest bohrende Minengesellschaft und gebot so der Uranförderung auf öffentlichem Land nur wenige Meilen vom Grand Canyon National Park entfernt Einhalt. Das ist zwar ein grosser Erfolg von Sierra Club, dem Zentrum für Biodiversität und dem Grand Canyon Trust, die letzten Dezember gegen die oberste Forstverwaltung Klage erhoben hatten. "Aber das Wasser, die Gesundheit und die heiligen Stätten der fünf Stämme der Umgebung, die nein haben nein zu Minenaktivitäten gesagt, werden immer noch von den Minenaktivitäten in den angrenzenden Gebieten bedroht“, erklärt Stacey Hamburg, eine Mitarbeitering von Sierra Club. "Wir sind sehr froh über den grossen Rückhalt der Gemeinde während der öffentlichen Anhörungen, und für die Arbeit unserer Partner bei den NGOs und bei den Indigenen.“
Quellen: http://sierraclub.typepad.com 14.10.2008 und 09.04.2009; Bilder: www.sedona.biz/grand-canyon-uranium-mining0108.htm;C.Tilousi, http://planetsave.com/tag/uranium-mining;